Kapitel 8 - Safe

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"What is home? Maybe it's not a place, but a moment in time. When I was safe. Secure. Cared for. Home. It's more than a point on a map. It's a sensation. A feeling of comfort - feet." - Susan Wiggs

Ich wurde durch ein lautes Pochen an meiner Tür geweckt. Vielleicht hatte ich das auch nur geträumt und mir eingebildet. Ich drehte mich also noch einmal im Bett herum und kuschelte mich nochmal in die warme, weiche Bettdecke. Bis es wieder klopfte. Dieses mal war ich mir allerdings ganz sicher, dass ich mir das nicht eingebildet hatte. Also musste ich wohl oder übel die Augen auf schlagen und zur Tür tapsen. Der Boden unter mir war kalt und ich schaffte es gerade nochmal zu meinem Wecker auf meinem Nachttisch zu schielen. Wer klopft denn bitte am 25. Dezember um 8 Uhr morgens an der Tür? Vielleicht doch der Weihnachtsgeschenkedieb, nur zur Feier des Tages macht er mal eins auf höflich.

Während ich mir noch verschlafen die Augen rieb, öffnete ich die Tür. Als ich aufsah, sahen mir wieder die Augen entgegen, die ich gestern auch das letzte mal gesehen hatte. Zwei eisklare, blaue Augen. „Miss Blake?" stammelte ich nur vollkommen fassunglos. Als ich merkte wie sie an mir herunter starrte, schlug ich schnell meine Arme vor meinen Körper, da ich lediglich ein T-shirt und einen Slip trug. „Ähm... Ähm..." Miss Blake sah mir zurück in die Augen und schüttelte nur vollkommen von der Rolle den Kopf. Sie sah an mir vorbei in mein Appartement und wieder zurück zu mir, dann räusperte sie sich. „Ich möchte nicht, dass Sie gehen." Verständnislos schaute ich sie an. Um diese Uhrzeit nach dem Abend gestern war ich schließlich noch nicht ganz auf der Höhe und so verstand ich gar nichts. Kurz vor 8 Uhr würde ich sowieso nirgendwo hingehen. Miss Blake hingegen sah putzmunter aus, stand schon geschniegelt und gestriegelt vor mir und sah mich erwartungsvoll an. Ob sie jemals einen Bad hairday hatte? „Was meinen Sie?" Sie straffte sich noch einmal. „Sie haben gesagt, Sie wollen heute zurückfliegen." Ich erinnerte mich schlagartig an meine Worte von gestern Abend. „Sie sind extra hergekommen um mich davon abzuhalten?" Miss Blake nickte verlegen. „Kann man so sagen." Ich lehnte mich lässig gegen den Türrahmen und sah sie eine Sekunde länger an als nötig. „Nun, mein Flieger geht erst am 2. Januar. Bis dahin werde ich auch noch hier bleiben. Urlaub hab ich sowieso genommen und uff ist das teuer einen Flug zu stornieren." Ich grinste etwas frech, woraufhin Miss Blake unbeholfen zurück lächelte. „Ich möchte gar nicht, dass Sie gehen."  Verdutzt starrte ich sie an.  Wie ein Koi mit offnem Mund. „Wie... Wie meinen Sie das?" Miss Blake sah umher und schien nach Worten zu ringen. „Ich möchte, dass Sie meine Assistentin werden. Ganz offiziell." Ich musste mir ein ernsthaftes Lachen verkneifen. „Sie wollen mich als ihre Assistentin? Erstens haben Sie schon Einen..." schnell schüttelte Miss Blake den Kopf. „Gefeuert, wie gesagt, der war mit Chloe.... Intimer zu Gange als ich dulde." Noch wesentlich verblüffter schaute ich sie an. Das hatte ich nun wirklich nicht gedacht. Ich hatte gedacht, dass sie mich damit nur veräppeln will.
„Naja und zweitens, was würde mir denn einfallen, immer nach ihrer Nase zu tanzen, Sie von vorne bis hinten zu bedienen für kein einziges Danke?" Fuhr ich fort, während ich sie amüsiert anschaute. Miss Blake seufzte auf. „Könnten Sie sich bitte vorher etwas Richtiges anziehen, bevor wir diese Konversation weiterführen?" Gespielt genervt die Augen verdrehend nickte ich, drehte mich um und ging zu meinem Schrank, der direkt neben meinem Bett platziert war. Währenddessen hatte sich Miss Blake auf meiner Couch niedergelassen, streng darauf bedacht so wenig wie möglich zu berühren. Kein Wunder, selbst ich war stets auf der Hut vor den Flecken auf der dunkel braunen Couch. Und ich war mir auch ziemlich sicher, dass das keine vertrockneten Rosinen in der Sofaritze waren. Als ich fertig war, setzte ich mich neben sie und sah sie abwartend an. „Also?" fragte ich. Sie musste mir jetzt schon etwas besseres bieten als das. „Wieso sollte ich meinen alten Job für Sie aufgeben?" Miss Blake riss die Augen auf, als wäre ihr erst jetzt gedämmert, dass ich außerhalb von New York Tatsache ein Leben führte. Ein richtiges mit allem drum und dran. Dass ich vielleicht zuhause einen Freund hatte, der auf mich wartete, eine eigene, wundervoll eingerichtete Wohnung und einen Job den ich liebte. Was zwar alles nicht der Fall war, aber durchaus eine Möglichkeit gewesen wäre.
„Erzählen Sie mir von ihrem Leben." meinte sie plötzlich und sah mich interessiert an. Mittlerweile konnte sie mir auch wieder guten Gewissens in die Augen schauen, nachdem ich nun mehr als nur T-shirt und Slip trug.
„Was wollen Sie denn wissen?" fragte ich unschuldig und lehnte mich mit meinem Arm auf die Sofalehne.
„Wer Sie wirklich sind." meinte sie nur. „Erzählen Sie mir dann auch, wer wirklich hinter Autumn Blake steckt?" Ihre Augen trafen unverhohlen auf meine und es war als hätten wir ein Battle im Starren begonnen. Als wären wir kleine Kinder, wo derjenige verloren hat, der als erstes wegsieht. Aber ich hatte keinerlei Intention wegzusehen. Ihre Augen waren dafür viel zu spannend, als würden sich darin unergründete Welten widerspiegeln.
„Alles zu seiner Zeit, Miss Parker." flüsterte sie irgendwann, als wäre sie gerade wieder aus ihrer eigenen Welt aufgetaucht. Sie wollte mir also nicht verraten, wer hinter dieser Person steckte, die seit Wochen mein Leben auf den Kopf stellte. Gut, das Spiel konnten auch zwei Spielen. „Fein, Miss Blake. Da sehe ich erst recht keinen Grund, ihr persönliches Laufmädchen zu spielen." Herausfordernd schaute ich sie an. „Was ist wenn Sie mehr wären, als nur mein Laufmädchen?" Mit schiefen gelegtem Kopf sah ich sie abwartend an. „Wenn Sie den Raum betreten, kommt es einem vor, als wären Sie die Lösung auf alle Fragen. Ich möchte, dass das noch mehr Leute sehen. Sie sollen meine Geheimwaffe sein. Sie sollen meine kritischsten Investoren von etwas überzeugen, von dem ich sie scheinbar nicht überzeugen kann." Versunken in ihren Worten schaute ich sie an. Ihre Worte wirkten ehrlich, fast schon bittend und das Kompliment was sie mir gemacht hatte, hatte ich natürlich nicht überhört. „Was habe ich davon?"
„Die Welt. Ich werde Ihnen Orte zeigen, von denen Sie sonst nur träumen und Erlebnisse bieten, die Sie sich nichtmal in ihren Vorstellungen ausmalen können." Ich sah sie nachdenklich an. Mir imponierte es, dass sie nie von Geld gesprochen hatte. Weil sie ganz genau wusste, dass ich viel mehr wollte als Geld. Dass ich genau das wollte, was sie mir versprach. Sie wollte mich unbedingt. Aber trotzdem hatte ich Zweifel. Zweifel daran, alles hinter mir zu lassen, was ich kannte. Und im gewissen Maße auch das letzte Stück Vergangenheit was mir noch blieb loszulassen. Es würde damit nach und nach verblassen, bis nichts mehr davon blieb. Zweifelnd schaute ich auf meine Hände, die sich nervös umeinander drehten. „Miss Blake, ich kann das nicht." murmelte ich dann, ihren Blick vermeidend. „Was hindert Sie daran?" Ich zuckte mit den Schultern. „Ich hab Angst." Ich sah wieder auf, direkt in ihre Augen. Ihr Blick war so intensiv, dass ich mich plötzlich ganz klein fühlte. Noch kleiner als sonst. „Haben Sie Angst, etwas zu verlieren, was sie nie hatten oder haben Sie Angst etwas zu bekommen, was sie immer wollten?" Erschrocken atmete ich ein. Diese Frage durchtränkte mich so tief, dass sie mir die Luft zum Atmen nahm. Denn ich wusste es nicht. Vielleicht war es beides. Vielleicht hatte ich Angst mich zu verändern, weil ich dann alles verlieren würde, was mir blieb. Was mich mit meiner Vergangenheit verband.
„Sie sind noch eine Woche hier, richtig?" Ich nickte. „Überlegen Sie es sich. Und wenn Sie in einer Woche immer noch nicht wollen, werde ich Sie nicht aufhalten. Aber bis dahin gebe ich Sie nicht auf." Ein kleines Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. Was genau solange anhielt, bis Miss Blake plötzlich einen spitzen Schrei ausstieß. Ich sah auf, wo Miss Blake sich auf meine Couch geschmissen hatte und ängstlich zu Boden schaute. „Oh mein Gott, da ist eine Ratte in ihrem Appartement." Sie zeigte verängstigt auf das kleine Tier, was gemütlich auf meinem Boden hockte und an meiner Couch rumschnupperte. „Oh, das ist Jerry, ich glaube er hat Hunger." lachte ich. Ich erntete einen vollkommen schockierten Blick von meinem Gegenüber. „Sie wollen mir damit nicht ernsthaft sagen, dass das nicht das erste mal ist, dass sie eine Ratte hier drin haben oder?" Ich zuckte mit den Schultern. „Ne, die kommen hier regelmäßig rein. Das Haus hier ist nicht gerade das Sauberste." Verlegen zuckte ich mit den Schultern. „Oh Gott, warum suchen Sie sich nicht ein anderes Appartement?" Wieder seufzte ich nur. „Weil ich es mir nicht leisten kann..." Miss Blake sah mich wieder schockiert an. Dieses mal kaute sie allerdings nachdenklich auf ihrer Unterlippe herum, was durchaus meinen Blick wie magisch auf sich zog. „Sie können doch nicht mit Ratten zusammenleben. Ich meine..." Ich unterbrach sie angenervt. „Miss Blake, es tut mir leid, dass ich da ihre kleine, heile Welt kaputt machen muss, aber es ist nunmal nicht jeder wie Sie. Nicht jeder führt ein Imperium, in dem er sich Helikopter und dicke Autos leisten kann. Manche freuen sich einfach ein Dach überm Kopf zu haben." Miss Blake stand auf. Sie schien sich zum Gehen wenden zu wollen. Ich sah ihr nur wortlos und überrascht hinterher. „Packen Sie ihre Sachen zusammen!" Fragend schaute ich sie an. Schon alleine durch ihren Blick machte sie mir unmissverständlich klar, dass ich keine Zeit zu verlieren hatte. „Was meinen Sie?"
Dieses mal war es Miss Blake die sich lässig an den Türrahmen lehnte. „Sie kommen mit zu mir, zumindest solange bis Sie eine eigene Wohnung haben. Oder eben bis Sie wieder zuhause sind."

Die Assistentin der Miss Blake Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt