PROLOG

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»Bitte, Clint. Mach' mir keine Hoffnungen, wo keine sind«, bat ich ihn, während ich ihn mit kühlem Blick ansah.

All das Feuer, was vor 5 Jahren noch in mir gelodert hatte, war mit dem Schnipp von Thanos verschwunden. Er hatte nicht nur die Hälfte der Menschheit ausgelöscht, sondern auch einen Teil meiner Seele. Er hatte das aus mir gemacht, was ich heute war; ein kaltherziges Nichts!

»Ich wünschte, ich hätte sie dir schon früher geben können, Lianne. Es tut mir leid, aber wir haben einen Weg gefunden, womit wir alle wieder zurückholen können«, erwiderte er mit gedämpfter, aber sicherer Stimme, während er einen Schritt nach vorn ging und seine rechte Hand auf meine Schulter legte.

Mein Herz war schwer wie Blei und Tränen hatte ich schon seit Jahren nicht mehr. Gab es wirklich eine Möglichkeit, all das wieder umzukehren? Uns das Leben wiederzugeben, was wir vor 5 Jahren führten?

»Was macht euch so sicher, dass es dieses Mal funktioniert?«, hakte ich nach, wobei keinerlei Emotionen in meiner Stimme lag.

»Dein Vater hat..«

»Mein Vater«, unterbrach ich ihn, mit tiefer Stimme, die die pure Enttäuschung widerspiegelte, »hat sich ein neues Leben aufgebaut. Weshalb sollte er den Blip umkehren wollen? Warum sollte er riskieren, seine Tochter zu verlieren?«

»Du bist auch seine Tochter«, seufzte Clint tief, aber er wusste ganz genau, dass ich darauf mittlerweile eher allergisch reagierte, da mein Vater irgendwann einfach aufgegeben hatte; ein Grund, weshalb ich mich von ihm abwandte. »Lianne, bitte. Wir brauchen dich, um den Plan umsetzen zu können«, versuchte er es weiter. »Du wärst wieder mit Steve zusammen..«

Der Name ließ mein Herz in tausend Stücke zerspringen; immer und immer wieder. Seit Jahren rächte ich mich für seinen Tod; rächte ich mich für das, was man mir genommen hatte und jetzt sollte es so etwas wie einen Ausweg dafür geben? Ein Ende?

»Clint, bitte.. Nicht..«

»Lianne. Glaub' mir, ich weiß, wie du dich fühlst und ich will diesem Albtraum ein Ende setzen. Ich will meine Familie zurück, doch dafür brauchen wir dich!«, entgegnete er energischer, während sich Verzweiflung in seinem Gesicht abzeichnete.

»Versprichst du mir, dass es funktioniert?«

»Es wird funktionieren. Das verspreche ich dir. Wenn nicht, dann kannst du deine Wut meinetwegen an mir auslassen«, beantwortete er meine Frage so ehrlich und ernst wie möglich, was mich nur langsam nicken ließ.

»Gut. Dann lass uns los und keine Zeit verlieren«, erwiderte ich, doch bevor wir zum Quinjet liefen, zog Clint mich in seine Arme und drückte mich an sich; so fest, wie es schon seit 5 Jahren keiner mehr getan hatte.

All die Last, die Wut und Trauer, die ich in den vergangenen Jahren verzweifelt versucht hatte loszuwerden, fielen in diesem Moment wie Schuppen von mir ab. Meine Tränen rannen mir wie Sturzbäche über die Wangen, während ich mich an der Jacke von Clint festkrallte.

Beruhigend hielt er meinen Hinterkopf und streichelte mir, mit Druck, über den Rücken; sodass ich endlich wieder was spüren konnte. Mein Herz stolperte, als hätte es 5 Jahre lang aufgehört zu schlagen, was mich wiederum unkontrolliert husten ließ.

»Shht. Ich bin hier, Kleines. Ich bin hier«, flüsterte Clint mir immer wieder ins Ohr, bis sich mein Herzschlag allmählich beruhigte und meine Tränen langsam versiegten.

Ich hatte keine Ahnung, wo all das noch herkam; doch es hatte sich scheinbar alles nur über die Jahre hinweg in mir angestaut.

»Oh, Lianne. Es tut mir so leid, dass ich nicht schon viel früher zu dir gekommen bin.«

»Es hätte nichts geändert, Clint. Niemand hätte mir helfen können; nicht mal das«, stoppte ich und zeigte auf den Leichnam, der noch immer auf der Straße lag, »hat geholfen. Ich habe in den letzten Jahren so viele Menschen umgebracht, weil ich wütend war und permanent einen Schuldigen für all das gesucht habe; doch es hat meinen Schmerz nicht genommen und auch nicht gelindert. Ich vermisse Steve so sehr, dass ich kaum atmen kann. Erst, wenn ich diesen Anzug trage, kann ich alles um mich herum vergessen und den Schmerz für diesen Augenblick ausblenden«, erwiderte ich, woraufhin er verständnisvoll nickte und mir einen Kuss auf die Stirn gab.

»Das wird bald ein Ende haben, Kleines. Wir werden bald alle wieder mit unseren Liebsten zusammen sein. Aber jetzt sollten wir los. Bist du bereit?«

»So bereit, wie man eben sein kann«, lachte ich leicht schnaufend und zuckte die Schultern.

Clint nickte verstehend, dann drehte er sich um und hielt mir seine linke Hand hin. Ich legte meine Rechte in diese und verschränkte unsere Finger miteinander, dann liefen wir gemeinsam zum Jet und flogen zurück nach New York; zurück zum Hauptquartier der Avengers.

Lianne Stark 2 » Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt