f i v e

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Stur lächeln. Das sollte genügen. Anscheinend mag der liebe Ökofreak sympathische Menschen. Sympathische Menschen lächeln durchgehend. Schritt eins ist also so gut wie getan.

Ich zwang mich die Mundwinkel zu heben und nannte die daraus gewordene Grimasse Lächeln. Oh Gott, ich sehe bestimmt trotzdem gut aus. Auch wenn ich nur so tue. Das nenne ich mal Talent. Ich bestehe nur aus lauter Talenten.

Godfield und der Rest der Heuchler-Truppe versammelte sich samt meiner beschrauschenden Wenigkeit wieder im Psychozimmer, wo er uns zumindest jeden Tag einmal therapieren soll. Eigentlich war mein Plan nichts mehr zu machen und innerlich zu überlegen wie ich hier jeden einzelnen den Kopf abreißen kann. Die regen mich alle auf. Wirklich jeder. Aber eine Planänderung war angesagt; Godfield in den Arsch kriechen und darauf hoffen als geheilt diagnostiziert zu werden. Erster Schritt ist ja getan. Der alte ungepflegte Mann nahm mein strahlendes Gesicht wohl positiv wahr, denn ein Lächeln seinerseits kam zurück. Gelbe Zähne blitzten hervor und das letzte Essen konnte man auch noch zwischen ihnen erkennen. Ich tippe auf Truthahnfleisch. Vielleicht sogar noch vom letzten Thanksgiving, denn ob er diese tolle Erfindung namens Zahnbürste kennt ist fraglich. Außerdem sieht er zu umweltfreundlich für Plastik aus. Er reinigt sich die Zähne bestimmt mit einem frisch abgebrochenem Ast von einem Biobauernhof und verwendet ihn nach einer Anwendung mehrmals. Soll ja keine Verschwendung sein, also unsere Natur. Ich wette er macht das, aber ich kann das mit niemanden Wetten. Jeremy fehlt mir. Mit dem konnte man das so gut. Aber nur weil ich zumindest fast immer gewonnen habe. Ob er noch im Knast sitzt? Ich sollte ihn mal anrufen, wenn ich wieder frei bin.

„Tut mir äußerst leid wegen diesen Unannehmlichkeiten. Ich weiß ihr wollt alle nach diesem anstrengenden Tag ins Bett."

Wir haben noch nicht einmal acht Uhr Abends. Verdammt, was stimmt mit diesem Typen nicht? Abgesehen von der Tatsache, dass er ein ungepflegter, ekelhafter und gestörter Pädophil ist. Ich meine, wer ist jetzt schon Bitte fertig? Um diese Uhrzeit esse ich normalerweise zu Mittag und die wollen schon pennen gehen? Und ich soll angeblich psychisch im Eimer sein. Genau.

„Aber nach einigen Beschwerden wegen der Zimmereinteilungen muss ich leider eine Änderung vornehmen."

Bitte sag , dass ich es bin. Sag bitte 'Brad, du musst leider in ein anderes Zimmer.' Sag es. Los.

„Jackson, du musst leider in ein anderes Zimmer. Du und Rosalie schlafen nun in einem Raum und Bonnie und Dylan teilen sich somit das andere" Phil lächelte sanft und lehnte sich nach vorne. „Es hat nichts mit dir zu tun, Jackson." Würde ich jetzt auch behaupten.

Ich blickte genervt gegenüber zu Hackfresse. Warum konnte sie sich nicht beschweren? Warum nur? Ich hätte vielleicht mit Rosalie in ein Zimmer gekonnt. Dann hätte ich zumindest ein bisschen Spaß in diesem Drecksladen. Aber nein, Barbie ist sich zu fein für alles.

Ich streckte ihr die Zunge entgegen, doch hörte abrupt auf als Godfield in meine Richtung sah.

„Bradley, geht es dir nicht gut? Du siehst so mitgenommen aus." Mitleid floss in Strömen aus allen Öffnungen von ihm. Wie ich sowas hasse.

Ich lächelte mehr als übertrieben, doch entschied meine Strategie zu ändern. Jetzt mache ich einen auf verletzbares Weichei mit dramatischer Geschichte.

Ich dachte fest an Snickers nach, meinem verstorbenen Hund. Das machte mich immer wieder traurig. So bekam ich erstmals einen Anflug auf Tränen in den Augen. Snickers, wie ich dich vermisse. Hätte ich dich bloß nicht vergessen zu füttern.
Jetzt noch ein traurigen Blick und schon kann es losgehen.

"Es ist, weil ich jemanden vermisse. Es war Liebe auf dem ersten Blick. Mein Ein und Alles. Und jetzt steht sie ganz alleine in diesem dunklen, leeren Raum. Niemand ist da um sie rauszubringen, mit ihr auszugehen oder ihr die Liebe zu schenken, welche sie verdient hat. Keiner der sie wäscht." Ich machte eine kleine dramatische Pause. Sowas machte man ständig in Filmen.

Godfield schien ebenfalls trauriger zu wirken. Es war plötzlich so still.

„Niemand der sie wäscht?"

Ich schüttelte stumm den Kopf, sodass meine Haare etwas durcheinander waren.

„Wie denn auch, wenn sie keine Arme hat?"

Phil öffnete ungläubig den Mund und hielt sich nun eine Hand davor.

„War es ein Unfall oder hatte sie keine von Geburt an?" Eigentlich wäre jetzt der perfekte Moment um in Gelächter auszubrechen. Er wusste gar nicht von wem ich sprach.

„Sir, ich rede von meinem Motorrad." stellte ich schnell klar, bevor ich zu tief in die Scheiße reiten könnte.

Große Augen zierten sein Gesicht. Alle fingen an mich anzuglubschen. Und dann dieses schrille Lachen am anderen Ende. Hackfresse.

„Es ist eine sie?"

Diesmal war es Dylan, der reagierte.

„Ja, sie heißt Missy. Eine richtig heiße Granate. Ich schwöre, dass man schon einen Orgasmus bekommt sobald man sie sieht. Einfach nur scharf." Ich klang etwas zu angeberisch und somit war meine versuchte Rolle als anfälliges Weichei verflogen. Godfield nickte nur etwas verstört, doch ließ mich in dem Glauben, dass es ok sei etwas materielles zu lieben. Hackfresse kriegte sich nicht mehr ein und ging einfach raus. Niemand sonst sagte noch etwas dazu, naja, bis auf Dylan.

„Geil. Ich habe zu Hause ein Benelli BN 302 in matten Schwarz stehen. Und welches hast du?" Einer der Freaks versuchte also eine hemmungslose und ungezwungene Konversation mit mir zu starten, welche man unter anderem auch Small Talk nennt. Intelligente Strategie um normal zu wirken. Durchaus.

„Keine Ahnung, irgendwas japanisches in Rot." Und ich hatte wirklich null Ahnung wie die Marke heißt. Wen interessiert sowas auch? Ist nebensächlich.

Dylan schaute mich verwirrt und verständnislos an, aber klopfte mir dann auf die Schulter.

„Bist echt ok, Miller."

Phil verabschiedete sich von uns allen. Irgendwie war diese Sitzung unnötig, aber irgendwie auch nicht. Dylan findet mich ok. Ein psychisch gestörter und gleichzeitig suizidgefährdeter Typ findet mich ernsthaft in Ordnung. Ich glaube ich sollte mich jetzt erhängen gehen. Oder mein Aufenthalt hier etwas erträglicher machen und sowas wie Freunde suchen. Ich sollte am besten die magische Miesmuschel fragen. Verdammt, ich habe mein Handy nicht mehr, also auch nicht diese helfende App. Wurde eingesackt. Dann pflücke ich morgen eben ein Gänseblümchen. Anstatt 'er liebt mich, er liebt mich nicht.' mache ich 'erhängen gehen, Freunde suchen.'. Klingt nach einem guten Orakel.

Jetzt heißt es wohl diese müffelnde Matratze, welches ein provisorisches Bett darstellt, zum schlafen zu verwenden. Ich nehm' lieber den Boden. Boden ist eindeutig besser.

The NutellaalienWo Geschichten leben. Entdecke jetzt