Ju:
Als wir später zur Jugendherberge zurückkehren, öffne ich die Zimmertür und finde Rezo am Bett sitzend vor.Er hat offenbar geweint, denn seine Augen sind noch etwas gerötet, doch er versucht es direkt zu verstecken, indem er den Blick abwendet.
»Wie gehts dir«, frage ich, obwohl ich schon an seinem Gesicht die Antwort ›beschissen‹ ablesen kann.
»Geht schon«, sagt er und schaut auf sein Handy.
»Zeig mal her«, fordere ich ihn freundlich auf. Er verstummt und spannt sich etwas an.
»Ist halb so wild«, meint er nur.
Ich lege den Kopf schief. »Jetzt zeig schon.«
Seufzend hebt er den Hoodie ein Stück an. Halb so wild sagt er. Auf seinen Rippen zeigt sich ein großer blauer Fleck. Das muss höllisch wehtun.
»Soll ich etwas zum kühlen holen?«, frage ich etwas besorgt, doch er schüttelt direkt den Kopf.
Ohne nachzudenken rutscht mir eine Frage raus, die ich mir schon länger stelle.
»Du, was ist passiert, dass sie dich als immer als Schwuchtel bezeichnen?«
Er lacht trocken auf. »Weil es so ist? Ich habe vor langer Zeit jemanden, den ich einen Freund nannte, anvertraut, dass ich bi bin und er hat diese Information überall in der Schule verbreitet.«
»Das ist mies«, gebe ich zurück. »Und wie ... hast du es gemerkt? Also. dass du...«
»Wie es immer ist, wenn man sich verliebt. Wenn dein Herz jedes Mal schneller schlägt, wenn du diese eine Person siehst. Wenn du Schmetterlinge im Bauch hast, sobald du in der Nähe dieser Person bist und kaum einen klaren Gedanken mehr fassen kannst und sich alles nur noch um ihn dreht. Wenn man das Gefühl hat, mit dieser Person alles zu schaffen. Liebe ist immer gleich Ju, egal ob du eine Frau oder einen Mann liebst.«, erklärt er und schmunzelt etwas.
Natürlich hat er Recht. Was für eine dumme Frage von mir. Heutzutage sollte es nicht mehr verwerflich sein. Ich nicke leicht. Darüber habe ich mir vorher nur nie Gedanken gemacht.
»Danke, dass du so offen bist«, sage ich, bevor ich mich erhebe um duschen zu gehen.
Rezo:
Mich verwundert sein Interesse an mir. Ich habe nie mit jemanden darüber geredet. Naja, außer damals, aber das machte direkt die Runde. Seitdem bin ich dem Thema weitestgehend aus dem Weg gegangen.
Ich bin froh darum, dass er nicht ahnt, dass ich die beschriebenen Gefühle auch in seiner Gegenwart spüre.
Etwas müde packe ich das Bettzeug auf die Matratze und lege mich hin. Eine Weile scrolle ich noch durch Social Media.
Ju kommt inzwischen auch aus dem Bad.
Mein Blick fixiert ihn ungewollt, als er nur in Boxershorts ins Zimmer kommt. Ich kann nichts dagegen tun, er ist wie ein Magnet für mich. Nein, Rezo, so darfst du nicht denken. Das führt nur zu weiterem Schmerz...Doch auch wenn er es bemerkt, ignoriert er es und legt sich neben mich auf die Matratze. Irgendwann schlafe ein.
Der nächste Tag ist unspektakulär. Ich zwänge mir beim Frühstück zumindest ein halbes Croissant auf. Ausnahmsweise wird heute nur kurz über mich geredet, Joons Lache dringt nur einmal durch den Raum. Immer wieder schaue ich unauffällig zu Ju rüber, bis sich unsere Blicke für einen Moment begegnen. Beide schauen wir direkt zurück auf unsere Teller. Was ist das da zwischen uns?
Ich kann mir denken, dass er verhindern will, dass seine Freunde erfahren, wie nett er zu mir ist. Verständlich.
Als wir die Teller zurückbringen, stellt mir Rewi ein Bein und wie es zu erwarten war, fliegt mir der Teller aus der Hand und zerschellt am Boden.
»Kannst du nicht laufen oder was«, lacht Rewi und geht an mir vorbei. Zumindest bin ich nicht schon wieder auf dem Boden gelandet, auch wenn es nichts neues wäre. Nur noch bis morgen. Das werde ich doch noch schaffen.
Wir fahren diesen Tag in ein Museum. An sich recht langweilig. Ich gehe die komplette Zeit hinter der Gruppe her, ohne mir irgendetwas genauer anzusehen. Zwischendurch höre ich, wie Joon, Bao oder Rewi mich mit irgendwelchen abstrakten Gestalten auf Gemälden vergleichen und darüber lachen.
Ich bin einfach vom Kopf her so unendlich müde. Erschlagen von meinen eigenen Gedanken und Gefühlen.
›Ich will nur noch, dass es endlich endet.‹
Ju:
Im Museum war es langweilig, doch die Jungs fanden immer irgendetwas witziges an den Bildern und Skulpturen.
Nachdem wir zur Jugendherberge zurückkamen, wurde uns erlaubt, wieder in die Disco zu gehen. Perfekt.
Das wollen wir uns nicht nehmen lassen, also ziehen wir direkt los. Die Musik ist ganz okay für ein Kaff wie dieses und mehr hübsche Mädels gibt es heute auch. Nach einigen Drinks finde ich mich eng tanzend mit einem wirklich hübschen Mädchen wieder. Wird aber auch Zeit!
Sie nimmt meine Hand und zieht mich in eine ruhige Ecke des Clubs.
»Ich hab dich noch nie hier gesehen«, ruft sie mir über die Musik hinweg zu.
»Ich komme nicht von hier«, antworte ich und komme ihr näher, damit sie mich besser versteht. »Klassenfahrt.«
Sie nickt und lächelt, ehe sie sich vorbeugt um mich zu küssen. Ich warte auf die ansteigende Lust, doch anders als sonst bleibt sie fern. Selbst als sie ihre Arme um meinen Hals wirft, um mich wilder zu küssen, tut sich nichts in mir.
›Komm schon, wie oft hast du schon die Chance ein Mädel für eine Nacht zu haben, ohne, dass sie die nächsten 4 Wochen meint, eine Beziehung mit dir zu führen?‹
Meine Hände wandern über ihren Körper und auch sie lässt nichts anbrennen. Doch selbst ihre Hand in meiner Hose steigert meine Lust nicht so, wie erhofft. Und mit einem Mal denke ich an Rezo, der wahrscheinlich wieder alleine im Zimmer sitzt und die Stunden zählt, bis die Klassenfahrt vorbei ist.
Ich löse meine Lippen von dem Girl vor mir und lasse sie stehen ohne etwas zu sagen.
Was ist los mit mir? Ich lasse sonst auch nichts anbrennen, wenn es um einen guten Fick geht. Aber irgendwie bin ich mit dem Kopf nicht ganz bei der Sache. Liegt es an Rezo?
Kurz fällt mir Rezos Satz ein und ich schüttle den Kopf. ›Wenn du kaum einen klaren Gedanken mehr fassen kannst und sich alles nur noch im ihn dreht‹
Nein. Das kann nicht sein. Absolut nicht. Vielleicht bin ich einfach müde...
Da sowohl Rewi, als auch Joon grade mit Mädels tanzen, während Bao neuen Alk ranschafft, gehe ich einfach.
Ich bin unzufrieden mit mir und verstehe nicht, was los ist. Ich mache mit einem heißen Mädchen rum und denke an meinen blauhaarigen Zimmernachbar? Ich muss mir jedoch eingestehen, dass ich in diesem Moment lieber in seiner Nähe wäre, als hier. Ihn wieder Gitarre spielen und dazu singen hören, das war es, was ich jetzt wollte.
Den ganzen Tag habe ich versucht, so zu sein wie immer. So zu denken, wie immer. Doch Rezo hat etwas in mir verändert, was sich nicht leugnen lässt. Ich will kein Teil einer coolen Clique sein, wenn es ihm schadet.
Als ich das Zimmer betrete, ist das Bett leer. Kein Rezo. Doch aus dem Bad höre ich ein Keuchen und sofort gehen meine Alarmglocken an.
Ich stoße die Badezimmertür auf.
Er sitzt auf den Fliesen, zitternd und doch schweißgebadet und ringt nach Luft. Jeder Muskel seines Körpers ist angespannt und sein Blick geht ins Leere.
›Schon wieder eine Panikattacke‹, wird mir klar.
»Hey Kumpel, alles ist gut, das ist nicht real«, sage ich mit der ruhigsten Stimme, die ich auf die Reihe bekomme. »Versuch ruhig zu atmen, langsam ein und langsam aus.«
Er nickt leicht und ahmt es mir nach. Einatmen. Ausatmen.
»Dir passiert auch nichts, es ist alles in Ordnung«, rede ich weiter beruhigend auf ihn ein. »Du schaffst das.«
Ich mache das einige Minuten mit ihm, bis er endlich ruhiger wird und nicht mehr wie Espenlaub zittert.
»Danke«, wispert er nach einer Weile tonlos. Ich habe mich inzwischen neben ihn auf den Boden gesetzt und einen Arm um ihn gelegt. Ich kann nicht leugnen, wie gut sich das anfühlt...
Er wirkt total erschöpft und ich frage mich insgeheim, wie lange er hier saß, gefangen in seiner Panikattacke, ohne jemanden, der ihm beistand. Während meine größte Sorge ein guter Fick war..
»Komm, lass uns rüber gehen. Im Bett ist es wärmer als hier auf den Fliesen«, sage ich und helfe Rezo auf die Beine. Er wirkt etwas wackelig, also stütze ich ihn ein wenig bis zum Bett.
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Another Love - Liebe auf Klassenfahrt (Juzo)
RomanceDas Klavier spielt im perfekten Einklang mit der Gitarre, genauso wie seine Stimme den perfekten Kontrast zu meiner singt. Mit ihm zu spielen und zu singen fühlt sich an wie eine fucking Droge. Rezo - der stille Mitschüler, von allen gemobbt. Julien...