Kapitel 4 - Voll

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Toll. Und nun? Liam war gegangen. Lieber wäre es ihm gewesen, Louis wäre direkt mit runter gekommen. Aber Louis wollte doch wirklich nicht. Unten waren... Viele andere... Und Louis mochte... Allein sein. Also nein. Eigentlich nicht. Aber die vielen Gerüche und Stimmungen und Geräusche der anderen verunsicherten ihn stark. Er konnte das alles nicht einschätzen. Er war ein Außenseiter. Selbst andere Omegas sahen auf ihn herab. Lieber war Louis so lang wie möglich bei den Menschen. Die rochen nur komisch, wenn sie sich eingesprüht hatten mit allem möglichen künstlichem Zeug. Liam sagte immer, dass Louis damit nicht klar kam, weil er sich eben nie damit auseinander setzte. Andere Wölfe brauchten die Nähe zueinander, mochten die Vertrautheit und nahmen die Gerüche und all sowas ganz anders wahr. Auf jeden Fall beruhigend. Nicht wie Louis, dem all das Angst machte.

Er hatte Liam damit abgewimmelt, dass er ja erstmal mit seinen neuen Räumen vertraut werden müsse. Eine Ausrede und Liam wusste das. Aber er hatte ihn schlussendlich trotzdem gewähren lassen.

Liam war eigentlich ziemlich lieb zu Louis. Das wusste er. Die anderen Betas würden ihn viel mehr an die Leine legen. Selbst in Menschenform. Liam ließ ihm so viele Freiheiten, wie es eben ging. Er wusste, dass Louis sehr unter der Trennung von seiner Familie litt, sich im Rudel nicht wohl fühlte und nur her kam, weil seine Omeganatur ihn dazu zwang.
Louis wusste, dass es Liam nur wütend machte, dass er seine wölfische Natur so konsequent ablehnte und sie dadurch ein Stück weit verkümmern ließ. Bei allen anderen waren Wolf und Mensch eine Einheit. Bei Louis nicht. Er war Mensch, selbst wenn er Wolf war. Kam sich im Grunde vor, wie ein sehr gut verkleideter Mensch. Aber was war mit dieser wölfischen Seite? Sie konnte nicht aufhören zu existieren. Verleugnet, versteckt und ihm Dunkeln fristete sie ihr Dasein in Louis' Körper. Das verstanden die anderen nicht. Sie könnten das ihrer wölfischen Natur niemals antun.

Louis setzte sich auf das Sofa und deckte sich mit seiner Decke zu. Er schnupperte daran. Sie roch nach Müll. Vermutlich war sie schon eine Weile im Container gewesen. Sie war noppig, wie das ältere Strickdecken eben waren. Aber sie war warm. Roch nur eben nicht mehr nach Louis' Familie. Nun war sie irgendwie so ganz weg.

Ihm entkam ein Fiepen. Er hasste es. Es zeigte ihm, dass er eben war, wie sie hier alle waren. Wenn es ihm in der Bäckerei passierte, erzählte er immer, er habe Schluckauf.

Toll und nun? Hockte er in dieser fürchterlichen Bude, in der noch fast nichts funktionierte. In diesem Haus. Er mochte es nicht. Viele wohnten hier. Und einige, die in einem anderen Haus wohnten schliefen trotzdem hier. Zumindest öfter. Weil Wölfe nicht gern allein waren. Außer Louis.
Vermutlich hatten sie deswegen entschieden, dass er in diesem Haus hausen sollte. Weil er so schlechter allen entgehen konnte. Wenn er runter duschen musste, würde er bestimmt wem über den Weg laufen. Könnte er in der Bäckerei duschen? Da gab es hinten eine kleine Dusche. Das könnte eine Möglichkeit für ihn sein.

Louis rollte sich unter seiner Decke zusammen. Liam war bis eben noch hier gewesen. Da müsste er doch eigentlich schlafen können...

-

Louis erwachte in der Nacht von einem sehr lauten Geräusch. Donner. Super klasse. Ihn selbst störte Gewitter nicht. Er versuchte sogar manchmal mit seinem Handy die Blitze zu fotografieren. Aber nur, wenn andere bei ihm waren. Denn ansonsten hatte ein Teil von ihm Angst. Auch jetzt. Mist. Langsam griff die Angst auf ihn über. Aus jedem Schatten wurde gefühlt etwas Böses. War da nicht gerade ein Geräusch gewesen? Was, wenn der Blitz einschlagen würde? Stand da jemand im dunklen Flur?

Louis hastete runter. Lief möglichst schnell, damit kein Schatten nach ihm greifen konnte. Seine Decke flatterte hinter ihm her wie ein Umhang. Hoffentlich sah ihn niemand. Er wollte zu Liam. Aber der war garantiert unten bei all den anderen. Verdammter Mist. Dann musste Louis da jetzt wohl hin. Darauf hatte er Mal so gar keine Lust.
Die ganze Treppe wieder runter. Und dann durch die große Tür. Dahinter lag ein breiter Flur mit der Großküche rechts, links die Duschen und Toiletten und geradeaus die Haupträume. Drei an der Zahl. Mittig gab es einen Raum mit überall Sofas, Matratzen auf dem Boden und so weiter. Große Liegeflächen. Würde er es einem Menschen beschreiben, würde er es mit einem Snoozleraum beschreiben.
Wie zu erwarten, war es dort bereits muckelig voll.

Louis schluckte schwer. Nur Liam. Er wollte zu Liam. Nicht zu anderen. Nur zu Liam.

"Awww. Da kommt ja das Mäuschen!", Hörte er schon Jenny, die ältere Betafrau rufen. Das ging noch. Aber dann: "Komm her.", Brummte sie und sofort liefen Louis' Füße in ihre Richtung.
Er konnte sich dem nicht widersetzen. Andere konnten das. Aber er irgendwie nicht. Liam meinte, es läge daran, dass er seine wölfische Natur soweit verdrängt hatte, dass sie eben, wenn sie dann durch einen Befehl eines ranghöheren Werwolfs geweckt wurde, überkompensieren wollte und deswegen immer hörte. Egal, wie es Louis damit ging. Aber wissen tat es keiner. Jedenfalls gehorchte Louis allen die gefühlt höher waren als er. Das Problem: Gefühlt waren das alle.

"Na komm her. Du bist so dünn. Iss das.", befahl Donner.
Und so saß er da. Zitterte und gehorchte. Aß irgendwas, was er nicht mochte. Mochte er es nicht, weil er es essen musste, oder weil es ihm nicht schmeckte? Er wusste es nicht.

Alles, nur nicht wieder Rotkohl. Aber es war kein Rotkohl. Es war beige und verkocht. Und, wie hier typisch, nahezu ungewürzt.

-

"Louis?", Fragte Liam überrascht, als er vom Klo zurück kam und den verängstigten Omega zwischen den äußerst dominanten älteren Frauen entdeckte. Der Kleine traute sich kaum aufzusehen.

"Komm her.", Meinte Liam und breitete die Arme aus. Louis sprang hinein und umklammerte ihn direkt mit Armen und Beinen.

"Wieso sagst du denn nichts?", Fragte Liam mitleidig.
"Ging nicht. Sie haben gesagt, ich soll ruhig sein. Mir ist schlecht..."

Liam ging mit Louis zu seinem Platz zurück. Ashton saß daneben und machte direkt etwas mehr Platz. Kein dummer Spruch. Und wieder verstand Louis nicht, was jetzt so anders war als vorhin.

Liam drapierte sich den kleinen Omega auf seinem Schoß und orderte ein warmes Körnerkissen, welches er Louis auf den stark geschwollenen Bauch legte. Das war viel zu viel gewesen. Liam drapierte Louis Decke über ihn, massierte ihm leicht den Bauch und beobachtete, wie der Kleine die Augen schloss.

Oh weh... Armer Louis. Was denkt ihr?
Bis dann.
Viele Grüße ^⁠_⁠^

Alphas Omega - LeseprobeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt