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Das regelmäßige Geräusch des Wetzsteins auf Cerys' Klinge hatte eine beruhigende Wirkung auf sie. So sehr sie sich auch bemühte, seit Wochen ging ihr dieser Lehrling nicht aus dem Kopf. Ausgerechnet Meisterin Auroras, der Frau, die Cerys wieder und wieder enttäuscht hatte. Meisterin Aurora war unantastbar, unter direktem Schutz der Herrin selbst, doch ihr Lehrling ... Cerys hatte die letzten Monate damit zugebracht, der Meisterin Schwäche mit Sticheleien, Schikanen und Schlägen gegen ihren Schützling zu vergelten.

Jetzt machte ihr eigener Körper Cerys einen Strich durch die Rechnung. Bei allen Göttern, wie hatte es dazu kommen können? Welches Spiel trieben sie mit ihr? Sie war Kommandantin der Garde! Einer Kommandantin des Drachenordens kamen keine Gefühle in den Weg, weder ihre eigenen noch jene der Götter Gegebenen.

Cerys rieb den Wetzstein energischer über die Klinge, bis sie mühelos durch fast jedes Material schneiden würde. Cerys legte den Stein zur Seite und betrachtete die Spiegelung der Klinge im fahlen Licht des Mondes, der durch eines der geöffneten Fenster schien. Sie krempelte einen der blutroten Ärmel bis zur Ellenbeuge hoch und führte die Klinge geübt über die vernarbte Haut des Unterarms. Blut quoll aus der Wunde hervor. Cerys betrachtete es und spürte in den Schmerz hinein, der für einen Moment alle anderen Gefühle auslöschte. Schuld, Hass, Wut, Hilflosigkeit, Verlangen, Sehnsucht ...

Sie wischte die Klinge mit einem Tuch ab und steckte sie zurück in die Scheide, die an der Tischkante lehnte. Mit dem hochgekrempelten Ärmel und dem frischen Blut, das ihren Unterarm hinab rann, ging sie hinüber zum Fenstersims. Draußen war es ruhig. Cerys wollte gerade das Fenster schließen, als sie einen ihr nur zu bekannten Haarschopf im Hof bemerkte, der dort zu dieser Stunde nichts zu suchen hatte.

Sie kniff die Augenbrauen zusammen, rollte den Ärmel hinab, griff nach der Scheide und verließ das Zimmer.

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