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Die Tage krochen endlos langsam dahin. Tagsüber wurde Cerys beinahe davon wahnsinnig, sich nur zwischen dem Krankenzimmer und Bad bewegen zu dürfen. Was sie durchhalten ließ, war die Gewissheit, dass Rhun am Abend nach ihrem Unterricht vorbeikommen würde. Meistens war sie erschöpft vom Training, dann lagen sie einfach auf dem Bett, Schulter an Schulter, und redeten miteinander. Cerys lauschte Rhuns Erzählungen vom Training, den Reibereien mit den anderen Lehrlingen und, was sie besonders amüsierte, mit den Lehrern und Meistern. Rhun schaffte es, etwas in ihr zum Klingen zu bringen, das sie längst verloren geglaubt hatte.

Am Ende der Woche wurde Cerys endlich entlassen.

»Ich erwarte Euch jeden Morgen im Empfangsbereich, Kommandantin. Wenn Eure Schulter weiterhin gut verheilt, können wir den Verband in einigen Wochen entfernen.« Der Medikus blickte Cerys streng an, wohl, um seine Aussage zu unterstreichen.

Cerys würde alles tun, wenn es bedeutete, nicht weiter in dem Krankenbett liegen zu müssen.

»Eine Kommandantin ohne brauchbare Schulter ist keine Kommandantin.«

Cerys schluckte eine zynische Bemerkung hinunter.

»Ich habe mit Eurem Vorgesetzten gesprochen.  Ihr dürft Euren Dienst wieder antreten, jedoch unter zwei Bedingungen: keine Missionen und kein eigenes Training.«

Widerwillig fügte sich Cerys. Endlich durfte sie wieder nach Hause, dafür würde sie auch die Einschränkung akzeptieren, vorerst nur Papierkram und Aufsichtstätigkeiten ausüben zu dürfen. Zuhause bestand ihre erste Handlung darin, den Diener zu bestellen und für ein besonders üppiges Abendessen zu sorgen. Besonders üppig, da sie hoffte, Rhun auch heute Abend zu sehen.

Sie seufzte. Noch vor ein paar Wochen hätte sie sich nicht einmal in ihren kühnsten Träumen ausmalen wollen, mit einem anderen Menschen bei sich zu Abend zu essen. Und dann ausgerechnet Rhun. Cerys' Herz machte einen flatternden Satz. Der Hauch eines Lächelns umspielte ihre Lippen.

Sie wollte ein Bad nehmen, kämpfte eine Weile mit ihrer Robe, fluchte über ihre Hilflosigkeit und beließ es schließlich dabei. Sie würde sich auf keinen Fall die Blöße geben, sich von ihrem Knappen bis auf die Haut ausziehen zu lassen. Es gab Dinge, die niemand sehen sollte. Stattdessen nahm Cerys ein paar Dokumente vom Schreibtisch und las darin, bis die Sonne unterging. Wenigstens etwas, das sie noch ohne Weiteres erledigen konnte.

Cerys stand am Fenster, sah in den Hof des Nachbarn, in dem sie Rhun vor Wochen erblickt hatte, als ihr Diener endlich eine Besucherin ankündigte. Ihr Herz schlug schneller und Cerys fuhr sich durch das schwarze Haar. Hoffentlich gefiel Rhun ihr Zuhause. Sicherlich war es nicht so prachtvoll wie jenes von Meisterin Aurora. Cerys genügte es.

Sie ging zur Tür und erblickte Rhuns rotes Haar schon von Weitem. Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht und blieb dort hängen, während sie sich der jungen Frau näherte.

Rhun entdeckte sie, verbeugte sich und kam auf sie zu. »Kommandantin Cerys!«

»Schön, dass du hergekommen bist«, sagte Cerys leise und strich über Rhuns Wange, deren Wunde inzwischen komplett verheilt war.

»Es ist mir eine Ehre.«

Im Speisezimmer flackerten bereits die Kerzen und der Diener servierte das Essen. Cerys blickte unsicher zu Rhun, doch die hatte sich bereits gesetzt und schaute erwartungsvoll auf die Teller.

Cerys lachte leise. »Bedien' dich.«

Binnen Sekunden hatte sich Rhun einen Haufen der Delikatessen auf ihren  Teller geschaufelt. Keine Sekunde dauerte es, bis sie den ersten Bissen herunterschluckte.

Cerys ging es gesitteter an, empfand Rhuns Ungeniertheit aber als erfrischend in ihrem sonst so geregelten Alltag. Rhun hatte etwas an sich, ein Wirbelwind, der Regeln sprengen konnte. Nicht immer zum Vorteil ihrer Meisterin. Wohlige Wärme stieg in Cerys auf, umfing ihr Herz und ließ es tanzen. Sie griff nach dem Kelch mit Honigwein und trank einen Schluck daraus. Fast so süß wie Rhuns Lippen. Die wohlige Wärme verwandelte sich augenblicklich in Hitze. Cerys schwenkte den Wein im Kelch und betrachtete Rhun, die noch immer damit beschäftigt war, so viel wie möglich in so kurzer Zeit wie möglich zu verspeisen.

Womit hatte sie es verdient, dass die junge Frau jetzt hier mit ihr saß? Cerys hatte sie geschlagen und schikaniert, ihr das Leben zur Hölle gemacht. Und doch ... Und doch war Rhun heute bei ihr.

Rhun blickte von ihrem Teller auf. Ihre Blicke fanden sich und es war Cerys, als könnte Rhun direkt in ihre Seele blicken. Die junge Frau wischte sich den Mund mit dem Tuch ab und probierte von dem Wein.

Cerys ertrug es nicht länger, stand auf, ging um den Tisch herum und legte ihre Hand auf Rhuns.

Rhun sah zu ihr auf, stellte den Kelch auf den Tisch und erhob sich.

Sie standen so dicht beieinander, dass Cerys meinte, ihr Körper müsse in jedem Moment in Flammen aufgehen. Das Flackern der Kerzen warf Schatten auf Rhuns Gesicht, ließ sie in einem Augenblick jünger, im anderen älter aussehen.

»Schön, dass du hergekommen bist«, wiederholte Cerys und schloss den Abstand zwischen ihnen. Süß schmeckten Rhuns Lippen, ebenso süß, wie Cerys sie in Erinnerung hatte. Sie streichelte Rhuns Hals, fuhr mit den Fingerspitzen über ihr Schlüsselbein.

Ein Schauder lief durch Rhuns Körper, der Cerys nur noch mehr entfachte. Sie strich mit ihrer Zunge über Rhuns Oberlippe und küsste sie erneut.

Aus dem Augenwinkel nahm Cerys den Diener wahr, der offenbar dezent versuchte, die Speisen vom Tisch zu räumen. Sie zog Rhun aus dem Speisezimmer hinüber in ihre Gemächer.

Rhun blickte sich um, strich über den weichen Stoff des Bettes, ließ den Blick aus dem Fenster gleiten. »Es ist schön.«

»Danke.« Cerys lächelte und setzte sich auf die Bettkante.

Rhun entdeckte den Haufen Kleidung, den die Diener zwar bereitgelegt, aber Cerys nicht angezogen hatte. »Wie geht es mit Eurer Schulter, Kommandantin?«

Cerys schüttelte den Kopf. »Schlechter als es mir lieb ist, Rhun.«

»Soll ich Euch helfen?«

Cerys glühte innerlich bei dem Vorschlag, zögerte. Schließlich nickte sie. Noch bevor Rhuns Finger sie berührten, überzog Cerys eine Gänsehaut.

Rhun half ihr, den gesunden Arm aus der Robe zu befreien. Vorsichtig lockerte Rhun die Schlinge, bis sie auch den zweiten Ärmel abstreifen konnten.

Cerys wagte kaum, zu atmen. Nur in ihrer Tunika bekleidet stand sie vor Rhun, die sich bereits daran machte, sie auch dieser zu entledigen. »Rhun ... Es ... Vielleicht wird dir nicht gefallen, was du siehst.«

Rhun hielt inne. »Macht Euch darüber keine Sorgen.« Vorsichtig stülpte sie die Tunika über Cerys' Kopf.

Jeder Punkt auf Cerys' Körper brannte, als sie unbekleidet vor Rhun stand.

Deren Augen wanderten über ihren Körper, blieben an den Narben und Tattoos hängen. »Ihr seid wunderschön, Kommandantin.« Sie berührte die Narben eine nach der anderen und hinterließ dabei ein kribbelndes Meer auf Cerys' Haut.

»Rhun ...«

Als hätte sie Cerys verstanden, stoppte Rhun und lief zu der bereitgelegten Kleidung hinüber.

»Danke.«

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