Meine Anspannung verstärkte sich. Was war das hier, woher kannte er mich? Ich verstand das Ganze nicht, war ich in eine Falle getappt? Hoffentlich nicht... "Ihr beide kennt euch also schon. Sehr gut. Also Ann, wir haben etwas zu besprechen." Der Fremde setzte sich an den Tisch, winkte der Bedienung zu und bestellte sich einen Kaffee. Bitte mit zwei Zuckerwürfeln. Und einem Schuss Milch. Schon bei dem Gedanken an eine solche Mischung reagierte mein Magen. Ich schluckte, räusperte mich und sah Jonas und den Fremden an. "Darf ich fragen, woher Sie mich kennen?" Überraschenderweise war meine Stimme fest und klar. Mein Herz hingegen pochte heftig. Der Mann lächelte Jonas zu. "Ich bin Fontain. Hat Jonas dir von mir bereits erzählt?" Ich schüttelte den Kopf. Fontain. Klang seltsam. Zumal er jegliche Anrede weg ließ. Komisch. Der Mann war mir suspekt. Fontain warf Jonas einen Blick zu und dieser sah in seine Tasse. "Ich bin noch nicht dazu gekommen...", murmelte er. Fontain wandte sich wieder an mich. "Ich bin Eiskunstlauftrainer im Trainigszentrum hier in der Nähe. Hast du ihr wenigstens davon erzählt?" Jonas nickte bloß. Fontain seufzte. "Nun, um es kurz zu machen, ich muss noch weiter heute: ich habe dich gesehen, um nicht zu sagen beobachtet, wie du läufst. Du hast mich beeindruckt, dafür dass du nie Unterricht hattest, läufst du gut. Da könnte etwas draus werden. Ich biete dir im Rahmen unseres Talentförderprogramms ein Probetraining an. Hier hast du Trainingszeiten und sowas. Jonas Mutter kann dich mitnehmen, er trainiert zur selben Zeit, allerdings einzeln. So ich muss los. Bis nächsten Mittwoch!" Damit stand er wieder auf, lüftete kurz seinen Hut und verschwand nach draußen. Seinen Kaffee ließ er unberührt stehen. Jonas griff nach der Tasse, probierte und verzog angewidert das Gesicht. Verwirrt starrte ich auf den Zettel in meiner Hand, den Fontain mir gegeben hatte. "Ann? Hallo? Alles klar?" Jonas stupste meine Hand an und ich sah auf. "Jaja... äh... alles klar", stammelte ich. Plötzlich kam mir ein Gedanke. "Das war doch alles geplant. Du solltest mich umfahren. Am Ende bezahlt er dich noch dafür. Von wegen, du möchtest mich gerne einladen. Das ist doch alles ein abgekartetes Spiel!", sprudelte es aus mir heraus. Ich war mir nicht sicher warum, aber ich wurde bei dem Gedanken daran, dass er mich gar nicht hatte einladen wollen, sauer. Eigentlich war es mehr die Wut auf mich selbst, dass ich so leichtsinnig war. Natürlich war nichts passiert, aber was, wenn es nicht dieser Fontain gewesen wäre, sondern irgendein Verbrecher? Jonas starrte mich an. "Hey, beruhige dich doch! Ja okay, ich sollte dich ansprechen oder sowas. Dass ich dich dabei aufs Eis werfe war nicht geplant und er bezahlt mich auch nicht. Er hat mich lediglich gebeten..." "Dich lediglich gebeten mich ins Café abzuschleppen?", unterbrach ich ihn. Überrascht sah er mich an. "Nein. Ich sollte mit dir ins Gespräch kommen und er wollte dann dazu stoßen. Ich glaube, ich bekomme sogar noch Ärger, weil er uns erst nicht gefunden hat und jetzt vermutlich zu spät zu seinem Termin kommt. Also komm mal wieder runter, Ann!" Ich atmete tief durch. Sollte ich ihm glauben? Ich entschied mich dafür und lächelte etwas verlegen. "Sorry. Bin nur etwas... durcheinander. " Er lachte. "Alles gut. Wir sollten langsam los, es ist ja fast dunkel." Er winkte der Kellnerin, bezahlte und nebeneinander verließen wir das Café. "Du musst mich nicht extra nach Hause bringen, ich kann ruhig laufen!", sagte ich, als er auf ein Motorrad zu steuerte und es aufschloss. "Ach quatsch, jetzt habe ich dich schon aufgehalten und dich so verwirrt, da werde ich dich auch nach Hause bringen!", antwortete er mir und gab mir einen Helm. Eigentlich war es mir unangenehm, dass er wissen würde, wo ich wohnte. Dennoch nannte ich ihm, nach einem Blick auf die Uhr und dem Schrecken, dass ich vor einer halben Stunde hätte zuhause sein müssen, meine Adresse und nahm hinter ihm auf seiner Maschine Platz. Der Helm gab mir das beklemmende Gefühl, nichts zu sehen, keine Luft zu bekommen und ob er bei einem Unfall wirklich schützen würde, daran wagte ich stark zu zweifeln. Doch wider Erwarten fuhr Jonas gut, langsam und vorsichtig, denn die Straße war plötzlich glatt. Ein feiner, kalter Nieselregen hatte eingesetzt, sprühte wie Nebel um die gelben Straßenlaternen. Auf der Straße in den Ort war es dunkel und verlassen. Einzig das Licht des Motorrads erhellte einen kleinen Ausschnitt der Umgebung. Viel sah man trotzdem nicht. Ich fröstelte und war froh, als wir endlich in unsere Straße einbogen. Er setzte mich vor der Haustür ab. "Überleg dir das Angebot. Das macht er nur, wenn jemand wirklich gut ist. Und das bist du!", sagte er, als ich mich verabschiedete. "Ich überleg es mir, ok? Und vielen Dank fürs Heimbringen und den Kakao und so...", antwortete ich. Er nickte und lächelte. "Gerne!" Als ich mich umdrehte und auf die Haustür zusteuerte, hielt er mich auf einmal am Arm fest. "Ann...", begann er, hielt inne, sah weg und schien plötzlich tief in Gedanken irgendwo anders zu sein. "Was ist?", fragte ich. "Äh. Ach nichts. Schlaf gut!", sagte er, fing sich wieder und winkte noch einmal. Er fuhr an und wendete, dann verlor sich das Knattern seiner Maschine rasch in der Dunkelheit der Nacht.

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Eiskaltes Herz
Diversos"Dieser Idiot. Dieser verdammt süße Idiot." - Der vorliegende Roman ist ein fiktionales Werk. Alle Figuren, Orte und Ereignisse sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen und realen Ereignissen/Orten sind zufällig und...