Gedankenverloren schlenderten die drei durch die malerischen Gassen des kleinen Dorfs.
Nichts ließ vermuten das diese hübsche, kleine Gemeinde Schauplatz dreier grausamer Morde geworden war und noch immer fürchtete weitere Opfer betrauern zu müssen.
Rosen und Lavendel streckten ihre ersten, zarten Knospen der kühlen Frühlingsonne entgegen, rannten an den Mauern der niedrigen, einstöckigen Häusern empor.
Irgendwo bellte ein Hund, auf dem Kopfsteinpflaster der kleinen Gasse räkelte sich eine Katze, beobachtete die Neuankömmlinge mit neugierigen Blick und suchte doch das Weite, als die drei sich näherten.Sie waren bei weitem nicht die einzigen, die sich in den Straßen und auf den Plätzen des kleinen Dorf aufhielten - Nachbarn hielten einen kleinen Plausch, Kinder spielten in den Gärten und auf den Wegen, ein altes Mütterchen trug einen Korb mit Gemüse ins Haus.
Fast schien es, als wäre alles so wie es sein sollte, aber eben nur fast."Der Pater hat mein Mitgefühl." Stellte Lorcan fest, während er einigen freilaufenden Hühnern auswich. "Einerseits ist er gezwungen von Nächstenliebe und Fürsorge predigen, während andererseits Menschen auf offener Straße gekreuzigt werden. Es sind wahrlich raue Zeiten..."
"Glaub ihr, der Mörder ist tatsächlich Teil der Gemeinde? Oder nutzt er das Bild der Kreuzigung vielleicht nur, um den Eindruck zu erwecken, dem wäre so?" hakte Nyx nach.
Der Vampir zuckte mit den Schultern. "Hm." Brummte er. "Beides wäre durchaus denkbar. Oder aber, derjenige beruft sich tatsächlich auf die biblische Kreuzigung und will die Opfer für mögliche Taten bestrafen. Sieh mich nicht so an, Kaius. Natürlich ist die Kreuzigung nicht etwa nur eine Hinrichtungsart wie sie sich in der Bibel findet, mir ist durchaus bewusst das diese auch einen historischen Hintergrund hat, denken wir nur an die Hinrichtungsprozedur im römischen Reich – was mich jedoch stutzig werden lässt, sind zwei Dinge: zum einen, dass keines der Opfer etwa ans Kreuz gefesselt wurde, sie alle wurden tatsächlich ans Kreuz genagelt – zum anderen, deutet unser Pater in seinen Aufzeichnungen an, dass die Opfer allesamt eine Wunde in der Seite aufweisen und das wiederum war nicht etwa Teil von historisch belegten Kreuzigungen, sondern von einer ganz bestimmten, nämlich bei der von dem Sohn Gottes selbst, der am Kreuz gestorben ist. "
Kaius legte die Stirn in Falten, verschränkte die Arme hinter dem Rücken. Was Lorcan da sagte schien durchaus schlüssig und sprach doch recht eindeutig dafür, dass der Mordende in irgendeiner Weise im Bezug zur Kirche stand – jedoch warf Lorcans Ausführung mehr fragen auf als sie zu beantworten schien.
"Nutzt er also das Bildnis der Kreuzigung Jesu, um auf sich aufmerksam zu machen, oder um von sich abzulenken? Er wird diese Art Hinrichtung kaum willkürlich ausgewählt haben, dafür sind die Morde zu perfekt, zu rituell ausgeführt. Wäre er ein Gläubiger, wäre es einen Gedanken wert sich zu fragen, ob – und wenn ja, wofür – er seine Opfer strafen will, wenn er jedoch nur den Blick auf die Kirche wenden will, muss es auch dafür einen Grund, eine Motivation geben." gab Nyx zu bedenken.
Inzwischen waren sie an der kleinen Koppel angekommen, an dessen Zaun sie die Pferde angebunden hatten.
"Kaius, ich würde dich bitten mit den Angehörigen der Opfer zu sprechen. Erkundige dich, ob es in den vergangenen Jahren Unruhen in der Dorfgemeinschaft gab, in die ihre Familien involviert waren, egal ob religiöser Natur oder nicht. Ich möchte wissen, ob die Opfer bekannte Feinde hatten, in Streiterin verwickelt waren oder in irgendwelchen Kriegen gekämpft haben. Achte auf jedes Detail, selbst wenn es dir noch so unwichtig erscheint. Wir suchen nach möglichen Gemeinsamkeiten der Opfer, die womöglich erklären warum ausgerechnet diese Menschen sterben mussten." Sprach Lorcan an seinen Begleiter gewandt.
Kaius nickte seinem Gefährten zu, nahm das Notizbuch des Paters entgegen, welches Lorcan ihm reichte. "Gibt es sonst irgendetwas, worauf ich achten soll?" hakte er nach, löste den Knoten in den Zügeln seines Pferdes und schwang sich in den Sattel. Lorcan sah ihn nachdenklich an, dann nickte er langsam mit dem Kopf.

DU LIEST GERADE
Schattengruß
Mystery / ThrillerFrankreich, 1763. Eine Reihe grausamer Morde erschüttert die kleine Gemeinde Balazuc im Süden des Landes. Lautlos, unsichtbar und unbemerkt bewegt sich der Mörder unter den Bewohnern, seine Opfer - Kinder, Frauen und Männer, grausam entstellt, in de...