Herbst 2014

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╰┈➤ POV: Marcel

Nachdenklich schnippste ich immer wieder vorsichtig gegen das Wasserglas auf dem Tisch, Lukasz kritischen Blick bemerkend. „Hör auf mich so anzusehen." Seufzend lehnte er sich auf der Bank gegenüber zurück. Wir hatten tatsächlich eine versteckte Kneipe in Dortmund gefunden, in der man nicht sofort erkannt wird. In der wir uns ungestört in eine Ecke setzen konnte, ohne dass geheime Fotos von uns geschossen werden oder Fans nach Autogrammen fragen konnten. „Dann hör auf so einen Trübsal zu blasen. Ich weiß nicht mal was los ist und du bist nicht erst seit gestern so." Ich zog meine Beine auf die Bank. „Ich weiß es doch auch nicht... Irgendwie nervt mich alles."

Nach unserem Kuss vor zwei Jahren ist nichts weiter zwischen uns passiert. Wir hatten nach jener Nacht nicht noch einmal darüber gesprochen. Und so wie es den Anschein hatte, haben die anderen Anwesenden wohl auch nichts mitbekommen. Es war als hätte der Tag nie existiert. Es war nicht so als würde es mich nicht stören. Andererseits waren wir mittlerweile beide verheiratet. Auch wenn wir nicht darüber sprachen, innerlich wussten wir beide, dass dies der sicherere Weg war. Der einfachere. Es würde zu viele Probleme mit sich bringen. Meine Gefühle für den Polen würden nie verschwinden, das wusste ich, aber was sollte ich ändern? Ich glaube ich würde eher meine Fußballkarriere hinschmeißen, als ein Leben ohne ihn weiterzuleben. Und ich liebte Jenny schließlich auch. Sie war ein passendes Gegenstück. Auch wenn Lu passender war.
„Das sagst du ständig. Du weißt was los ist, du hast nur Angst es auszusprechen." Vielleicht war es so. Aber war meine Angst begründet? Seufzend setzte ich mich wieder richtig hin und starrte Lukasz an. „Meine Gründe sind lächerlich." - „Deine Probleme sind nicht lächerlich." Er schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln. „Es ist nur so..." Ich presste meine Handballen auf die Augen und atmete kurz durch. „Irgendwie verändert sich alles so und irgendwie hab ich das Gefühl stehen zu bleiben." Lukasz sah mich fragend an. „Meinst du im Bezug auf den Verein? Möchtest du wechseln?" Etwas unsicheres schwang mit. „Nein, gott nein. Ich bleibe bei Dortmund." Ich vernahm ein leises erleichtertes Ausatmen. „Deutschland ist vor wenigen Wochen Weltmeister geworden. Zum vierten Mal. Etwas was andere Nationen nicht einmal geschafft haben. Und ich konnte nicht mithelfen. Du weißt, dass ich mich nie wirklich wohl gefühlt habe bei dem Team. Trotzdem fühle ich mich so... nutzlos. Als würde man mich nicht brauchen. Gefühlt alle von euch waren mit ihren Teams in Brasilien. Konnten für ihr Land spielen, es repräsentieren und ich bin stehen geblieben. Genau dasselbe im Verein. Mario galt als Youngster des Jahrzehnts letztes Jahr und führt jetzt seine Karriere bei Bayern fort. Die, die den Champions League Titel letztes Jahr gegen uns geholt haben. Die sich die Meisterschaft holen werden. Genauso wie Lewy. Versteh mich nicht falsch, ich möchte nicht wechseln. Aber ich habe einfach das Gefühl, dass sich die Welt um mich herum weiterdreht und ich stehen bleibe." Ich hob meinen gesenkten Kopf, um Lukasz anzusehen. Kurz legte er seine Hand auf meine ineinander verschränkten Hände und drückte sie.
„Du hast vielleicht keinen Titel mit Deutschland geholt, aber du gehst im Gegensatz zu anderen Spielern als Vereinslegende ein. Du bist nicht der einzige der stehen bleibt Marcel. Ich habe genauso viel erreicht wie du und ich bin stolz darauf. Für kein Angebot der Welt würde ich das eintauschen. Dortmund ist meine Heimat, egal was passiert. Ich habe hier meine Leute gefunden. Die Leute die ich liebe. Die ich nicht mehr aus meinem Leben lassen möchte. Ich werde mit Polen auch keinen WM-Titel mehr gewinnen. Aber was zählt ist doch der Fußball an sich... Die Momente, die man erleben konnte." Aufmunternd lächelte er mich an. „Wenn du stehen bleibst, dann bleibe ich mit dir zusammen stehen. Was sagte Mats mal? Wir sind wie Bonnie und Clyde und ich glaube daran ändert sich auch so schnell nichts." Schmunzelnd sah ich ihn an. Seine Hände lagen offen auf dem Tisch. Am rechten Ringfinger befand sich sein goldener Ehering, den er nur wenige Monate länger trug, als ich meinen.

Mystery of Love {Lukasz Piszczek x Marcel Schmelzer}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt