Winter 2022 (Epilog)

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╰┈➤ POV: Lukasz

„Lukasz?" Ich versuchte meine Augen aufzubekommen, aber ich schaffte es nicht. Ich war zu müde, zu erschöpft. „Lukasz" Ich konnte die Stimme noch nicht zuordnen. Meine Ohren rauschten, meine Körper fühlte sich an wie Blei. Sanft fuhren Finger über mein Gesicht, um mir verirrte Haarsträhnen wegzustreichen. Es war ein angenehmes Gefühl, auch wenn ich es nur zaghaft wahrnahm. „Ich bin da." Die Hand senkte sich und nahm meine Hand vorsichtig in seine. „Es wird alles gut." Die Stimme war nun mehr ein Flüstern in meinem Ohr, doch ich erkannte sie. Ich spürte wie sich leicht eine Gänsehaut auf meinem Körper ausbreitete. Was machte er hier? Ein Lippenpaar legte sich auf meine Stirn, ehe ich erneut müde in einen tiefen Schlaf fiel.
Ich weiß nicht wie viel Zeit vergangen ist, bis zum nächsten Aufwachen, aber ich hatte genug Kraft um meine Augen öffnen zu können. Draußen war es dunkel. Einzig die Lichter von Dortmunds Weihnachtsmarkt erhellten die Stadt. Ich war zu schwach, um mich aufrecht hinzusetzen. Mit bedrückten Augen schaute ich auf das Gewicht, welches sich über der Bettdecke auf Bauch und Hüfte abgelegt hat. Schlummernd hatte Marcel seine Arme über Kreuz abgelegt und seinen Kopf darin versteckt. Seine Haare hatten sich verändert. Sie waren kürzer, aber es stand ihm. Sein Mund stand noch genauso offen wie sonst beim schlafen, während sich seine Nase beim einatmen kaum bemerkbar kräuselte. Mit aller Kraft hob ich meinen rechten Arm, um ihm durch die weichen Haare zu gleiten. Ich weiß nicht, was mich dazu verleitete. Vielleicht die Ungewissheit, was passiert, wenn wir beide zur gleichen Zeit wach sind. Ob es das letzte Mal ist, dass ich das tue. Ich wusste nicht, wie Marcels Leben momentan aussah. Durch die Medien und vereinzelte Nachrichten von den anderen hatte ich am Rande mitbekommen, dass er sich von Jenny hat scheiden lassen. Vielleicht hatte er eine neue Frau kennengelernt? Jemanden den er wirklich liebt? Ich entnahm ein leichtes Brummen von Marcel. Erneut ließ ich meine Finger durch seine Haare gleiten, stoppte an seinem Nacken, wissend, dass er dort empfindlich war. Marcel knurrte, ehe er tief einatmete, bevor er bemüht seine Augen öffnete und mich anschaute. Das Zimmer war nur schwach belichtet von den einzelnen Geräten um mich herum, doch seine blauen Augen stachen trotzdem hervor. Im Vergleich zu früher sind sie ein wenig dunkler geworden, dennoch zogen sie mich noch genau wie damals in seinen Bann. „Hey" Marcels Stimme war kratzig. Ich schenkte ihm ein leichtes lächeln. „Was ist passiert?" Der Blonde sah mich bedrückt an. „Du hattest einen Autounfall. Du wolltest wohl über die Straße gehen, dich hat jemand übersehen und dann bist du hier gelandet. Wie geht es dir? Hast du Schmerzen?" Leicht schüttelte ich den Kopf. „Was machst du hier, Lukasz?" Ich hatte keine Antwort auf seine Frage. „Warum bist du in Dortmund? Ich dachte du wärst in Polen, wir dachten du wärst in Polen." Ich wusste, dass Marcel mir keine Vorwürfe machte. Es war nicht seine Art Menschen dafür zu verurteilen. Dennoch fühlte ich mich schlecht. „Du hast dich seit deinem Abschied aus Dortmund nicht mehr bei uns gemeldet. Was bitte ist los mit dir?" Abwartend sah er mich an. Aber ich wollte nicht antworten. Ich wollte ihm nicht sagen, dass ich zu feige war ihm unter die Augen zu treten. Dass ich nach all den Jahren, immer noch Gefühle für ihn hatte und auch mein Aufenthalt in meiner alten Heimat, mich nicht von meinen Gefühlen für ihn wegbringen konnte. „Lukasz, sprich mit mir bitte." Seine Stimme klang brüchig. „Ich habe mir Sorgen gemacht. Ich weiß du brauchtest deinen Freiraum, aber du meldest dich ein Jahr kaum und dann bekomme ich plötzlich einen Anruf, dass du im Krankenhaus liegst und ich der einzige gespeicherte Notfallkontakt bin. Was ist los bei dir?" - „Ich konnte mich nicht melden. Es ging nicht. Ich..." Seine Augen schimmerten. „Warum muss immer etwas zwischen uns stehen? Warum können wir nicht endlich so leben wie wir wollen?" Marcel schluchzte tränenlos auf. „Ich weiß es nicht." Es war ein Flüstern meinerseits, aber ich wusste, dass er es trotzdem gehört hat.

***

Nur wenige Wochen später hatte ich bereits die Entlassungspapiere in der Hand. Meine Verletzungen waren weitesgehend verheilt, nur mein Bein war noch angeschlagen, weswegen ich mich weiterhin auf Krücken fortbewegen musste. Marcel und ich hatten seit dem Abend nicht mehr weiter über die Probleme zwischen uns geredet. Dennoch kam er jeden Tag vorbei, um zu schauen wie es mir geht. In der Zwischenzeit haben auch die anderen rund um Kuba, Nuri und Co. erfahren, dass ich im Krankenhaus liege und haben mich regelmäßig besucht. Es kamen keine Vorwürfe, es wirkte eher wie Erleichterung, dass ich wieder da bin. Als wäre die Gruppe wieder vollständig, auch wenn wir alle in unterschiedlichen Städten und Ländern lebten.
Ich stemmte mich zum letzten Mal von meinem Krankenbett hoch, legte mir meine Tasche um die Schulter und ging zum Ausgang, wo Marcel mir bereits entgegen kam. „Du solltest doch auf mich warten und nicht das ganze Zeug alleine schleppen." Ich erntete einen vorwurfsvollen Blick, ehe mein Gegenüber mir die Tasche behutsam abnahm. „Ich bin nicht aus Watte, Marcel." - „Das ist mir egal, Vladi. Ich habe keine Lust noch mehr Wochen hier jeden Abend hinzufahren." Auf meine Lippen legte sich ein Lächeln, bei Nennung des Spitznamens. Langsam machten wir uns auf den Weg Richtung Ausgang. Die kalte Luft überströmte mich. Es war angenehm, endlich wieder raus zu können. Ich blieb kurz stehen, ehe ich seinen Blick von der Seite spürte, sein warmes Lächeln. Ich erwiderte es kurz, bevor wir weiter zu seinem Auto gingen.
„Hast du Lust auf Pizza? Ich weiß, dass Fisch mittlerweile auch welche anbietet." Lachend nickte ich. „Ich weiß zwar noch nicht was ich davon halten soll, aber Pizza klingt immer gut."

Nur drei Stunden später befanden wir uns wieder mit vollen Mägen im Auto. „Ich hätte nicht gedacht, dass seine Pizza so gut ist. Ehrlich nicht." Grinsend stimmte Marcel mir zu. Es war mittlerweile kurz vor Mitternacht und ich war definitiv noch zu Energiegeladen aufgrund der letzten Wochen, als jetzt schon nach Hause zu gehen. Vor allem weil ich nicht weiß, ob Marcel bei mir bleiben würde, oder ich am Ende alleine dort sitzen würde. Es war ruhig im Auto. Wir standen noch immer in der Parklücke, als würde keiner von uns richtig Heim wollen. „Möchtest du schon nach Hause? Ich weiß nicht.. bist du müde?" Ein nervöses Augenpaar sah mich an. „Nein, mir geht es gut. Ich möchte noch nicht nach Hause." Marcel nahm das als Anlass das Auto aus der Parklücke zu drehen, ehe er losfuhr. „Wo willst du hin?" Ich bekam erst wenige Sekunden später eine Antwort. „Vertrau mir."
Wenig später kamen wir an einer Stelle an, die mir sowohl bekannt, als auch unbekannt vor kam. Ich stieg aus dem Auto aus und ging vorsichtig ein paar Schritte vorwärts. „Erinnerst du dich?" Ich brauchte mich nicht umzudrehen, um zu bemerken, dass er mich gerade aufs genauste beobachtete. „Wie könnte ich das vergessen?" Der blonde kam zu mir und stellte sich neben mich. „Ich glaube damals haben die Sterne genauso hell geleuchtet, wie heute Nacht. Der einzige Unterschied ist, dass es da vielleicht ein bisschen wärmer war." Schmunzelnd erinnerte ich mich an unseren ersten Kuss zurück. Ein wenig taumelnd auf dem nassen Gras begab ich mich weitere Schritte nach vorne, wissend, dass Marcel mich hielt, wenn ich falle. Ich verlegte mein Gewicht etwas auf das andere Bein, als ich meine Krücken ins Gras fallen ließ. „Was hast du vor?" - „Ich wollte mich eigentlich hinsetzen, aber ich schätze soweit bin ich dann doch noch nicht." Marcel lachte. Es war sein echtes Lachen. Das Lachen, welches er auch damals auf dieser Wiese hatte, als wir betrunken auf dieser Wiese lagen, die ersten Sonnenstrahlen uns kitzelten und wir nicht anders konnten, als unsere Lippen zu vereinen. „Was ist?" Marcel hörte langsam auf zu lachen. Aber ich wollte nicht, dass es endet. Ich wollte nicht, dass er aufhört glücklich zu sein. Es gab genau eine Sache die schöner für mich war, als Marcels Lachen. Und das waren seine Lippen auf meinen. Kurzerhand beugte ich mich vor legte meine Hände, damit ich mich halten konnte um seinen Nacken, ehe ich sein Gesicht an mich ran zog und meine Lippen auf seine presste. Wie auf Knopfdruck erwiderte Marcel den Kuss und hielt meine Hüften fest, damit ich mein Gewicht weiter auf ihn verlagern konnte. Ich konnte nicht mehr fallen. Sanft löste er sich wenige Zeit später von mir und drückte Atemlos seine Stirn gegen meine. „Gott ich liebe dich, Lu." Nun war ich derjenige, der anfing zu lachen. „Ich habe all diese verdammten Jahre auf diesen Moment gewartet. Wir haben so viel Zeit vergeudet. Wir-" Meine Lippen unterbrachen ihn mit einem kurzen Kuss. „Ist doch egal. Vielleicht haben wir unsere Zeit gebraucht. Mir ist nur wichtig, dass es ab jetzt für immer gilt." Sein Blick klebte an meinem. „Wenn du denkst, ich lasse dich jetzt nochmal gehen, dann hast du dich verdammt geirrt." Schmunzelnd drückte ich meine Lippen auf seine Schläfe, während er seine Arme weiter um meine Hüfte schloss, um mich noch mehr festhalten zu können. „Ich lass dich nicht wieder los. Nie wieder. Das hier kann uns keiner mehr nehmen."

*****

Authors Note:
Sooo und damit endet dieses Buch. Ich hoffe euch hat diese kleine Kurzgeschichte gefallen. Die beiden haben einfach einen zu großen Platz in meinem Herzen. 🫶🏻
Die nächsten Tage kommt wahrscheinlich auch wieder ein neuer Oneshot auf meinem Hauptbuch.
Ich wünsche euch allen schonmal einen guten Rutsch in das Jahr 2023. Mal gucken was uns da alles so begegnen wird. 😇

Mystery of Love {Lukasz Piszczek x Marcel Schmelzer}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt