Kapitel 20

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„Mögt ihr beiden Pizza?", wollte Collin von mir und Amelie wissen. Das Mädchen nickte freudig und auch ich stimmte zu. Wer mochte denn schon keine Pizza?

Wir hatten uns alle in der hellen, modernen Küche auf den vier ledernen Barhockern versammelt, die um eine grau-braune Kücheninsel platziert waren. Collin war der einzige, der noch stand und gerade etwas wie eine Hausmutter wirkte, die sich um ihre Kinder kümmerte.
Unwillkürlich fragte ich mich, ob es hier gang und gäbe war, dass nahezu fremde Menschen übernachteten und mit durchgefüttert wurden. Ohne, dass ich mich wirklich dafür interessierte, stieg mir gleichzeitig auch noch die Frage in den Kopf, die wievielte von Collins Bekanntschaften ich wohl sein mochte, die er mitbrachte. Obwohl ich natürlich eine andere Art von Bekanntschaft war, als wahrscheinlich alle anderen weiblichen Wesen in meinem Alter.

„Ich glaube, wir haben noch Margherita und irgendwas mit Schinken oder Salami da. Julie, du willst wahrscheinlich nur Käse, richtig? Dann nehm ich Schinken."

Seine Schwester streckte ihm zwei Daumen nach oben hin und grinste. „Amelie und ich teilen uns eine. Machen wir bei ihr daheim auch immer so."

„Und du Alenia?"

Unentschlossen blickte ich zu ihm. Es kam mir so verfressen vor, ihm mitzuteilen, dass ich eine Margherita nehmen wollte. Bestimmt würde er nur dumme Sprüche reißen, wenn er sah, wie ich eine komplette Pizza alleine aß und wenn er es nicht aussprechen würde, dann würde er sich seinen Teil eben denken. Wahrscheinlich erwartete er es aber sowieso schon, weil jeder das tat. Ich war nunmal nicht so super, mega schlank, wie Vivienne. Aber einfach gar nichts essen, könnte ich ja sicherlich auch nicht, selbst, wenn es mir am liebsten gewesen wäre.

Erwartungsvoll sah er mich an und schien zu merken, dass ich noch am überlegen war. „Okay, gut. Du kommst einfach mit mir in den Keller zum Pizza holen und ihr zwei", er deutete auf die kleinen Mädchen, „heizt schonmal den Ofen vor und sucht drei Pizzateller. Aber vergesst nicht das Backblech rauszutun, bevor ihr den Ofen anmacht."

Collin bedeutete mir, ihm zu folgen, während Julie und Amelie von ihren Hockern sprangen und voller Tatendrang ihrer Aufgabe nachgingen. Darauf bedacht, etwas Abstand zwischen uns zu halten, trat ich neben den hochgewachsenen Jungen und dackelte ihm bis zur nach unten führenden Treppe nach. Mittlerweile waren die Kinderstimmen nur noch gedämpft zu hören.

„Wegen vorhin", begann Collin plötzlich, während er die Stufen nach unten lief. „Das ganze tut mir leid."
Kurz geriet ich ins Stocken, da ich nicht damit gerechnet hätte, dass er sich entschuldigte. Außerdem wusste ich nicht, ob er jetzt meinte, dass er im Prinzip für mich entschieden hatte, hier zu übernachten, oder für die verwirrende Situation davor.

Inzwischen waren wir im Keller angekommen, wenn man es überhaupt so nennen konnte. Selbst hier wirkte alles durch die vielen kleinen Deckenleuchten und die Breite des Flurs, sehr modern.
Ich war so beschäftigt damit, mich umzuschauen, wodurch ich gar nicht mitbekam, wie nahe ich Collin schon wieder war. Erst, als er seinen Kopf zu mir drehte und auf mich herabblickte, realisierte ich es und wich direkt ein wenig zurück.
Sein Blick ging einen Moment lang an mir vorbei, ganz so, als würde er überlegen, ob er noch etwas zu seinem Gesagten ergänzen wollte. Er wirkte unsicher, fast minimal schüchtern. Diese Seite an ihm war mir ganz neu.

„Die Situation vorhin auf der Couch und mein seltsames Verhalten danach, tut mir wirklich leid." Und da war er wieder. Dieser Augenkontakt zwischen uns, der mich in seinen Bann zog und mein Gehirn funktionsunfähig machte.
Mit großen Augen sah ich zu ihm hoch und war fast etwas gerührt. Eine leichte Wärme stieg mir in die Wangen und ich spürte mein Herz schneller pochen. Er hatte tatsächlich gemerkt, dass mich sein Verhalten vorhin leicht getroffen und vor allem verwirrt hatte. Normaler Weise bemerkte sowas niemand, oder es interessierte sie einfach nicht.
Noch immer überfordert damit, was ich darauf antworten sollte, blieb ich einfach still.

twisted love - was it all fake?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt