Kapitel 34

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Fröstelnd lief ich zwischen den hohen Kiefern hindurch. Der Schotter knirschte unter meinen Sohlen und die Aufregung brodelte in mir wie kochendes Wasser. Als ich den Schlittschuhverleih und den großen, eingefrorenen See entdeckte, atmete ich tief durch, um meine Nerven unter Kontrolle zu halten.
Mein allererstes Date und dann auch noch mit Collin Ellis! Das alles war zu schön, um wahr zu sein.

Ein Blick auf mein Handy verriet mir, dass es halb drei war. Zufrieden stellte ich fest, dass ich unseren vereinbarten Treffpunkt auf die Minute pünktlich erreicht hatte. Nervös schaute ich mich um und lächelte, als meine Augen auf Collin trafen, der lässig neben dem kleinen Hüttchen stand, an dem man sich Schlittschuhe leihen konnte.

Langsam machte ich mich auf den Weg in seine Richtung, wobei ich überlegte, wie ich ihn begrüßen sollte. War eine Umarmung angebracht oder womöglich zu viel? Würde ein einfaches "Hallo" ausreichen? Sollte ich winken?
Mein Herz hüpfte einmal, als er mich entdeckte und freudestrahlend auf mich zugelaufen kam.

„Hey", sagte er und schlang seine Arme um mich.
Überrumpelt, aber gleichzeitig froh, dass er mir die Entscheidung unserer Begrüßung abnahm, erwiderte ich die kurze Umarmung.
„Hey", nuschelte ich gegen den Stoff seiner Jacke, bevor wir wieder voneinander abließen. Sein Geruch vernebelte meine Sinne und ich hatte das Gefühl, als würde die Zeit einen Moment lang still stehen, während wir uns in die Augen sahen.

„Sollen wir?", fragte er und zeigte hinter sich auf den Verleih.
Zusammen gingen wir zu der Hütte, borgten uns Schlittschuhe in unseren Größen und wanderten zum Rand des Sees, wo einige Bänke standen, auf denen Decken ausgebreitet waren.

„Kannst du Eislaufen?", wollte ich von Collin wissen, als wir die Schuhe an unseren Füßen festbanden.
„Joa, naja. Ich konnte es mal aber bin schon eine ganze Weile nicht mehr gefahren und du?" Vorsichtig richtete er sich auf und streckte mir eine Hand entgegen, um mir Halt beim Aufstehen zu bieten. Dankbar nahm ich sie entgegen.
„Theoretisch kann ich es. Meine Mom hat den Winter geliebt und hat uns alle oft dazu gezwungen", bei dieser Erinnerung musste ich unwillkürlich lächeln, „Aber wir haben es immer gerne getan."

Als ich mich einigermaßen sicher auf den schmalen Kufen der Schuhe fühlte, schaute ich zu Collin. Mir war nie aufgefallen, wie gut es sich anfühlen konnte, über schöne Erinnerungen zu reden, selbst wenn man wusste, dass sie so nie wieder geschehen konnten, weil die Person, mit der man diese Dinge erlebt hatte, nicht mehr da war.
In unserer Familie war meine Mutter zu einem Tabuthema geworden, weshalb ich seit ihrem Tod auch mit niemand anderem über sie gesprochen hatte. Collin war der Erste, dem ich seither etwas über sie erzählte, was sich seltsamer Weise ziemlich befreiend anfühlte.

Lächelnd legte der Blonde mir eine Hand auf den Rücken, was mich unwillkürlich erschaudern ließ, und signalisierte mir damit, dass ich vor ihn laufen sollte. Gemeinsam machten wir uns schwankend auf den Weg zum Eis und sahen dabei wahrscheinlich aus, wie Astronauten bei ihrer ersten Mondlandung, obwohl ich vermutete, dass selbst diese sich eleganter fortbewegten als wir.

Collin bot mir Halt, als ich einen Fuß auf das Eis stellte. Erstaunlicher Weise fühlte ich mich noch ziemlich sicher dabei und hätte mir sogar zugetraut, sofort loszufahren. Das Adrenalin suchte sich seinen Weg durch meine Adern und verlieh mir neue Kraft.

Was jedoch meinen Begleiter anging, sah das Ganze ein klein wenig anders aus. Ich half ihm ebenfalls auf den vereisten See zu steigen, hatte jedoch nicht damit gerechnet, dass er nicht mehr loslassen würde.

„Alles okay?", fragte ich amüsiert.
Er nickte nur passiv und war ganz darauf konzentriert, auf seinen Beinen stehen zu bleiben. „Was ich vorhin vielleicht vergessen habe zu erwähnen, ist, dass es schon eine längere Weile her war, dass ich Schlittschuhfahren gewesen bin", erklärte er mir und lachte nervös. „Acht Jahre, um genau zu sein."
Ich dachte, mich verhört zu haben. „Acht Jahre?!", fragte ich verblüfft und lachte. „Dann ist es ja kein Wunder, dass du dich anstellst wie ein Anfänger."
„Ich hatte gedacht, ich würde es noch besser beherrschen." Verlegen schaute er auf den Boden und wirkte dabei fast schon niedlich. Genau wie ein liebenswerter Golden Retriever.

twisted love - was it all fake?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt