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"Ok Leute, bitte nicht ausrasten und auch nicht alle auf einmal quatschen.", sagte Annika streng, als sie am Montag morgen das Team versammelte und Ju, angezogen in Jeans, Hoodie und Sonnenbrille hereinbat. Die Männerrunde, bestehend aus Joon, Shawn, Vince, Tom und Thomas, beäugten sich skeptisch und schauten im nächsten Moment neugierig die hereintretende Person an. Annika schrieb an jenem Morgen allen eine Whatsapp, dass sie "gefälligst da und auf Sitzgelegenheiten platziert sein sollten" wenn sie die Villa betrat.

Ju fühlte sich sichtlich unwohl, seine Augen hinter der Sonnenbrille beobachteten die Reaktionen seiner Kollegen ganz genau, doch diese behielten Annika's Regeln gut bei. Keiner stellte zunächst eine Frage. Nach und nach zeigte Julien mehr von seinem aktuellen Erscheinungsbild. Er schob die Kapuze seines Hoodies vom Kopf und entblößte seine langen blonden und leicht gewellten Haare, welche in einem Zopf zusammengebunden waren, Annika sei dank. Sie war außerdem auch so gütig ihm, bevor sie gemeinsam zur Villa fuhren, einen BH vorbei zu bringen. Der Gedanke an diese Situation ließ Ju jetzt noch cringen. 

Mehrere Augenbrauen hoben sich. Erst als Ju seine Sonnenbrille abnahm, zierten die vor ihm sitzenden Gesichter fragende Blicke. Joon war der erste der sprach. 

"Ein Frauendouble von Ju?" Verneinend schüttelte Ju seinen Kopf, sein Zopf dabei über seine Schulter fallend. 

"Ich bin Ju. Also der Echte."

"Hä?", fragte Thomas. 

"Soweit ich weis, hab ich aber 'nen Bruder.", grinste Shawn. 

"Leute, schaut doch mal. Das sind meine Tattoos.", sagte Ju und schob seinen Ärmel hoch. Die hatte er glücklicherweise behalten. Zur Sicherheit zeigte er auch nochmal aus das Schwarz-rote seitlich seines Halses.

"Das ist wirklich Ju. Ich weis auch nicht warum, aber er ist jetzt eine Frau.", sprach nun auch Annika. 

Gott, das war echt mega unangenehm. Alleine dieser Titel. 

Frau... Als ob. 

"Aber wie? Hä das geht doch gar nicht so schnell.", klinkte sich nun Tom ein. 

"Ich hab auch keine Ahnung. Ich will auch nicht so bleiben, aber ich weis nicht wie ich es rückgängig machen kann.", sagte Ju leicht verzweifelt. Sein Team glaubte ihm irgendwo, das beruhigte ihn schonmal ungemein, nahm aber nicht die neugierigen Blicke von seinem Körper. Das hatte Ju schon vorher bemerkt, dass sein Gefühlsleben sich anscheinend seinem Körper angepasst hatte. Er war viel emotionaler seit seiner... ja wie bezeichnet man das eigentlich? Geschlechtsumwandlung? Das klang stupid. Aber so in der Art halt. Dementsprechend konnte er die aufsteigende Schamesröte in seinem Gesicht nicht unterbinden. 

"Könnt ihr mal aufhören mich so intensiv anzuglotzen? Ihr habt alle schonmal 'nen Frauenkörper gesehen.", sagte er unsicher. Ertappt sahen ihn einige Männer an. 

"Sorry.", entschuldigte sich Tom als einziger. 

"Aber for real, ich muss eingestehen, dass du als Frau schon echt nice aussiehst.", meinte Joon trocken. Empört antwortete ihm der Blonde. 

"Digga, laber nicht sowas! Das will ich von dir, oder euch, gar nicht erst hören."

"Chill, wir sind alle vergeben. Hier will sich auch, soweit ich weis, keiner hochschlafen.", scherze Joon. Jeder andere wäre aus dem Haus geflogen für diesen Spruch. Joon war sein bester Freund, dem konnte er gerade noch verzeihen. Ju unterdrückte seine aufkommende Wut. Damn, Frauen haben es echt nicht leicht mit all diesen Emotionen. 

"Aber was machen wir denn jetzt? Mal abgesehen von der persönlichen Komponente. Die Kanäle können doch jetzt nicht einfach einen weiblichen Ju in den Videos zeigen. Die Zeitspanne wäre zu kurz um zu erklären, dass du vielleicht transsexuell warst die ganze Zeit und plötzlich ne Geschlechtsumwandlung durchgezogen hast.", meinte Shawn nachdenklich. 

"Das klingt alles so cringe.", warf Thomas ein. 

"Ich hoffe auch nicht, dass ich so bleibe! Falls es doch in kurzer Zeit wieder rückgängig gemacht werden kann, wäre ich ja wieder normal. Da zieht dieser Grund ja gar nicht. Ich hab da schon drüber nachgedacht. Wie wäre es einfach zu posten, dass ich krank bin, auf unbestimmte Zeit erstmal und die Videos dementsprechend erstmal ausfallen."

"Wäre eine Idee, das gäbe uns und vorallem dir Zeit, dein Problem zu lösen.", sagte Joon ruhig. 

"Alle einverstanden?", fragte Ju in die Runde. 

"Ich denke das passt erstmal.", lächelte Thomas ihn an. 

Ihn, sie? Was jetzt eigentlich?

"Was für eine strange'e Situation. Das kannst du dir nicht ausdenken. Kommst auf Arbeit und dein bester Freund oder Chef ist auf einmal 'ne Frau.", versuchte Joon die Stimmung weiter zu lockern. Jeder im Raum konnte die Unsicherheit aufgrund dieser neuartigen Situation spüren. Es war einfach nicht logisch. Ein Mensch konnte nicht einfach über Nacht seinen kompletten Körper und sein Geschlecht ändern. 

"Wie ist das denn eigentlich passiert? Also wann und wie geht's dir damit?", fragte Thomas. 

Ju versuchte die Fragen seiner Freunde so gut es geht zu beantworten. Dank Annika, welche ihre imaginäre strenge Hand wie einen Schutzschild über der Gruppe hielt, bleiben auch alle soweit ruhig und mit ihren Fragen oberhalb der Gürtellinie. Jeder Mann stellt sich die Frage wie es wäre eine Frau zu sein. Insbesondere der sexuelle Hintergrund weckt hierbei die Neugierde. 

Wie fühlt es sich an Brüste zu haben? Sich selbst zu fingern? Generell Sex zu haben? 

Ju wusste, dass seine Freunde all diese Fragen haben und er war ihnen unglaublich dankbar, dass sie diesbezüglich ihre Fressen hielten. Ihm war seine Situation eh schon peinlich genug. 

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Als sich der Tag dem Abend neigte und Ju wieder in seiner Wohnung war, nahm er sich nochmal die Zeit seinen neuen Körper endlich genauer zu inspizieren. Erneut stand er also vor seinem großen Spiegel im Schlafzimmer und musterte sich. Noch zögerte er. Es war, als würde er jemanden ausspannen, der es gar nicht will, nur das dies hier anders real ist. Es ist SEIN Körper, der sich verändert hat und den er gleich begutachten will. Es sind seine zarten Finger, die den unteren Bund seines Hoodies griffen und sich das Kleidungsstück über den Kopf zogen. Was er daraufhin sah, entfachte gemischte Gefühle in ihm. 

Auf der einen Seite stand wieder die Tatsache, dass dies nicht sein eigentlicher Körper war. Lediglich seine Tattoos und seine Haut-, Augen- und Haarfarbe waren gleich. Er behielt auch seine schlanke Silhouette, welche jetzt allerdings  eher der typischen frauenähnlichen Sanduhrform glich. Und da kam die andere Seite in's Spiel. 

Denn auf dieser Seite fand er sich als Frau schon derbe hot. Er würde sich selbst sicher smashen, wenn er er selbst wäre und dieser weibliche Ju eine eigenständige Person. Theoretisch hatte er optisch alles, was er an einer Frau attraktiv fand. Ein schönes Lächeln, tolle Figur, lange Wimpern, schönes Haar... Er brauchte nicht einmal Makeup um so zu denken. Tom's Freundin, Carina, hatte ihm in der Villa angeboten ihn etwas zu schminken, doch das hatte er dankend und leicht überfordert abgelehnt. 

Er war keine Frau, verdammich nochmal. Die Tatsache, dass er einen BH trug war ihm schon zu viel des Guten. Annika hatte auch noch einen mit Spitze ausgewählt. Der passte auch noch und umrahmte seine Brüste perfekt. Sein Tattoo passte sich auch sehr gut an die Wölbungen an. 

Ich checke gerade meine eigenen Brüste aus. Ich glaub's nicht. Vorallem "meine Brüste"...

Seufzend verließ er sein Schlafzimmer und ging auf Toilette. Frauenblase. Mega nervig. Zudem kommt auch noch, dass er sich mit seiner neuen Vajayjay noch nicht angefreundet hatte. Als Mann schüttelt man oder tupft mit dem Klopapier den letzten Tropfen weg (letzteres fand er persönlich am hygienischsten), als Frau musst du wischen sonst ist deine Unterwäsche nass. Noch ein Minuspunkt. 

Ein Klingeln riss ihn aus seinem inneren Rant gegen sich selbst. Jemand war an der Tür. Vielleicht nochmal Annika, sie meinte, dass sie eventuell nochmal vorbei kommen wollte, wenn sie mit ihren privaten Terminen fertig ist. Schnell spülte und er und wusch sich fix die Hände bevor er die Tür öffnete. 

Juzo - Julienne Bam?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt