Es gibt nichts zu beweisen.
Wem auch immer du zeigen willst, dass du es doch kannst, dass sie sich in dir getäuscht haben, dass du es doch wert bist - vergiss es. Es ist egal, was andere Menschen denken. Es ist egal, was jeder andere Mensch von dir hält. Den einzigen Einfluss, den es auf dich hat, ist, wenn es dich interessiert.
Also habe ich aufgehört mich dafür zu interessieren.
Meine Eltern sind der Meinung, ich hätte aufgehört mich für irgendwas zu interessieren. Aber das ist nicht wahr. Ich spiele Gitarre, ich habe sehr grüne und sehr lebendige Pflanzen in meinem Zimmer, ich rede gerne mit Jade.
Es ist mal wieder kalt und nass draußen. Berlin erinnert mich an ein schlecht gelauntes, graues, verfilztes Tier. Das dir in die Waden beißt, wenn du nicht schnell genug seine Straßen verlässt und in die Illusion einer warmen und heilen Welt in die Wohnungen fliehst.
Ich ziehe mir meine Kapuze tiefer ins Gesicht und folge den wenigen Menschen in Richtung U-Bahn. Es ist spät, es nieselt und ich freue mich auf mein warmes Bett. Die Treppe runter zur U-Bahn ist nass und dreckig. Diese ganze Stadt ist dreckig. Ich vermisse das Meer. Ich vermisse seine Weite und Stille. Am Gleis steht eine kleine Gruppe an Typen. Nicht viel älter als ich. Und eindeutig betrunken. Beinahe automatisch stelle ich die Musik meiner Kopfhörer lauter. Ich schließe die Augen und versuche mir vorzustellen, woanders zu sein. An einem Ort mit mehr Weite und weniger Menschen. Ich würde gerne das Weite suchen. Aber ich bin gebunden an diese Stadt, ich bin gebunden an meinen Job im Plattenladen bei Herrn Jago. Ich mag es, morgens auf dem Balkon an unserer Küche eine zu rauchen und den Autos dort unten zuzusehen, wie sie ihr Potenzial nicht entfalten können, weil sie in eine enge Stadt mit immerzu stockendem Verkehr gebracht wurden.
Der Windzug der einfahrenden U-Bahn holt mich zurück in die Gegenwart. Ich steige ein, lasse mich auf einen der leeren Sitze fallen und lasse meine Blick schweifen. Die Typen sind mit mir eingestiegen, eine Tür weiter. Sie sind zu fünft und sehen typisch nach dieser Stadt aus. Viel Leder, viel schwarz, ein paar gewagte Outfitbreaker. Nichts, was ich nicht schon hunderte Male gesehen hätte. Gerade als ich wegsehen will, hebt der, der zu mir gedreht steht, seinen Blick. Und begegnet meinem.
Etwas in seinem Blick ist anders. Anders als der Alltagslärm um uns herum. Anders als das, woran ich mich gewöhnt habe. Schnell wende ich meinen Blick ab. Ich muss nicht mehr lange fahren. Aber auch auf meinem Weg nachhause kann ich das Gefühl nicht abschütteln. Mir ist unwohl dabei, das auch nur zu denken. Dieser Typ hat mir Angst gemacht.
Aber irgendwie... auf eine gute Weise?
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nichts zu beweisen
RomanceIch mochte die dunkle Enge der Stadt nie, ich wollte immer hier weg. Ich wollte immer möglichst viel Abstand zu allem. Bis ich dich traf. Bis mich deine Dunkelheit verschluckte und du meine Nähe nicht mochtest. Bis du mir mich selbst gespiegelt hast...