Mein erster Einsatz

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Ein Blick zu den anderen genügte, um zu wissen, dass allen das Herz in die Hose rutscht. In Rekordzeit laufen wir zu unseren Einsatzfahrzeugen und fahren hinter dem ausgerückten Löschzug zur Einsatzstelle. Vor Ort bietet sich ein schreckliches Bild. Aus den rechten Fenstern im Erdgeschoss der dreistöckigen Grundschule dringt dichter Rauch. Schülerinnen und Schüler der darüber liegenden Stockwerke rufen um Hilfe. Auch in den linken Trakt scheint der Rauch schon vorgedrungen zu sein, denn hustende Kinder verlassen durch einen weiteren Ausgang links das Gebäude.

„Mein erster Einsatz und schon direkt so etwas."

„Wir schauen uns die Kinder an", richtet sich Olli an alle Sanitäter.

Gemeinsam sichten wir die aufgeregten Kinder und völlig überforderten Lehrkräfte. Die wenigsten haben Rußpartikel an sich, niemand hat welche im Nasen- und Rachenraum. Einige Kinder weinen, sie werden aktuell von uns stärker betreut. Währenddessen setzt die Feuerwehr Drehleitern ein – auch von anderen Wachen. Nach und nach werden die unverletzten, aber eingeschlossenen Kinder in den oberen Stockwerken von den Feuerwehrmännern gerettet. Gleichzeitig durchsuchen Angriffstrupps der Feuerwehr die verrauchten Räume nach weiteren Kindern und schauen sich gleichzeitig nach dem Brandherd um. Auch wenn wir etwas zu tun haben, macht mich das Warten fertig. Bei dem Rauch rechnen wir alle mit dem Schlimmstem. Im Rauch ist Kohlenmonoxid vorhanden, ein geruchloses Gas, das nach drei Atemzügen zum Tod führt. Ich höre, wie sich der Einsatzleiter mit den Lehrkräften unterhält, um Informationen zu den im Gebäude verbliebenen Personen zu erhalten. Wir wissen noch immer nicht, wie viele Kinder und Lehrkräfte sich noch drinnen aufhalten. Endlich hat Björn Eckhoff, der Einsatzleiter, die Schulleiterin ausfindig machen können, die nun selbst sich einen Überblick verschafft. Sie geht von Lehrkraft zu Lehrkraft und lässt die Schüler:innen durchzählen – etwas, was Lehrer:innen eigentlich sofort tun sollen, um dann Rückmeldung zu geben. Zudem informiert sie Herrn Eckhoff, dass sich im rechten Trankt im Erdgeschoss die Küchen sowie der Verwaltungstrakt befinden würden. Diese Information konnte der Einsatzleiter auch den Plänen entnehmen, die zu jedem öffentlichen Gebäude zur Verfügung stehen. Neu ist aber für ihn, dass in den Küchen nur vereinzelt AGs in Kleingruppen stattfinden.

Nachdem sie sich einen Überblick verschafft hat, steht fest, dass drei Schüler:innen und eine Lehrkraft vermisst werden und sich damit im verrauchten Gebäude aufhalten müssen. Fast zeitgleich bringt der Angriffstrupp ein total verrußtes Mädchen heraus und legt es auf die nächstgelegene Trage. Marion, Patrick, Olli und sein NEF-Fahrer Benjamin sind sofort zur Stelle. Zusammen mit den übrigen verbleibe ich bei den aufgebrachtesten Kindern, denen wir gut zureden.

Chaos entsteht, als die ersten Eltern an der Einsatzstelle eintreffen – sie sind aufgeregter als ihre Kinder. In Absprache mit der Schulleiterin und dem Einsatzleiter dürfen Kinder nach einer Sichtung durch uns Sanis die Örtlichkeit verlassen. Die Sekretärin notiert die entlassenen Schüler:innen ordnungsgemäß auf ihrem Tablet, dass sie pflichtbewusst mitgenommen hat.

Plötzlich stürmt eine weitere Mutter direkt auf das Gebäude zu. Da ich mich am nächsten zu ihr befinde, stoppe ich ihr Vorhaben. Mein Arm schlinge ich um ihren Bauch, doch sie zappelt und tritt sogar nach mir. Ich denke jedoch nicht daran loszulassen, sondern spreche mit ihr: „Sie können dort nicht reingehen, sie behindern die Einsatzkräfte."

„Aber meine Tochter, sie ist da drin", gibt sie nur panisch von sich und versucht sich erneut von mir loszureißen.

Im Augenwinkel nehme ich war, wie Franco mir zu Hilfe eilt und sie an der Schulter zurückhält. Auch er spricht mit ruhiger Stimme auf sie ein: „Sie helfen Ihrer Tochter nicht, wenn sie ebenfalls dort drin liegen. Beruhigen Sie sich, die Feuerwehr tut alles, um Ihre Tochter zu finden."

Tatsächlich scheint er einen Zugang zu ihr gefunden zu haben, dann sie hört auf, sich zu wehren. Stattdessen schluchzt sie auf und gibt uns einen wichtigen Hinweis: „Sie hat doch Asthma."

112 - Das TeamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt