Kapitel 79

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Die Leere blieb. Ein Gespräch kam nicht Zustande, zwar versuchte sie immer wieder herauszufinden, was man mit mir getan hatte, doch ich sprach nicht darüber. Es war ende November, ich war knapp zwei Monate bei ihnen gewesen. Zwei Monate und ich lief rum wie eine Marionette. Meine Mutter find vor mir an zu weinen, unterbrach das Essen, denn der Hunger war ihr vergangen. Sie sah es, sie sah wie ihre sonst so lebhafte Tochter vor ihr saß und es zerbrach ihr das Herz. Vorsichtig stand ich auf und nahm sie in den Arm.

"Es tut mir leid." Flüsterte ich.

Die Welt war schwarz weiß, der Regen an den Scheiben erdrückend und die Stimmung, die vielleicht von Erleichterung erfüllt sein sollte, war von Trauer und Angst gefüllt.

"Das muss es nicht. Du kannst nichts dafür." Sie zog mich eng an sich und vergrub ihr Gesicht im Stoff meiner Kleidung.

Ihr Duft. Ihr mir so bekannter Duft, stieg mir in die Nase und schien mir noch einmal einreden zu wollen, dass es vorbei war. War es das? Wieso fühlte es sich denn noch immer nicht so an? Wieso fühlte ich mich trotzdem so eingeschlossen?

"Es wird alles wieder gut. Ich bin jetzt wieder daheim." Ich konnte sie einfach nicht weinen sehen.

Auch mur liefen nun Tränen über die Augen. Wir blieben lange wach, weinten lange und doch, fand ich mein Zimmer. Ich zog mich aus, legte mich in die altbekannte Matratze und schlang meine Arme um die Kissen. Doch meine Augen fielen nicht zu, ich war wach. Wach und erschöpft. Doch wie sollte ich schlafen können? Das Bett...es war so groß und leer....es war wie ein Stich im Herz, dass irgendwas fehlen würde, dass da irgendwas noch sein musste. Das Gefühl verschwand auch nach einer Woche nicht.

"Möchtest du mir mehr darüber erzählen?" Ich sah Anette, meine Therapeutin an.

"Was gibt es darüber schon zu erzählen. Ich wurde als Sexspielzeug benutzt." Verstand sie mich denn überhaupt?

"Wieso hast du dann mit ihn in einen Bett geschlafen." Wollte sie wissen.

In unserer ersten Sitzung hatte ich ihr von meinen Tagesablauf bei ihnen erzählt.

"Weil sie es so wollten. Ich hätte lieber wo anders geschlafen...aber..."

"Ja?"

"Ich hatte nun einmal Angst mich zu wehren." Mein Kopf senkte sich wieder, meine Augen gingen automatisch zu den Bein, in den ihre Initialien waren.

"Das ist normal und du brauchst dich auch nicht schlecht deswegen zu fühlen. Aber deine Ansicht dir gegenüber ist etwas hart meinst du nicht? Wenn du in den Spiegel siehst, was siehst du?"

"Mich."

"Und Philosophisch?"

"Was weiß ich. Ich...sehe mich halt, ich fühle nichts dabei, wenn ich mich sehe." Mir war das alles noch sehr unwohl, ich kratzte mich leicht am Unterarm.

"Bitte lüg mich nicht an."

Anders würde ich die Stunden hier nicht vertragen.

"Du kannst offen mit mir reden."

Angeblich.

Anette war nett, das konnte man nicht abstreiten, aber es war komisch mit jemanden zu reden, der nicht er war. Er hat mich öfter dazu gebracht zu reden, es war leichter dadurch, weil ich nicht alles in mich reingefressen hatte, doch hier. Hier war es irgendwie so, als würde sie was böses mit der Information wollen. Ich wusste selbst nicht, woher dieses Gefühl kam.

"Na gut, lass uns über den Gerichtstermin sprechen."

Den Gedanken daran versuchte ich immer wieder zu unterdrücken. Ich hatte zwar versucht zu verweigern, jedoch bestand man darauf, dass ich als Zeuge Aussagen würde.

"Ich kann das nicht." Stritt ich ab.

"Deine Aussage ist wichtig, dass weißt du. Leider gibt es da kein Weg daran vorbei. Es sind genug Sicherheitsleute da, die aufpassen werden es ist eine einfache Aussage. Du sagst, was du zu sagen hast, beantwortest ein paar Fragen und dann gehen alle Glücklich nach Hause-"

"-beziehungsweise ins Gefängnis." Unterbrach ich sie.

Ich kann es nicht. Ich kann nicht einfach da sitzen und ihnen in die Augen sehen, wenn ich die Verrate. Gott ich bin Tod, wenn ich dort auftauche. Aber es war noch Zeit. Es waren noch vier Monate, erst im März würde ich Aussagen müssen.

Der Wecker klingelte, unsere Zeit war vorbei. Ich stand sofort auf und zog mich an, verließ das Büro nur mit einen flüchtigen auf Wiedersehen. Draußen wartete meine Mutter auf mich, ich war kaum mehr alleine unterwegs, zu groß war die Angst, dass wieder etwas schreckliches passieren würde.

"Wie war deine Stunde?" Wollte sie wissen, als ich die Autotür hinter mir schloss, neben den leisen Motor konnte man das Radio hören.

"In Ordnung. Gibt nichts neues."

Es war Still. Wieder. Wir wussten beide nicht, wie wir so wirklich mit der Situation umgehen sollten. Die Tochter komplett verwirrt, eine Mutter mit Vermutung auf Depressionen und ein Vater, der im Koma lag.

Ich wusste es noch nicht lange, der Gedanke war noch immer nicht real. Doch es war nun einmal so. Im Alkoholrausch Auto gefahren, falsch auf die Autobahn gekommen und als Geisterfahrer einen Unfall gebaut. Eine Frau stark, ihr Kind wurde zur Weise und mein Vater lag im Koma. Das Leben schien die Leute in meiner Umgebung zu hassen. Auch wenn ich nicht da war, nicht einmal im gleichen Land, so gab ich mir die Schuld. Er war nie Auto gefahren, wenn er getrunken hatte, hatte seine Frust nur einmal mit Alkohol weggesoffen und wollte nach Hause zu seiner Frau, statt bei seinen Kollegen zu schlafen.

Das Glück stand nicht auf unserer Seite, sobald er wach wäre, würde er wegen fahrlässigen Handeln festgenommen werden. Zwei Wochen später, es war kurz nach Weihnachten, gab es keine Festnahme mehr. Meine Mutter schaltete das Radio aus, Ruhe. Sie brauchte Ruhe.

"Gehst du auch irgendwann?"

Sie hielt inne.

"Ich bring doch nur Schande." Hauchte ich.

"Sag sowas nicht, bitte."

"Es ist aber so! Erst Hanna, dann Luise und Klara und jetzt auch noch er. Ich bring nur Tod mit mir! Gott das ist alles meine Schuld!" Weinte ich.

Die Frau drehte sich um und nahm mich in die Arme.

"Ich bleibe bei dir, versprochen. Wir machen das zusammen."

"Ich will dich nicht auch noch verlieren!"

"Das wirst du nicht."

Tage, Wochen vergingen. Sitzungen wurden abgesessen, die Trauer wurde weniger, doch statt Trauer war Hass in mir. Ich lebte damit, lebte weiter, fing an wieder zur Schule zu gehen und machte weiter. Ich richtete mich auf. Die Zeigenaussage stand in wenigen Tagen an und eins Stand fest. Ich lasse nichts aus. Ich reiß mich zusammen und sorge dafür, dass die Leute, die mir alles nahmen, hinter Gittern kommen. Meine Hand zitterte, als ich die Liste durchging. Nichts sollte missverstanden werden, weshalb Anette und ich alles aufgelistet hatten, was wichtig war.

Wut, Hass, Angst, Trauer, wenige Freudemomente und jetzt würde es zu den Tag kommen, an den ich den Schlussstrich endlich ziehen könnte. Auch die Kartons im Flur zeigten unseren Wille neu zu beginnen Alles hatte sich wieder eingegliedert, ich war keiner Regel mehr ausgesetzt. Nur eins blieb gleich. Das Bett, es war groß und fühlte sich immer so leer an.

Einen guten Morgen euch allen!

Ich versüßen eure Woche hoffentlich mit dieser kleinen Ankündigung, auch wenn es vielleicht etwas traurig ist. Wir nähern uns dem Ende und so wie es für mich üblich ist, werde ich die letzten Kapitel als eine Art Lesetag veröffentlichen heute morgen habt ihr schon das erste erhalten. Ich möchte euch eine kleine Übersicht geben, damit ihr wisst, wann ihr welches Kapitel erwarten könnt.

Kapitel 80 - 12 Uhr
Kapitel 81 - 17 Uhr
Kapitel 82 - 20 Uhr

Natürlich hab ich auch dann ein paar kleine Worte für euch, die eure Laune dann vielleicht wieder etwas heben😉

Ich freue mich wie immer auf Votes und Kommentare, hoffentlich gefällt euch das Ende.

Viel Spaß beim Lesen und bis später!

Geisel - kein EntkommenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt