9. So plötzlich wie ein Regenbogen

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Sie kamen so plötzlich, wie ein Regenbogen. Eigentlich sollte man mit einem Regenbogen rechnen, denn er kommt immer nach dem Regen. Ganz sicher. Aber trotzdem ist man immer wieder überrascht. Trotzdem rennen immer alle zum Fenster, um ihn zu sehen.

Hier kam keiner, um zuzusehen, denn es wusste niemand, dass sie draußen waren.

Sie gingen dicht beieinander. Nicht romantisch im Schein des Vollmondes, sondern in der Dunkelheit einer Neumondnacht, welche ihre verschränkten Finger verbarg.

Der See irgendwo im Nichts in Südengland lag gespenstisch still vor ihnen, leise plätscherten kleine Wellen ans Ufer, die der Wind in ihre Richtung gepustet hatte, vielleicht, wenn man im Nachhinein darüber hätte nachdenken können, wollte er sie warnen. Aber das wussten sie nicht.

Keiner von ihnen hatte damit gerechnet, dass so etwas passieren würde. Es geschah so plötzlich, wie ein Regenbogen.

Plötzlich knackte es im Gebüsch. Hermine zuckte in Erinnerung an das Vergangene zurück und Draco zog sie in seine Arme, beruhigte sie, es war sicher nur ein Tier gewesen. Wie hätte er es wissen können? Jeder hätte an seiner Stelle dasselbe gesagt, jeder hätte die spukenden Geräusche der Nacht auf die Tiere geschoben. Aber es waren keine Tiere.

Plötzlich war da das Licht eines Zauberstabs. Hermine zuckte in Erinnerung an das Vergangene zurück und Draco hielt sie noch fester, beruhigte sie, es war sicher niemand Schlimmes. Wie hätte er es wissen können? Jeder hätte an dieser Stelle dasselbe gesagt, jeder hätte das Licht eines Zauberstabs auf eine besorgte Mutter oder einen verirrten Freund geschoben. Aber es war niemand Gutes.

Plötzlich standen da ein paar Personen, vier oder fünf. Hermine schrie in Erinnerung an das Vergangene leise auf und Draco zog sie schützend hinter sich und fragte: "Wer seid ihr?" Wie hätte er es wissen können? Jeder hätte an seiner Stelle etwas ähnliches gefragt, jeder hätte angenommen, dass die Personen nichts Böses von ihnen wollten. Aber sie wollten Böses.

Und plötzlich, noch bevor Hermine in Erinnerung an das Vergangene weglaufen konnte und Draco ihre Hand halten und sie beruhigen und dabei irgendetwas Unwahres sagen konnte, wovon er nicht wissen konnte, dass es unwahr war, denn jeder hätte in seiner Situation dasselbe gesagt, plötzlich traf sie eine Reihe von Zaubern.

Es geschah plötzlich, wie ein Regenbogen. Und es war bunt, wie ein Regenbogen. Unter das Blau des Lumos mischte sich das Rot eines Stupors, das Gelb eines anderen Zaubers und das Grün, welches nur ein einziger Zauber hinter sich herzog.

Und dann war auf einmal alles vorbei.

Es geschah so plötzlich, wie ein Regenbogen. Aber anders als beim Regenbogen sah niemand hin. Niemand sah zu, niemand bestaunte die grausame Schönheit der Körper, die wie Marionetten in sich zusammenfielen, als hätte man ihnen die Fäden durchgeschnitten.

Es war so unspektakulär. Es war immer noch eine Neumondnacht. Es war immer noch dunkel und die sanften Wellen des Sees schlugen immer noch gegen das Ufer, aber jetzt klang es, als würden sie trauern. Oder vielleicht war das auch Einbildung. Es war alles wie vorher, nur dass jetzt zwei leblose Körper am Rand des Sees lagen.

Am nächsten Abend würde Draco nicht zum Abendessen kommen und Narzissa Malfoy würde an die Zimmertür ihres Sohnes klopfen und ein leeres Zimmer vorfinden. Sie würde etwas besorgt, aber nicht groß beunruhigt sein. Und wenn die beiden Kinder am späten Abend noch nicht aufgetaucht waren, dann würde sie sie suchen gehen. Und sie würde die Beiden finden, am See. Und sie würde weinen.

Und es würde ein ganz normaler Tag sein. Es würde nicht regnen. Die Sonne würde scheinen, als wolle sie Narzissas Tränen verhöhnen. Und der See würde mitfühlend plätschern.

Aber niemand würde jemals wissen, wer die beiden Jugendlichen umgebracht hatte. Alle würden glauben, dass es die Todesser waren. Geschichten und Gerüchte würden sich um diesen Tod ranken.

Gerüchte über einen Tod, der so plötzlich kam, wie ein Regenbogen.

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