Kapitel 18 - Der Preis für eine Geschichte | 1

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»Ja, ja.« Zirkon verdrehte die Augen. Vom Geschichtenerzähler wirkte er ganz und gar unbeeindruckt. »Nenne uns jetzt deinen Preis und lass uns das endlich hinter uns bringen. Je schneller wir hier fertig sind, desto schneller bist du uns wieder los.«

Am liebsten hätte Ardenwyn den Steinteufel gepackt und geschüttelt, bis er endlich an etwas Vernunft gelangte. Wie konnte jemand nur so überaus dämlich sein? Wenn es jetzt seine Schuld war, dass der Geschichtenerzähler sie wieder vor die Tür schickte, würde sie ihn höchstpersönlich am Kragen packen und in den Wald der tausend Ängste schubsen!

Der alte Mann musterte Zirkon abschätzend. In den trüben Augen blitzte etwas, das die Feuertänzerin nicht benennen konnte. »Ah, ich sehe schon. Du hältst dich für einen ganz Großen, was, Junge?« Das spärliche Licht, das durch die verblichenen Vorhänge fiel warf harte Schatten auf das eingefallene Gesicht des Mannes. Obwohl er bloß ein Mensch war, wirkte er wie etwas gänzlich anderes. Etwas, vor dem man sich hüten musste. Ardenwyn gefiel das, was der Mann ausstrahlte, nicht. Argwöhnisch beäugte sie ihn, doch die Antwort, nach der sie suchte, entzog sich ihr.

Der Geschichtenerzähler stützte sein Kinn auf seiner Faust und betrachtete die ungleichen Reisegefährten eingehend. »Behaltet euer Geld, denn ich will es nicht. Geld ist vielleicht der Schatz des kleinen Mannes, doch mich verlangt es nach etwas von deutlich mehr Wert. Münzen kann ich überall erhalten.« Etwas Dunkles legte sich über sein Gesicht und ein Lächeln, das der Feuertänzerin ganz und gar nicht gefiel, zupfte an seinen Mundwinkeln. Der Mann hatte etwas an sich, das ihr einen Schauder über den Rücken trieb. Doch wenn sie so ihre Begleitet betrachtete, war sie wohl die Einzige, der es so erging. Die anderen schienen sich zwar in der Nähe des Geschichtenerzähler nicht wohl zu fühlen, doch nicht in einem ungewöhnlichen Maß. Vielleicht lag es daran, dass Ardenwyn mit den Jahren sensibler geworden war, was potenzielle Gefahren anging.

»Wenn Ihr kein Geld wollt, wonach verlangt es Euch dann?«, wollte Diascur ruhig wissen. Er könnte im Auge eines tosenden Sturms stehen, der an ihm riss und zerrte und ihm entgegen brüllte, und dennoch würde er die Ruhe selbst verkörpern. Dessen war die Diebin sich sicher.

»Wenn ihr meine Dienste in Anspruch nehmen wollt, möchte ich im Austausch für meine Geschichte ein Geheimnis.« Das Lächelnd auf den Lippen des Geschichtenerzählers wirkte unwirklich. Ein Schleier aus Wissen.

Deine Augen glitten über die Reisegefährten und blieben schließlich an der Feuertänzerin hängen. »Du. Dein Geheimnis will ich haben.«

Alles in Ardenwyn erstarrte. Ihr wurde heiß und kalt zugleich. Den Schock über seine Worte, über seinen Preis, den er von ihr verlangte, hatte sie völlig unvorbereitet getroffen. Gerade rechtzeitig bemerkte sie das Zittern ihrer Hände, ehe es die anderen taten, und versuchte, sich zu beherrschen. Ihr Geheimnis für Avarons Geschichte. Und was würde der Geschichtenerzähler bloß damit anfangen? Nein, daran durfte sie gar nicht erst denken. Es musste einen anderen Weg geben. Es musste!

So sehr sie Avaron auch fallen sehen wollte, sie selbst würde nicht zulassen, dass er sie mit sich in den Abgrund riss. Jeden anderen Preis hätte sie gezahlt. Nur nicht diesen.

»Wie kommt Ihr darauf, dass mein Geheimnis es wert wäre, gegen einer Eurer Geschichten eingetauscht zu werden?« Als sie sprach, war ihre Stimme kühl und beherrscht. Ihr Gesicht eine Maske aus gehärtetem Eis.

Doch der Geschichtenerzähler lachte bloß ein raues, kratziges Lachen. »Mädchen, meinst du, ich würde eine Person mit einem interessanten Geheimnis nicht erkennen, wenn sie vor mir steht? Ich mache das schon viele, viele Jahre. Ich weiß, worauf es ankommt. Würde ich das nicht wissen, wäre ich nicht gut in dem, was ich tue. Ein Geheimnis für eine Geschichte. Klingt das nicht fair? Irgendwann sind alle Geschichten erzählt. Wer soll mich dann noch aufsuchen? Ich bin kein Hüter der Geschichten, sondern ein Erzähler. Also sprich oder ich werde schweigen.«

Feuertänzerin - Erbin der FlammenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt