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"Hast du einen Stift für mich?" Ich sah mit müden Augen Lukas an. Er hatte mir auf die Schulter getippt und sah mich nun abwartend zurück an bis ich mit den Schultern zuckte und nickte. Ich schob meine Federmappe zu ihm rüber. "Nimm dir einfach einen raus", sagte ich. Er nahm die Federmappe und griff sich einen Kugelschreiber. "Danke."

Und mir war bestens bewusst, dass mein Ärmel hochgerutscht war, als ich die Federmappe rübergeschoben hatte. Ein Teil von mir hoffte, dass er die Verletzungen auf meinem Unterarm sehen würde, aber ein anderer Teil schämte sich, weil sie nicht tief genug waren und so schob ich den Ärmel schnell wieder runter, bevor Lukas etwas bemerken konnte.

Aber er hatte sie gesehen. Ich sah es an dem kurzen Stutzen. Das irritierte Aufblitzen in seinen Augen. Doch er sagte nichts dazu.

Die Stunde verging quälend langsam. Als es klingelte, gab Lukas mir meinen Stift wieder und ging dann in die Pause. Ich blieb einfach auf meinem Platz sitzen und legte meinen Kopf auf dem Tisch ab. Ich hatte die ganze Nacht nicht geschlafen und mein Körper gab mir das jetzt zu spüren. Meine Augenlider waren schwer.

Niemand sprach mich darauf an, wie offensichtlich fertig ich war. So lief das hier. Ich beachtete die anderen nicht und sie beachteten mich ebenfalls nicht. In Gruppenarbeiten war ich meistens die letzte, die noch keinen Partner hatte. Nein, eigentlich immer.

Ich verbrachte die Pause im Halbschlaf. In der nächsten Doppelstunde lieh Lukas sich erneut einen Kugelschreiber von mir aus.

Nach Schulschluss wurde ich von unserem Mathelehrer gebeten noch kurz zu warten.

"Du bist in letzter Zeit besonders still", sagte er mit ernster Miene. Ich zuckte mit den Schultern und nickte. "Ich möchte dir nur ungern eine fünf auf dem Zeugnis geben aber darauf wird es hinauslaufen, wenn du dich in Zukunft nicht mehr beteiligst." Und mit diesen Worten zeigte er auf die Tür. Ich durfte gehen.

Er hatte nicht gefragt warum. Er hatte nicht gefragt wie es mir ging. Es interessierte ihn nicht. Er wollte lediglich, dass ich meine Leistung verbesserte, vermutlich, damit ich den Klassendurchschnitt nicht zu sehr nach unten zog.

Ich verließ den Klassenraum und setzte mir meine Kopfhörer auf. Die Musik füllte meine Ohren und ich verschwand in meiner eigenen kleinen Welt. Eine Seifenblase aus Traurigkeit. Eine Seifenblase, die grau und trüb war und nicht glänzte. Und, die dick und zäh war und nicht so leicht zerplatzte. Meine eigene kleine Seifenblase.

Es war kalt. Und es regnete. Ich setzte mir meine Kapuze nicht auf und ich machte meine Jacke nicht zu. Hoffentlich bekam ich eine schwere Erkältung, damit Mama mir endlich erlaubte einen Tag zu Hause zu bleiben. Die Schule war der blanke Horror für mich. Außerdem war Mama immer besonders nett, wenn sie erst einmal anerkannt hatte, dass es mir nicht gut ging.

Dann kochte sie mir Suppe und kaufte mir Bücher und alle zwei Stunden kam sie in mein Zimmer um zu fragen, ob ich einen Tee haben wollte. Wenn ich krank war, dann liebte Mama mich am meisten.

No one caresWo Geschichten leben. Entdecke jetzt