Kapitel 5 ~ Zoey bekommt, was sie will #3

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Die kühle Nachtluft beruhigte mich. Mit tiefen Atemzügen nahm ich sie in meine Lunge auf. Es wehte ein angenehmer Wind, der mit meinen Haaren spielte. Hier draußen war es still. Erleichtert ließ ich mich auf einen Gartenstuhl sinken und schloss die Augen. Es war dunkel, weshalb ich ohnehin kaum etwas sehen konnte. Trotzdem hatte ich vor, mir den Garten später genauer anzusehen.

Ich mochte es, draußen im Grünen zu sein. Als Kind hatte ich ebenfalls sehr viel Zeit an der frischen Luft verbracht und so zog es mich auch heute noch dorthin. Es erinnerte mich immer an meine Kindheit, in der ich mir um nichts hatte Sorgen machen müssen. "Es ist eigentlich eine ziemlich dumme Idee, jemanden abzuweisen und dann alleine nach draußen zu gehen."

Langsam öffnete ich die Augen wieder. Der Typ von vorhin stand hinter dem Gartenstuhl mir gegenüber. Da ich saß, war er um einiges größer und ich musste nach oben schauen, um ihm ins Gesicht sehen zu können. Es war jedoch nach wie vor dunkel, weshalb ich nicht genau sagen konnte, wie er aussah. Seine hellen Haare konnte ich allerdings selbst in der Dunkelheit ausmachen.

Ich hatte keine Angst vor ihm. Warum auch? Wenn er mir etwas antun hätte wollen, hätte er mich nicht vorgewarnt. "Und es ist noch viel dümmer, mich in meiner Ruhe zu stören." Ich konnte seine Zähne aufblitzen sehen, als er lächelte. Mit einem Scharren zog er den Stuhl zurück und ließ sich darauf sinken.

Der Fremde stellte sei Glas vor sich auf dem Tisch ab. Zögernd musterte ich ihn, so gut es eben ging. Nachdem sich meine Augen an das schlechte Licht gewöhnt hatten, konnte ich ihn genauer betrachten. Er war extrem dünn, sein Oberteil hing an ihm wie ein Kartoffelsack. "Wie heißt du?", fragte er.

Zum ersten Mal fiel mir auf, wie samten seine Stimme klang. "Cora, und du?" Wie aus dem Nichts flammten die Außenlichter des Hauses auf. Für einige Sekunden war ich geblendet. "Coco?" Cale steckte seinen Kopf durch die geöffnete Tür. Ein Stirnrunzeln schlich sich auf sein Gesicht, als er den Fremden entdeckte.

"Hey, Ca." Wenn er meinen Namen abkürzte, würde ich das mit seinem auch tun. Außerdem hatte es sich gereimt, wie ich stolz bemerkte. "Jonathan, richtig?" Mit einem Kopfnicken deutete er auf Mister Unbekannt. Dieser nickte. Jetzt wusste ich also seinen Namen, aber viel mehr auch nicht. Nun ja, ich hatte bisher ja auch kaum mit ihm geredet, also war es wohl weniger verwunderlich.

"Kommst du mit tanzen?" Ich hatte zwar nicht unbedingt Lust, aber ich wollte auch nicht alleine mit Jonathan hier bleiben. Deshalb nickte ich zögerlich und erhob mich langsam. "Ich gehe dann auch mal zurück zu meiner Freundin", sagte der blonde Junge. Fast hätte ich gelacht.

Ich war mir eigentlich sicher gewesen, dass er mit mir geflirtet hatte, aber es erleichterte mich, dass dem offensichtlich nicht so war. Mir reichte mein bisheriges Liebesleben als Abschreckung. Auf weitere Erfahrungen konnte ich darum vorerst verzichten. "Lass uns gehen, Ca", sagte ich leise und ergriff seine ausgestreckte Hand. Sie fühlte sich warm in meiner an.

Normalerweise hielt ich es für ungewöhnlich, wenn zwei Freunde Händchen hielten, aber bei uns war es das nicht. Außerdem war ich mir fast sicher, dass Cale unter Alkoholeinfluss stand. Er vielleicht nicht unbedingt betrunken, aber richtig nüchtern war er vermutlich auch nicht mehr. Ich würde den Rest des Abends nicht mehr von seiner Seite weichen, damit er nicht noch mehr trinken konnte. Eigentlich hätte ich auch nicht damit gerechnet, dass er es übertreiben würde.

Warum hatte er es doch getan? Ich stupste ihn leicht mit dem Ellenbogen in die Seite. "Wie viel hast du getrunken?" Besorgt musterte ich ihn. Er zuckte mit den Schultern, und erwiderte meinen Blick: "Nicht so dermaßen viel." Ich wusste nicht, ob ich ihm das glauben sollte. Aber mir blieb wohl kaum etwas anderes übrig, denn ich konnte es ohnehin nicht überprüfen. Als wir den Flur betraten und ihn durchquerten, umklammerte er meine Hand plötzlich fester.

Verwirrt sah ich mich nach einem Grund dafür um, bis ich sie entdeckte. Zoey und Kyle standen dicht an die Wand gepresst da. Ich hatte keine Ahnung, wie ich sie bisher übersehen hatte können, aber jetzt konnte ich nicht mehr wegsehen. Verlegen schluckte ich, als ich die beiden bei ihrem leidenschaftlichen Kuss beobachtete.

Ich freute mich für sie, weshalb ich leicht lächelte, aber dann kam ich mir doch seltsam vor. Nervös zog ich Cale weiter, da ich die beiden nur ungern stören wollte. Mein Verdacht von vorhin kam wieder auf; es gab kaum eine andere Erklärung für sein Verhalten, als dass er Zoey mehr mochte, als ich gedacht hatte. Sanft aber bestimmerisch zog ich ihn hinauf in sein Zimmer.

Ich wollte unbedingt mit ihm reden, bevor ich voreilige Schlüsse zog. Als wir oben ankamen, drückte ich ihn sanft auf sein Bett. "Was ist los?", fragte ich ruhig, und sah ihn auffordernd an. Ich war seine Freundin und ich vertraute ihm. Hoffentlich tat er dasselbe. Er sah mich nicht an und ließ sich rückwärts auf das Bett fallen. Sein Seufzen erfüllte das Zimmer, während ich schwieg und auf eine Antwort wartete.

"Ich mag sie." Also hatte ich Recht behalten, auch wenn ich nicht sonderlich begeistert davon war. "Warum hast du es ihr nicht gesagt?" Er richtete sich auf und knirscht mit den Zähnen. "Sie weiß es." Ungläubig beäugte ich ihn. Es wusste also jeder, nur ich nicht? "Und was hat sie dazu gesagt?"

Ich wollte ihm wirklich helfen, vor allem weil ich wusste, wie sich unerwiderte Liebe anfühlte. Für mich waren Zoey und er da gewesen und jetzt wollte ich Cale etwas dafür zurückgeben. "Sie hat nichts gesagt." Er machte eine kurze Pause. "Also, zumindest nicht direkt." Mit gerunzelter Stirn sah ich ihn an. Ich wusste nicht, was er mir damit sagen wollte, aber ich spürte, dass er im Grunde nicht darüber reden wollte. Dazu drängen wollte ich ihn auf keinen Fall.

Cale raufte sich die Haare. Ich ließ mich neben ihn auf das Bett sinken und umarmte ihn fest. Es dauerte einige Sekunden, bis er seine Arme um mich schlang und die Umarmung erwiderte. Beruhigend strich ich ihm über den Rücken. "Was hat sie denn dann indirekt gesagt?", hakte ich nach.

Ich spürte seinen Atem in meinem Nacken, als er mir leise antwortete: "Sie hat mich geküsst."

I won't let you hurt me againWo Geschichten leben. Entdecke jetzt