Erwartetes Wiedersehen

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»Mrs. Macready«, sagte Belle erstaunt. »Schön, Sie wiederzusehen.«
»Schön und überraschend«, erklärte die Haushälterin mit einen Blick auf mich, und ich nickte ihr zu. »Kommt. Steigt auf!«
Wir taten, wie geheißen. Das Pferd wechselte in einen schnellen Trab und wir fuhren auf der Kutsche in Richtung des Anwesens vom Professor Kirke.
Belle setzte sich während der Fahrt neben Mrs. Macready und unterhielt sich fröhlich mit ihr.

Es dauerte eine Weile, bis wir am Ziel ankamen. Das Haus war immer noch prunkvoll und wunderschön. Das Gras war saftig grün und die Bäume standen in ihrer vollen Pracht. Die Kutsche hielt vor dem Eingang und Lucy und Belle sprangen als erstes hinunter. Meine kleine Schwester wollte die Hand der Königin von Narnia ergreifen, doch diese rannte an ihr vorbei, ohne sie weiter zu beachten.

Belle pov.

Ich stürmte in das Haus und rannte meinem Großvater, der am Treppenabsatz stand, freudestrahlend in die Arme.
»Schön, dich wiederzusehen«, lachte er.
Hinter mir kamen Peter, Lucy, Susan und Edmund in die Eingangshalle gelaufen.
»Die Freude ist ganz meinerseits«, antwortete ich und begann zu schluchzen. »Hast du uns kommen sehen?«
»Ich denke, wir haben uns viel zu erzählen«, meinte der Mann, ohne auf meine Frage zu antworten. Er ging voran und ich folgte ihm. Auf der Treppe blieb ich noch einmal kurz stehen und wandte mich um. Ich blickte direkt in Peters Augen und er sah mich niedergeschlagen an. Rasch lief ich weiter.

»Peter macht sich große Sorgen um dich«, erklärte mein Großvater. Wir waren in seinem Büro und er goss sich gerade Tee ein. Ich saß vor seinem Schreibtisch ihm gegenüber.
»Ich weiß …«
»Er meinte, dass du dich verändert hättest.«
Verwirrt sah ich den Professor an. »Wie meinst du das?«
Der Mann ließ sich nieder und nahm einen Schluck aus seiner Tasse. »Er hat mir einen Brief geschrieben. Der Junge ahnte, dass du zu mir kommen würdest.«
Bevor ich etwas erwidern konnte, klopfte es an der Tür. Der Mann bat um Eintreten und die Tür wurde geöffnet. Peter kam herein. Wütend erhob ich mich vom Stuhl und tat einen Schritt auf ihn zu.
»Du hinterhältiger ... Du hast kein Recht, hinter meinem Rücken Briefe über mich zu schreiben!«, brüllte ich.
»Ach nein? Du tauchst plötzlich auf, erzählst nur das Nötigste und beachtest mich nicht mehr!«, schrie er zurück.
»Aus gutem Grund!«
»Aus gutem Grund?«, wiederholte Peter wütend. »Wer ist denn verheiratet?«
»Da kenne ich noch einen!«, gab ich zurück.
»Ich bin nicht verheiratet!«, antwortete er zu meiner Überraschung. »Ich habe Nein gesagt. Deinetwegen!«
»Na na, Kinder«, sagte der Professor plötzlich. »Er macht sich doch nur Sorgen, Belle!«
»Sorgen? Er hat nicht einmal gefragt, wie es mir geht!«
»Weil das einzige, woran du denkst, die Rückkehr nach Narnia ist!«, gab Peter zu. »Alle freuen sich, dass du wieder hier bist. Du bist wie eine Schwester für uns!«
»Was zu viel ist, ist zu viel.« Ich stürmte an ihm vorbei und verließ das Zimmer.

Ich legte mich auf das Sofa im Wohnzimmer und schloss die Augen. Das Pendel der Standuhr schlug laut hin und her. Dies war aber auch das einzige Geräusch.
Warum fühlt sich alles so falsch an?, fragte ich mich.
Ich wusste, dass ich nach Narnia zurückkehren musste, aber dennoch war es nicht richtig, jetzt meine Freunde zu verlassen.
Seitdem Kaspian in Narnia aufgetaucht war, lief die Zeit parallel zu der Zeit in dieser Welt ab. Ich wusste nicht, wie viele Wochen seit dem Zauberspruch vergangen waren. Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren.
Auf einmal spürte ich einen warmen Atem in meinem Gesicht. Ich öffnete abrupt die Augen und blickte erschrocken in Lucys Gesicht.
»Wollen wir irgendetwas spielen?«, fragte sie mich wie ein kleines Kind.
»Tut mir leid, Lu, aber ich habe etwas besseres zu tun, als mich zu verstecken, einem Ball hinterher zu rennen oder anderes Zeug zu praktizieren.«
Enttäuscht ging die Dreizehnjährige davon. Dafür kam Peter ins Zimmer. Ich winkelte meine Beine an und er setzte sich auf die freie Fläche von dem Sofa.
»Warum bist du so?«, wollte er wissen, ohne mich dabei anzusehen. »Wieso benimmst du dich so ihr gegenüber? Oder bei den anderen? Sie lieben dich und sie brauchen dich. So, wie du sie brauchst. Sie sind deine Familie.«
Meine Familie ... Darüber hatte ich noch nie so wirklich nachgedacht.
Ich antwortete nicht. Auch nicht, als er seinen Kopf zu mir drehte und mir in die Augen schaute. Seine tiefblauen Augen zogen mich in eine Art Trance, und hastig wandte ich mich ab.

Die Chroniken von Narnia - Die Rückkehr || Band 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt