4. Kapitel

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Snape verlor den Verstand, vergaß alles um sich herum und fühlte nur noch. Es war wie ein Rausch oder als befände er sich in einem Traum. Doch der Professor war sichergegangen, dass ihm der Feuerwhiskey keine Streiche spielen würde. Mit einem Gegentrank hatte er dafür garantiert, dass er nicht die Kontrolle über die Situation verlieren würde. Wie sehr hatte er sich dabei nur getäuscht!

Die Realität holte ihn mit jeder ihrer Berührungen ein. Es war Granger, die ihn umklammerte. Es war Granger, die er da küsste. Es war Granger, der er sich völlig schutzlos auslieferte.

Er keuchte und stieß sich zurück. Taumelnd, als hätte man ihm wahrlich den Verstand geraubt, kämpfte er dagegen an, um wieder zu Sinnen zu kommen.

Sie zeigte sich verwirrt. Snape fuhr sich entrückt die verklebten Haarsträhnen aus der Stirn. Er versuchte, ihren fragenden Blick auszuweichen, hoffte, wieder die Kontrolle über sein Verhalten zurückzugewinnen.

Als sein Wortloszauber misslang, hätte er sich nicht armseliger fühlen können. Er wollte allein in Gedanken seinen Zauberstab in die Hände hexen, doch ihm fehlte offenbar die nötige Konzentration dafür. Noch armseliger wurde es, als Snape auf die Knie ging, um ihn mühsam aufzuheben. Er hätte nicht tiefer sinken können. Nachdem er sich aufgerafft hatte, strich er abermals über seine weite Lehrerrobe. Der klägliche Versuch, wieder die Contenance zu wahren.

Was machte er sich da überhaupt vor? Gerade hatte er eine Schülerin geküsst. Was sollte noch passieren? Er wunderte sich, dass sich noch nicht der Abgrund unter ihm aufgetan hatte. Und er hatte nichts besseres zu tun, als sich darüber Gedanken zu machen, was für ein Bild er abgab?

„Bin ich recht in der Annahme, dass sie sich in der Anwendung von Obliviate-Zaubern auskennen?" Seiner Worte fehlte die typische Schärfe. Als er jedoch ihren verletzten Blick wahrnahm, wusste er, dass sie ihre Wirkung nicht verfehlt hatten. „Wir werden ihn gleichzeitig sprechen müssen. Also zücken Sie ihren Zauberstab, Miss Granger. Bei Drei beginnen wir."

„Ist das wirklich ihr Ernst?" Ihrem Ausdruck nach, schien Granger fassungslos. 

„Uns ist doch allen klar, dass das hier niemals möglich ist. Es eine Dummheit war, überhaupt..."

 Doch Granger bewies die Frechheit, ihn einfach zu unterbrechen. „Das werde ich nicht tun." 

Er verharrte in seiner Position, den Zauberstab erhoben. Hermine Granger hatte eine Gabe dafür, ihn aus der Fassung zu bringen.  „Doch das werden Sie, Miss Granger!", sagte er bestimmt. Nach außen hin schien er ganz ruhig, in seinem Inneren wütete dagegen ein Sturm.

„Sie können mit ihren Erinnerungen machen was Sie wollen. Sperren Sie ihre Gefühle weg, bis nichts mehr von Ihnen übrig bleibt...aber ich werde diese Erinnerung behalten."

„Ich hatte mehr von Ihnen erwartet," versuchte es Snape mit einer anderen Methode. „Ich war davon ausgegangen, dass sie so viel Verstand hätten, um zu verstehen, dass diese Verbindung zwischen uns niemals möglich ist. Und selbst wenn es nur diese eine Erinnerung ist." 

Doch Granger wich seinen Blick nicht aus, zeigte nicht einen Anflug von Verletzlichkeit.

„Nein, Professor Snape. Sie haben mich enttäuscht!", ihre Worte trafen ihn unerwartet hart. „Sie machen sich selbst etwas vor. Aber klären Sie mich doch auf. Warum sollte es Ihrer Meinung nach nicht möglich sein?"

Snape schwieg. Viel zu lange. Ihm fehlten die Worte. Und es wurmte ihn, dass er sich diese Blöße gab. Granger mit ihrer verdammten, gryffindorschen Aufrichtigkeit! Sie nahm ihm den Wind aus den Segeln! Verflucht sei Sie! 

Dann setzte er doch zu einem Erklärungsversuch an: „Sie sind meine Schülerin..."

„Ich war Ihre Schülerin, bis zum heutigen Tag!", Hermine  ignorierte offenbar Snapes finsteren Blick, der es absolut nicht leiden konnte, von ihr unterbrochen und noch dazu berichtigt zu werden. Was für eine Frechheit!

„Sie sind viel zu jung..."

„Ich bin sowohl vor dem magischen Gesetz, als auch unter Muggeln volljährig!"

„Sie sind Gryffindor..."

„Ach kommen Sie, jetzt machen Sie sich aber selbst lächerlich...!"

„Sie sind der Inbegriff von Gutmütigkeit, Regelbesessenheit und Tugenhaftigkeit!"

„Ich habe meinen Lehrer geküsst."

„Sie sind..."

Snape verlor den Faden. Er konnte es nicht fassen. Was tat er da? Diskutierte er tatsächlich mit Granger darüber, warum er nicht der geeignete Liebespartner für sie war? Wohin verdammt nochmal, hatte ihn dieser verrückte Morgen getrieben?

„...und ich will es wieder tun", wisperte Hermine. Der Kampfgeist in ihren Augen war zurückgekehrt. „ihn küssen. Wenn er mich nur lässt." Sie trat einen Schritt auf ihn zu. Snape schluckte schwer.

„Sie müssen verstehen...dass ich meine Prinzipien habe.", wich er geradezu kleinlaut aus. In diesem Moment fragte er sich, wo die furchteinflößende Fledermaus aus den Kerkern denn auf einmal geblieben war.

„Und wohin haben sie ihre Prinzipien gebracht? Ein Leben, in dem sie sich vor allem zurückziehen, was ihnen zu nahe kommt?"

„Wissen Sie was, Miss Granger?". Er hatte es satt. „Sie sind eine unerträgliche Besserwisserin!"

„Ich weiß!" Ein siegessicheres Lächeln stahl sich auf Hermines Gesicht. In diesem Moment wusste Snape, dass sie gewonnen hatte.

Wortlos trat er ans Fenster der Eulerei. Die Sonnenstrahlen brachen sich einen Weg durch die Wolken und kündigten den neuen Tag an. Bald würden die Abschlussschüler durch die Gänge eilen, sich von ihren Freunden verabschieden und in ein neues Leben aufbrechen. Er spürte, wie Hermine Granger neben ihn trat und ebenso schweigend hinaus auf die Ländereien blickte.

Für einen Augenblick ließen sie beide den Moment auf sich wirken. Jeder hing seinen Gedanken nach.

„Ich bin nicht gut in diesen Dingen...", versuchte es Snape erneut. Doch eine zierliche Hand ergriff die seine.

„Das spielt keine Rolle."

Etwas Neues würde beginnen. Ein Leben, dass er sich selbst in seinen kühnsten Träumen niemals vorstellen hätte können. Ein Leben an Hermine Grangers Seite. 


-ENDE-


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Danke, dass ihr die Geschichte bis zum Ende verfolgt habt. 

Ich würde mich freuen, von euch ein Feedback zu bekommen, ob euch die Geschichte gefallen hat. Für konstruktive Kritik bin ich auch sehr offen :)

Liebe Grüße

Eure Rena, die Schicksalsweberin!

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