3. Kapitel

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„Miss Granger." Seine Worte brachen voller Härte aus ihm heraus. „Mitkommen!" 

Hermine war sich sicher, dass er auch dieses Mal keine Widerworte dulden würde. Als Snape an ihr vorbeirauschte, um in die Eulerei einzutreten, bauschte sich seine schwarze Lehrerrobe geradezu bedrohlich hinter ihm auf. Er hatte sie nicht einmal angesehen. Hermine zögerte für einen Moment, versuchte den Kloß in ihrem Hals hinunterzuschlucken. Vielleicht hatte sie sich getäuscht, aber sie hätte schwören können, dass ihn eine Duftwolke Feuerwhiskey umgeben hatte.

Die Eulerei begrüßte sie gespenstisch ruhig. Die wenigen anwesenden Eulen schliefen friedlich in ihren Nestern und ließen sich auch nicht von den Neuankömmlingen stören. Snape hatte ihr den Rücken zugekehrt. Hermine wappnete sich, rechnete fest mit einem Donnerwetter. Doch stattdessen – Stille. 

Sie schluckte schwer. Die Sekunden verstrichen und Snape stand einfach nur da. Als sie es kaum mehr aushalten konnte und sich schließlich doch dazu entschied, zuerst das Wort zu ergreifen – was sie genau sagen würde, wusste sie noch nicht - da kam Snape ihr zuvor.

„Verraten Sie mir eins, Miss Granger," sagte er ruhig, doch undurchdringbare Kälte stieß Hermine regelrecht entgegen, ohne dass sich Snape umdrehen musste. „Was war der Einsatz dafür? Wie viel wurde Ihnen dafür geboten?" 

Sie verstand nicht. Stirnrunzelnd versuchte sie sich etwas herzuleiten, irgendetwas was sie mit diesen Worten anfangen sollte. Doch sie kam nicht drauf. 

„Bitte, Sir? Ich verstehe nicht. Was meinen Sie?" 

Erst jetzt wandte er sich um. Snapes Augen bohrten sich regelrecht in sie. Wahrscheinlich wäre es doch besser gewesen, er hätte ihr für immer den Rücken gekehrt.

„Die Wette, die sie dazu veranlasst hatte, das zu tun was sie getan haben. Lassen sie mich raten, Miss Granger. Ich tippe doch sehr stark auf die Weasley-Zwillinge? Oder war es möglicherweise doch das Wiesel, dass zu ihren besten Freunden gehört?" 

Das saß. Aber was hatte sie auch erwartet? Es war Severus Snape, der da vor ihr stand und die Luftschlösser, die sie in ihren Träumen erbaut hatte, waren nichts als idiotischer Unfug. Eine Schwärmerei für einen Mann, den es in der Realität niemals geben würde. Snape war beleidigend, Snape war kaltherzig und er war mit Sicherheit niemand, der in diesem Moment das nötige Feingefühl besaß. 

In ihrer Stimme war nichts mehr von der Gryffindor-Löwin übriggeblieben. „Das glauben Sie von mir?" Es kostete sie viel Kraft, dass ihre Stimme nicht brach. „Dass es ein dummer Scherz ist? Dass ich es wegen irgendeiner kindischen Wette getan habe? So sehen Sie mich?" 

Es schmerzte. Die Erkenntnis, welches Bild ihr Professor von ihr hatte, verletzte sie. In seinen Augen musste sie ein Kind sein, dass nach all der Zeit und den Schrecken Voldemorts, nach allem was sie durchgemacht hatte, zu solchen Scherzen aufgelegt war. Hermine war jedoch nie jemand gewesen, der sich auf Kosten anderer einen Spaß erlaubte. 

Für einen Moment schien Snapes Blick entrückt. Als hätte ihn irgendetwas verunsichert oder schlagartig aus dem Konzept gebracht. Doch der Augenblick war so schnell verflogen, wie er gekommen war. „Machen Sie sich nicht lächerlich...Miss Granger!" 

Dafür musste sie Snape eins auf jeden Fall lassen. Er dagegen war wahrlich ein Meister darin, Andere zu verletzen. Vielleicht war es dieser Schmerz, den sie nicht ertrug. Oder aber ihre Art mit schwierigen Situationen umzugehen. Doch irgendetwas lösten seine kränkenden Worte in ihr aus. Sie würde sich nie wieder klein machen lassen von ihm. Nicht nach allem, was sie erlebt hatte. Sie war lange nicht mehr das kleine, eingeschüchterte Mädchen, das sich auf der Schultoilette versteckte, weil die Leute gemein zu ihr waren. 

„Ich bin es nicht, der sich lächerlich macht!" Ihre Worte strotzten vor Stärke. Nichts und niemand würde ihr das wieder nehmen können. „Sie verstecken sich hinter ihrer Boshaftigkeit, nur weil es sie überfordert und sie zu feige sind..."

„GENUG!" Sein Brüllen ließ sie verstummen. Jetzt hatte auch die letzte Eule von dem Schauspiel, dass sich dort unten in der Eulerei abspielte Wind bekommen. Ein letztes Flügelflattern und sie waren allein. Aber für Hermine war es zu spät die Flucht zu ergreifen.

 Vielleicht war sie zu weit gegangen, schoss es ihr kurz durch den Kopf. Snape brauchte für gewöhnlich nicht mehr, als seinen strafenden Blick, um Andere einzuschüchtern. Man kannte beide Seiten von ihm, das ruhige Bedrohliche oder schneidend Sarkastische, aber auch seine impulsive Art. Er war durch und durch gefährlich. Niemand, mit dem man sich anlegte. Doch so wütend wie jetzt, hatte sie ihn noch nie erlebt. 

„Zügeln Sie ihre Zunge, ehe ich mich versehe!", spie er ihr zornentbrannt entgegen. Er hatte die kurze Distanz überwunden. Mit gezücktem Zauberstab an ihrer Schläfe stand er ihr plötzlich viel zu nah. Sie spürte seinen aufgebrachten Atem, sah seinen flackernden Blick und seine zitterte Hand. Und tatsächlich roch er nach Feuerwhiskey, wirkte jedoch nicht betrunken. 

„Und was dann?", flüsterte sie und fokussierte sich darauf, ja nicht seinem Blick auszuweichen. „Wollen sie mich dann verhexen?" Provokant reckte sie das Kinn. „Das hatten schon einige versucht. Nur zu!" 

Noch immer spürte sie seinen Zauberstab an ihrer Schläfe und seinen bedrohlichen Blick auf sich. Hermine war außer Stande sich zu bewegen. Sie traute sich kaum, zu atmen. Die Sekunden verstrichen und nichts geschah, während Snape sie weiter nur anstarrte. Es schien, als würde die Luft zwischen ihnen flirren. Eine Spannung, die fast nicht auszuhalten war. 

Plötzlich nahm sie wahr, wie sich seine Stirn auf die ihre legte und schloss die Augen. Er hätte ihr in diesem Moment kaum näher sein können. Hermine hielt die Luft an, außerstande sich zu rühren. Sie konnte nicht fassen, was da eben passierte. Sein Atem wollte nicht zur Ruhe kommen. Snape schien weiter aufgebracht. So wie das Pochen ihres aufgewühlten Herzens, das wild gegen ihre Brust trommelte. 

„Das sollten Sie nicht tun..." Es war das verletzliche Flüstern eines Mannes, der sie vor wenigen Sekunden noch angebrüllt hatte. Er hatte die Fassung verloren. Die blanke Überforderung schwang in seiner Stimme mit. 

Langsam hob Hermine ihre Hand und legte sie behutsam auf Snapes Wange. Da war er wieder - ihr Gryffindormut. Mit aller Kraft, versuchte sie das aufgeregte Pochen ihres Herzens weiter zu ignorieren.

 Snape sah nicht auf, hielt seine Stirn immer noch an die ihre und wehrte sich nicht gegen die sanfte Berührung. Sie holte tief Luft, um dann flüstern zu erwidern: „Das spielt keine Rolle, Sir. Ich will es so." 

Vielleicht war das der letzte Stein, der die Mauer zum Einsturz brachte. Doch ehe sie sich versah, fiel sein Zauberstab scheppernd zu Boden und mit ihm der letzte Funken Widerstand in sich zusammen. Augenblicklich zog er sie an sich. Die Lippen wie ein Ertrinkender auf sie gedrückt, um sie in einen leidenschaftlichen Kuss zu ziehen. 

Und die Welt stand auf einmal still. Nichts war mehr von Bedeutung. Nur dieser eine Moment zählte. 

MorgengrauenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt