Kapitel 43 - Zweifelnder Mord

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Damien's Sicht:

Der Regen durchnässte meine Kleider unaufhörlich, sodass sie mir wie eine Last am Körper klebten. Genervt stöhnte ich leise auf und beschleunigte meine Schritte, nachdem meine Haare mir wieder einmal in die Stirn fielen. Durch die nassen Tropfen, die meinen Körper mittlerweile übersähten, fühlte sich der Wind noch eisiger an. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und rieb mir mit schnellen Bewegungen über die Haut, an der mein T-Shirt endete.

Wie ich dieses ständig wechselnde Wetter hasste.

Der Platzregen kam aus dem Nichts und hatte mich überrascht, als ich gerade im Park joggen war. Gefrustet rannte ich nun durch die Seitengassen, die von Pfützen nur so wimmelten, bis ich endlich die Fassaden unseres Hauses vor mir erkennen konnte.

Als ich die Haustür erreichte, schüttelte ich ein letztes Mal die kühlen Regentropfen aus meinem zerzausten Haar und schloss dann mit zitternden Fingern die Tür auf.
Ich genoss die Wärme, die mir entgegen strömte und hinterließ eine Spur aus Matsch und Nässe auf dem Fußabstreifer, als ich eintrat.

Ich wollte gerade die Treppe hoch in mein Zimmer erklimmen, als ich ein leises, kaum merkliches, aber dennoch vorhandenes Schniefen vernahm. Ich wandte meinen Kopf nach rechts und bemerkte die zarte Silhouette meiner Mutter auf dem Sofa. Sie hatte die Hände in den Schoß gelegt und ihre Haltung war angespannt, aber dennoch wirkte sie schwach, beinahe zerbrechlich.

Ein unheimliches Gefühl schlich sich bei mir ein und ich zuckte ein wenig zusammen, als sie erneut nach dem Taschentuch vor ihr griff. Mit vorsichtigen Schritt steuerte ich auf sie zu, bis ich genau vor dem Wohnzimmertisch stehen blieb und in die Hocke ging um auf Augenhöhe mit ihr zu sein. Sie bemerkte mich zwar, denn ihre Schultern entspannten sich ein wenig, blickte jedoch nicht zu mir auf. Stattdessen fixierte sie das Taschentuch in ihrer Hand, die Augen waren unnatürlich geweitet, ihr Blick vollkommen leer und erstarrt.

Eine eisige Kälte wie vorhin legte sich um meine Schultern und der Anblick meiner Mutter schockierte mich zutiefst.

"'Mum?", flüsterte ich leise, meine Stimme bebte vor Entgeisterung.
Sie zeigte keinerlei Reaktion und eine seltsame Verwirrung vermischt mit einer dunklen Vorahnung schlich sich in meine Gedanken. "Mum?", sagte ich noch einmal, diesmal etwas lauter, bestimmter.

Für einen kurzen Augenblick, nur einen Wimpernschlag lang, sah sie zu mir auf und die Trauer in ihren Augen glich einem Schlag in meine Rippen. Sofort wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Noch nie zuvor hatte ich meine Mutter so gesehen, so niedergeschlagen, so verloren.
"Was ist denn los?", murmelte ich und legte noch immer kniend meine Hand auf ihren Oberschenkel. Sie schüttelte sanft den Kopf und sank zurück in das Sofa. Ihre geröteten Augen waren leicht geschwollen und immer wieder flossen ihr Tränen über die Wangen.

"Verdammt noch mal! Was ist passiert?", rief ich und war überrascht von meiner eigenen Härte. Aber die Angst, die sich immer stärker in mir aufbaute, drohte mich zu übermannen und dieses Gefühl suchte nun seinen Weg an die Oberfläche. Meine Mutter zuckte zusammen, aber es schien auch eine Art Weckruf für sie zu sein, denn erstmals öffnete sie den Mund um stotternd etwas zu sagen. "D...ein." Die Vorahnung, die schon soeben vorhanden war, wurde nun immer stärker mit jeder Sekunde, die verstrich.

"Vater", vollendete sie und schniefte erneut laut auf. "Was? Was ist mit ihm?", schrie ich nun deutlich lauter und aus purer Verzweiflung und Unverständnis zitterte meine Stimme. Erneut schüttelte sie den Kopf und schloss die Augen als weitere Tränen ihren Weg an die Oberfläche suchten. Ich erhob mich reflexartig und stolperte mit schnellen Schritten um den Tisch herum, dann ließ mich auf den freien Platz neben meiner Mutter fallen. Zärtlich legte ich ihr einen Arm um die Schulter und drückte sie an meine Brust, wobei sie sich weinend an mich schmiegte. Die Tränen durchnässten langsam mein T-Shirt aber ich kümmerte mich nicht darum, sondern versuchte den aufkommenden Schmerz zu unterdrücken.

"Er ist tot.", presste sie mit einem Mal zwischen mehreren Weinkrämpfen hervor und ich hielt kurz inne, wartete mit angehaltenem Atem. Es dauerte eine ganze Weile bis die Worte wirklich zu mir durchsickerten, denn alles in mir sträubte und wehrte sich dagegen das hinzunehmen, es zu akzeptieren, dass mein Vater für immer von uns gegangen war. Vor meinem inneren Augen tauchten unbewusst Bilder auf, Bilder von meinem Vater und ich versuchte mich zwanghaft daran zu erinnern, was meine letzten Worte an ihn waren.
Meine Mutter löste sich von mir und sah mich an, als erwarte sie irgendeine Reaktion von mir, Tränen oder etwas in der Art. Aber alles was ich tun konnte, alles was ich sagen konnte, war:

"Wie?"

Meine Stimme zitterte und ein leicht wütender Unterton in meiner Stimme schwang in diesem Wort mit, das mich so viel Kraft kostete. Die Augen meiner Mutter wurden groß und glasig, aber ich sah, dass sie sich zusammenriss um stark zu bleiben und nicht wieder zu weinen.
"Ein Unfall...auf der Arbeit", murmelte sie leise mit dünner Stimme.
"haben sie gesagt."

Das Blut schoss mir in den Kopf und mir wurde plötzlich ganz heiß. Ein Unfall? Mein Vater arbeitete als Elektriker und ein gewisses Risiko bestand immer bei der Arbeit mit Hochspannungsleitungen, aber trotzdem erschien mir der Gedanke, mein Vater könnte auch nur für einen winzigen Augenblick unaufmerksam gewesen sein, unwirklich. Ich nickte verständnisvoll und hielt den Mund, um meine Mutter nicht zu beunruhigen, aber in meinem Inneren überschlugen sich meine Gedanken.

Noch vor wenigen Wochen hatte mein Vater meinen Bruder und mich in seine Arbeit mit den Vampiren dieser Stadt eingeweiht und nach dem Lesen einiger Lektüren hatte ich seiner Theorie Glauben geschenkt. Er war nie der Typ für Lügen gewesen und hätte er scherzen wollen, dann würde er sich weitaus Glaubwürdigeres einfallen lassen. Und nun sollte er bei einem Arbeitsunfall ums Leben gekommen sein? Mich überfiel das beunruhigende Gefühl dass viel mehr seine Arbeit mit den Vampiren zu seinem Tod geführt hatten. Entrüstet erhob ich mich und ballte die Hände unbewusst zu Fäusten.
Wieso hätte er es nicht einfach gut sein lassen können? Dann wäre das alles nicht passiert und er wäre noch am Leben. Verzweifelt lehnte ich mich gegen die Wand und stützte meinen Kopf dagegen. Meine Mutter beäugte mich kurz misstrauisch, widmete sich aber wieder ihrem Taschentuch.

Ein Vampir hatte meinen Vater ermordet, so musste es einfach sein! Mit einem Mal verspürte ich einen abgrundtiefen Hass, der mich beinahe verzehrte.

"Wo ist Alec?", rief ich aus einer plötzlich Eingebung heraus. Meine Mutter machte eine leichte Kopfbewegung nach oben und ließ sich dann wieder zurück fallen.

"Weiß er es?", murmelte ich, aber meine Mutter verstand es dennoch.

Sie zögerte kurz, doch dann schüttelte sie langsam, immer wieder schniefend den Kopf.

Wie von der Tarantel gestochen, griff ich nach dem Geländer und stürmte hinauf zu meinem Bruder.

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Und? Was denkt ihr wird kommen?

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Ideen?

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