Kapitel 6 - Lektionen

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Mit zusammengepressten Lippen und schwerem Atem, wischte ich den resistenten Staub von den eingravierten goldenen Buchstaben. Es dauerte eine Weile, bis sie lesbar waren, doch dann traf mich die Erkenntnis mit voller Wucht.

Ich traute meinen Augen kaum. Ich wünschte mir in diesem Moment so sehr, das alles wäre bloß ein alberner Traum, aus dem ich jeden Moment erwachen könnte, doch ich musste entsetzt feststellen, dass das nicht die Wirklichkeit war. Es war die Realität, in der sich ein Buch mit der Aufschrift:

"Die Lehre vom Verborgenen - Band 3" in unserem Keller befand. Ich wusste vom ersten Moment an, vom ersten Blick an genau, was ich in diesem Buch finden würde und mein Magen krampfte sich zusammen.

Ich schluckte schwer als ich an den Klang des Wortes dachte, als Damien es zum ersten Mal aussprach. "Ich bin das Monster", hatte er gesagt.

"Monster", immer wieder hallte dieses Wort in meinem Gedächtnis und ich wurde mir immer bewusster über die Bedeutung dieses Wortes. Das Wort gehörte fast schon zu mir. Es war ein Teil meines Lebens geworden, so oft wie ich es in letzter Zeit gehört hatte und es verfolgteverfolgte mich wie einen Albtraum.

Doch jedes Mal aufs Neue versetzte es mir einen Stich in der Magengrube und es war verwunderlich, wie so wenige aneinandergereihte Buchstaben so eine gewaltige Bedeutung haben könnten. Wie ein Bombe reist es alles mit sich, alle Vorstellungen, alle Hoffnungen.

Meine Finger strichen noch immer über den weichen Rand des Buches, bis ich entschlossen die erste Seite aufschlug. Meine Neugier überwiegte erneut und mir war durchaus bewusst, dass ich es bereuen würde, nicht mal einen kurzen Blick hineingeworfen zu haben.

Zu meiner Überraschung wirkte es auf den ersten Blick wie ein stinknormales Buch.  Jedoch mit dem winzigen Unterschied, dass es ein Buch über Vampire war. Blutsaugende Monster. Bestien. Das waren die meisten Bezeichnungen für die Artgenossen Damiens, was ich noch immer nicht wirklich in meinen Kopf bekam.

Damien, einer von ihnen. Das wird mir wohl niemals bewusst werden.

Mit schwarzer Schrift auf weißem Grund, sah es fast wie ein Schulbuch aus. Doch an Schule konnte ich im Augenblick überhaupt nicht denken, dafür passierte viel zu viel um mich herum.

Wie üblich fiel mir zuallererst das Inhaltsverzeichnis ins Auge. Systematisch geordnet erhielten die einzelnen Kapitel merkwürdige Namen wie "Lehre der Anatomie", "Physische Eigenschaften" und "Psychisches Verhalten".  Ich schüttelte mich bei dem Gedanken, wie die Autoren das alles herausgefunden hatten.

Bei der Überschrift: "diverse Vernichtungsmöglichkeiten" lief mir ein kalter Schauer über den Rücken. Ich zitterte am ganzen Körper und es fühlte sich an, als strich ein sanfter Wind um meine Schultern und Wangen, der mich ganz umhüllte.

Im Stillen sah ich mich um. Ich starrte auf die weiße, kahle Wand die im warmen Licht der Kronleuchters einen recht freundlichen Eindruck hinterließ. Doch es war bloß Schein. Äußerlich strahlte sie aufgrund des Lichtkegels Harmonie und Wärme aus, doch eigentlich war sie eine kalte, weiße Wand. Ohne Leben. Kalt und fast schon tot.

Langsam färbte diese Kälte auf mich ab und ich fragte mich, ob Damien nicht genau so war. Äußerlich wirkte er noch immer warmherzig und liebevoll, doch woher wusste ich ob er nicht genauso kalt und tot im Herzen war, wie diese Wand. Der Gedanke bereitete mir solche Angst, dass ich mich umdrehte um mich zu vergewissern, dass ich noch immer allein in dem Raum war. Aber die Kälte um mich herum blieb.

Schließlich brachten mir die ganzen Vermutungen aber überhaupt nichts. Die einzige Möglichkeiten um meinen zahllosen Fragen nachzugehen war dieses Buch, denn im Gegensatz zu Damien war es hier.

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