Kapitel 2

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Die Kluft war eindeutig, vor ihm war kein normaler Mensch. „Bring es schnell hinter dich", sagte er schließlich und schloss die Augen. Adrian hatte nicht die Kraft sich zu wehren, der Blutverlust war zu hoch. Langsam setzte er sich und wartete darauf, dass dieser Mann sein Leben beendete.

„Nähre dich", erklang die Stimme und er schaute überrascht auf. Der Jäger hielt ihm einen Hasen entgegen, der erst vor kurzem den letzten Atemzug getan hatte. Sofort ergriff Adrian das Tier und schlug seine Fänge in dieses, um sich von dessen Lebenssaft zu ernähren. Währenddessen stapelte der Jäger einige Holzscheite und entzündete ein kleines Feuer.

Adrian spürte, wie das Blut die Wunde an seinem Bauch schloss und den Hunger etwas linderte. Dennoch glich es nicht vollends den Blutverlust aus. Er schaute auf den Hasen, der in seinen Armen lag.

Der Jäger schaute zu dem Vampir, sah, dass dieser die Stirn auf das Tier legte und mit der sinnlichen Stimme flüsterte: „Ich danke dir für dein Opfer und halte es in Ehren." Er dankt dem Tier? Seine Vermutung bestätigte sich in diesem Augenblick. Er ist also vom Stamm, die sich nur von Tieren ernähren.

Adrian hob die Hände und hielt ihm den Hasen entgegen. „Sein Fleisch gehört dir, verschwende es nicht, denn es ist für uns beide gestorben." Diese Worte überraschten den Jäger erneut und so griff er nach dem Tier, um es zu zerlegen und über dem Feuer zu braten.

„Wie ist dein Name und weshalb verschonst du mein Leben?"

Zum ersten Mal schaute ihm der Jäger richtig in die Augen und es war, als würde er bis auf den Grund seiner Seele schauen. „Mein Name ist Cane. Ich gehöre, wie du vermutest, einem Clan an Jägern an. Doch nicht dem, dem dieser Wahnsinnige da draußen folgt. Wir richten nur über Vampire, die Menschen getötet haben."

Cane sah in die Augen des Vampirs, die ihn abschätzten. „Ich danke dir, dass du mein Leben gerettet hast, und hoffe, dass ich diese Schuld begleichen kann. Ich werde mich nun in der Grotte am Ende der Höhle waschen." Er wollte das Blut loswerden.

„Ich werde dich begleiten", erwiderte Cane und erhob sich mit einer Fackel, wobei Adrian die seltsame Bewegung und Haltung seines rechten Beines auffielen. Adrian sagte nichts, lief in die Richtung der Grotte. Es war nur ein kleiner See keine zwei Meter breit. Zahlreiche Tropfen fielen von der Decke der Höhle, das einzige Geräusch neben dem Atem und dem Herzschlag des Jägers.

Adrian zog sein blutiges Oberteil aus und tauchte es in das kalte Wasser. Dann begann er seinen Oberkörper mit dem nassen Stoff abzuwischen. Die Wunde am Bauch hatte sich zwar geschlossen, doch die Narbe war frisch, würde zum Ausheilen brauchen. Dann tauchte Adrian mit der Hand in den See und trank von dem frischen Wasser.

Cane beobachtete den Vampir und wurde ruhiger. Er macht nicht den Eindruck, als wolle er mich angreifen. Er wusste nicht, warum, doch seine Instinkte sagten ihm, dass dieser ihn nicht angreifen würde. Wie dem auch sei, er darf nicht sterben, sonst wird ein weiterer Krieg ausbrechen. Kristallblaue Augen schauten ihn an, fesselten ihn.

Langsam stand Adrian auf, legte die Hand an die Wange des Jägers. „Du weißt, wer ich bin, nicht wahr?"

Der Mensch sagte nichts, doch sein Blick verriet ihn. „Lass uns zum Feuer zurückkehren", sagte Adrian und Cane folgte ihm. Sie setzten sich wieder an das Feuer.

„Ihr brecht am besten bei Morgengrauen auf. Ich werde Euch bis zur Grenze begleiten, um sicherzugehen, dass Ihr gesund nach Hause gelangt", sagte Cane. Er versuchte sich davon abzuhalten, den Mann vor sich länger zu betrachten, doch es fiel ihm schwer. Die helle, perlmuttfarbene Haut, die ihn an die Schale von Muscheln erinnerten, zog ihn an. Seine Augen waren wie zwei Saphire, nur heller, als würden sie das Licht brechen. Dann die Lippen, ein sanftes Rosé, das wie Seide glänzten, und vermutlich waren sie auch so weich wie diese. Alles in allem, Adrian war eine einzige Verführung.

Erneut drang der sinnliche Geruch in Adrians Nase, der ihn aus dem Konzept brachte. Dann nahm er den beschleunigten Herzschlag des Menschen wahr. Er duftet wie Nachtschatten – süß und doch so giftig. Seine Sinne schärften sich und ein Knurren entkam ihm.

Cane schaute zu dem Vampir, der plötzlich nah war. Erneut spürte er die Finger an seiner Wange. „Vampire ernähren sich von Blut. Sie locken ihr Beute mit ihrem Aussehen, ihrem Duft, ihrer Stimme. Alles an mir ist geschaffen, um dich zu locken, dich zu verführen, damit ich das erhalte, was mein Körper braucht." Adrian kam nahe, sein Gesicht war wenige Millimeter von Canes entfernt.

Cane nahm einen sinnlichen Duft wahr, war wie hypnotisiert. Man hatte ihn lange trainiert, hatte ihn abgehärtet, damit er jeglichen Lockversuchen von Vampiren widerstand. Keiner hatte ihn bisher verführen können, doch dieser Mann vor ihm war anders. Weshalb?

„Du riechst wie Nachtschatten, Cane", flüsterte dieser. Sanft spürte er den Atem von Adrian an seiner Kehle, doch er berührte ihn nicht. Stattdessen zog er sich zurück. Cane spürte, wie die warmen Hände unter sein Oberteil fuhren, es auszogen und seine Hose folgte. Er wusste nicht, weshalb er sich nicht wehrte, doch er war wie gebannt von den kristallblauen Augen. Adrian beugte sich über ihn und er sah, dass der Vampir in seinen eigenen Daumen biss. Diesen führte er zu Canes Lippen und strich über dessen Lippen, sodass es an diesen haften blieb. Dann beugte er sich vor und schenkte dem Jäger einen blutigen Kuss. Ein brennender Geschmack legte sich auf Canes Zunge.

Adrian löste sich und keuchte. Verdammt. Seine Augen glühten. „Du weißt, wer ich bin, Mensch. Weißt du, was passiert, wenn Menschen das Blut von Vampiren trinken? Für manche ist es berauschend, bei manchen passiert nichts, doch das gilt nur für gewandelte Vampire. Ich bin kein gewandelter Vampir, ich wurde geboren. Ich entstamme einer langen Linie an reinblütigen Vampiren, also ist mein Blut rein."

Die Worte drangen an Canes Ohren, während sich die Hitze durch seinen Körper ausbreitete. Er verfolgte, wie der Vampir sein Bein anhob und mit seinen Lippen zu seinem Knie wanderte. Auf diesem prangte eine große Narbe von einer Verletzung, die er auf der Jagd erlitten hatte. Die Lippen hielten an dieser Stelle inne und küssten sie. Er spürte, wie sich in seinem Knie ein Feuer ausbreitete und keuchte. Es begann zu knacken und knirschen. Die kaputte Kniescheibe und Bänder begannen sich zu regenerieren, die Narbe verschwand.

„Als Prinz der Vampire und geborener Vampir ist mein Blut mächtig. Ich kann die Wunden eines jeden heilen, sofern sie von meinem Blut gekostet haben", erklang die sinnliche Stimme des Vampirs. Die Schmerzen, die Cane täglich bei jedem Schritt gespürt hatte, waren verschwunden. „Doch das geschieht nur durch meinen Willen. Es bringt dir nichts, mein Blut zu trinken, denn es würde dich nur vergiften."

Jedes Wort entfachte weiter das Feuer, das in Canes Körper brannte. Adrian kam ihm erneut nahe, ihre Lippen nicht weit entfernt. „Das ist mein Dankeschön an dich, Cane", flüsterte er.

In diesem Moment wusste Cane, dass sich Adrian zurückziehen würde. Dieser Vampir würde ihn nicht beißen, würde ihm nichts tun. Nein. Seine Hand schnellte nach vorne und zog den Mann über sich an seine Lippen.

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