Es war eine Selbstverständlichkeit, dass sie ihm nicht über den Weg traute. Eine Partnerschaft zwischen Gaunern war nie wirklich partnerschaftlich. Das wusste Nonie und sicherlich auch er. Ohne die Kultisten, hätte sie ihn hängen lassen und seine Worte unbeeindruckt ignoriert. Sie hätte ihm ein Knie ins Gesicht gerammt und sich irgendwie befreit. Ihrer Erfahrung nach, war es selten von Vorteil, sich mit einem fremden Dieb, während eines bereits laufenden Jobs zu verbünden. Ihrer beider Essenz bestand aus dem entschiedenen Vorhaben andere zu bestehlen, anzulügen und zu hintergehen. Weshalb sollten sie es mit einem Fremden, der noch dazu die größte Konkurrenz darstellte, anders halten?
Für Nonie war das ganz besonders klar. Sie hatte bereits als Kind begonnen eine Diebin zu sein und gelernt sich in dickköpfiger Intensität gegen jene durchzusetzen, die wagten sie nicht ernst zu nehmen. Später war es nicht besser geworden. Ihr drahtiger aber unter Stoffen höchst zierlich erscheinender Körper und ihre nicht unbedingt überragende Gestalt, so wie das Geschlecht mit dem ihr Körper geboren worden war, sorgten dafür, dass die hauptsächlich größeren und männlicheren Kollegen dazu neigten auf sie herab zu blicken. Nonie schlug zu, ehe die anderen es taten. Und dass die anderen es tun würden, war für gewöhnlich zu erwarten.
Zumindest in dieser Hinsicht schien ihr neu gefundener Partner eine Ausnahme darzustellen. Er besaß die Form eines Kämpfers aber hatte den körperlichen Konflikt zuvor mit ihr vermieden und tat es auch nun.
Etwas irritiert blickte Nonie aus ihrem Versteck neben einem Regal bei der Tür, zu dem anderen herüber. In ihrer Hand hielt sie ein aus den Kleiderfetzen gerissenes und in sein Ersatzgift getränktes Tuch. Ganz genauso wie er es tat.
Grummelnd klangen die Stimmen der beiden Männer vor dem Raum.
„Er tut fast so, als wäre das alles unsere Schuld", beschwerte sich einer.
„Erledigen wir einfach unseren Job und quetschen irgendetwas aus ihnen raus", entschied ein anderer.
Sie traten ein. Schwere Schritte auf hartem Grund. Dann rissen sie die Augen auf, schnappten nach Luft und fluchten lautstark. Vor ihnen baumelten die Ketten von der Decke. Ganz ohne daran zappelnde Diebe.
„Scheiße!"
„Wo sind sie?"
Hinter ihnen schälten sich die vermissten Übeltäter aus dem Schatten und traten an sie heran. Es war reiner Zufall, dass sie passend zu ihrer Größe standen. Zumindest bezweifelte Nonie, dass Lorin in der Lage gewesen war voraus zu ahnen, wer auf welcher Seite stehen würde. Die Position an der sie hielten, um verwirrt und dämlich langsam auf die beiden einsamen Ketten in der Höhe zu starren, war allerdings genau jene, die er angedeutet hatte. Nun huschte er hinter den rothaarigen Hünen und sie hinter den kleinen blonden. Gleichzeitig schoben sie das Tuch nach vorn vor deren Gesichter und drückten zu.
Gedämpftes, erschrockenes Brüllen war zu hören. Nonie stemmte ihrem Opfer von Anfang an ein Knie in den Rücken und brachte ihn dazu hektisch mit den Armen rudernd nach Halt zu suchen. Ihm blieb keine Gelegenheit sich ihr zur Wehr zu setzen während er fiel. Schon verdrehte er die Augen, das Gift kroch in sein Hirn und die intensivierte Version ihrer eigenen vorherigen Erfahrung, sorgte für tiefe Ohnmacht. Neben ihr kämpfte der andere Dieb deutlich mehr mit seinem Ziel. Der große Kerl schien immun zu sein, so wie er sich wehrte und augenblicklich um sich schlug. Er grunzte und keuchte und rammte einen Ellbogen nach hinten, was auch seinen Angreifer dazu brachte schmerzlich nach Luft zu schnappen. Nonie beobachtete das raschelnde Ringen bis der große Kerl mit hoch rotem Kopf in das Tuch gurgelte und laut polternd zu Boden sackte, wie ein gewaltiger Kartoffelsack.
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Magpie Promise - Ehre unter Dieben
DiversosAls die zwei besten Diebe - selbsternannt - des gesamten Kontinents beschließen sich zeitgleich dasselbe Ziel vorzunehmen, ohne von der Einmischung des anderen zu wissen, kann das nicht nach Plan verlaufen. Zwei gewaltige Egos, eine noch viel gewalt...