Eine Packung Milch

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„Was machst du eigentlich hier?"

„Das sollte ich wohl eher dich fragen.", gebe ich die Frage an ihn zurück.

Langsam mustere ich ihn von oben bis unten nur um fest zu stellen, dass er wie immer ausschaut. Die locken strubbelig, das dämlich fröhliche Grinsen auf den Lippen und den roten Schulrucksack zwischen den Beinen.

„Hab' ich was im Gesicht?" Unsicher wischt Hinatas Hand über die eine Hälfte seines Gesichtes. Leicht schmunzele ich. Hinata wirkt von außenbetrachtet immer so unerschütterlich selbstbewusst.

Und doch verunsichern dich die kleinsten Dinge

Um mir diese Tatsache nochmals zu bestätigen gehe ich einige Schritte auf ihn zu. Innerlich freue ich mich schon auf sein rot anlaufendes Gesicht. Kurz vor ihm halte ich inne. Sein Körper ist mir halb zugewandt, das Gesicht in meine Richtung gedreht. Uns trennen nur noch wenige Zentimeter als ich mich leicht zu ihm hinunter beuge.

„Was machst-", beginnt er, verstummt jedoch jäh als ich leicht den Kopf schüttle. Prompt färben sich seine Wangen rot und ich bemerke den inneren Drang von ihm sich wegzudrehen. Trotzdem bleibt er standhaft und besitzt auch noch den Mumm mir mit seinen Augen zu begegnen.

Scheiße

Riesige, glasige Rehaugen blicken mich unverfroren an. Sie strahlen so eine Wärme und Geborgenheit aus, dass ich mich am liebsten in ihnen einkuscheln würde als wären sie eine flauschige Decke.

Was denke ich da nur?

Die stumme Frage in ihnen ist unverkennbar: „Was soll das?"
Der anfängliche Reiz ihn einfach nur etwas zu foppen hat mir die Kontrolle entrissen. Viel zu gefesselt von diesen Augen und dem betörenden Duft der ihn umhüllt, verharre ich schlicht.

„Kageyama?", haucht der Idiot sanft und ich bilde mir ein seine Worte auf meiner Haut prickeln zu spüren. Einzig ein bestätigendes Brummen überkommt meinen Lippen. Diese komische Anspannung zwischen uns verdichtet sich immer weiter. Die Luft kreist träge um uns, das Atmen fällt mir immer schwerer und mein Herz rast.

Was ist das nur?

„Bist du nicht Kageyama?", durchbricht die Frage des schlaksigen Jungen am Automaten die Stille. Wie ein Schwert durchschneidet es diesen merkwürdigen Augenkontakt, kurz und schmerzlos. Glatt hatte ich vergessen das wir nicht alleine sind. Ruckartig richte ich mich wieder auf, fixiere den Typen hinter dem Rotschopf. Leicht feindselig verenge ich meine Augen als ich an Hinata vorbei hin zu dem Typen gehe.

„Ja.", antworte ich knapp,„Und wer bist du?"

„Kaito Haruno ist mein Name. Aber nenn' mich ruhig Haruno, das reicht völlig!", bietet er mir an. Nickend nehme ich das Angebot an, obwohl ich insgeheim weiß, dass ich bei Kaito bleibe.

„Warum hat sich Hinata bei dir bedankt?", fordere ich von ihm zu wissen. Verwundert über den harschen Tonfall mustert er mich skeptisch. Der Idiot scheint aus seiner Eisstarre jetzt auch mal erwacht zu sein. Das leise Rascheln hinter mir vernehme ich unterbewusst, gefolgt von hastigen Schritten die direkt neben mir zum Stehen kommen. Mittlerweile hat er die Schultasche über seine Uniform aufgesetzt.

„Ach weißt du...Mathe ist ja nicht so unbedingt meine Stärke und ,naja, Haruno hat mir netterweise heute ausgeholfen. Um mich dann zu bedanken bin ich halt auf die Knie gegangen.", führt er beschwichtigend aus.
Argwöhnisch hebe ich eine Augenbraue, schaue erst ihn an, dann Haruno. Dieser schmunzelt belustigt über die Zweideutigkeit Hinatas Worte.

Grins' nicht so dämlich

Als Hinata die Bedeutung endlich auch mal begriffen hat, ist es zu spät. Schon zum zweiten Mal in nichteinmal einer Viertelstunde läuft er rot an. Jetzt jedoch  glüht sein ganzes Gesicht wie ein Feuerball und die Erklärungen sprudelt nur so aus ihm heraus.

„Nein, nein, nein...So meinte ich das doch nicht! Das war nur Spaß, eine lustige Parodie eines Märchens. ich würde doch nie-"  Der Rotschopf hält inne und schlägt sich eine Hand vor den Mund. Beschämt schaut er auf den Boden.

Er soll sich vor mir nicht schämen

„Ich glaube ich hab schon verstanden."

Meine Worte sollten beruhigend sein, doch sie scheinen genau den gegenteiligen Effekt zu bewirken. Wenn es überhaupt möglich ist läuft Hinata noch röter an. Es macht den offensichtlich den Anschein, er wäre lieber irgendwo im Erdboden verschwunden.

„Wie auch immer. Hat mich gefreut dich kennen zu lernen, Tobio! Hinata, wir sehen uns in Naturwissenschaften."

Woher kennt er meinen Vornamen?

Zum Abschied hebt er die Hand, wirft lässig den Becher in den Müll und verschwindet grundlos hinter uns im Gebäude.

Warum dieser plötzliche Abgang?

Peinlich berührt steht der Idiot immer noch schockiert über seine eigenen Worte einfach da, mit der Hand am Mund. Die immer länger andauernde Stille wird allmählich unangenehm, also beschließe ich zum Automaten zu gehen.
Denn der eigentliche Grund meines Auftauchens ist dämlich simpel.
Mir wie jeden Schultag meine Milch in der Tüte zu holen.

Hinata scheint das Schweigen anscheinend auch langsam zu wieder zu werden, denn er folgt mir. Verloren stellt er sich, immer noch leicht gerötet, mitten vor das Armaturenbrett.

„Idiot." Ich stupse ihn leicht an. Aus seinen Gedanken hochgeschreckt schaut er mich fragend an.

Fuck! Warum lässt mich allein dein Blick so gut fühlen?

Meine Gedanken verraten mich noch, wenn das so weiter geht. Irgendwas hat sich verändert, das kann selbst ich nicht mehr leugnen.
Trotzdem ist es falsch.
Ich mag ihn nicht.
Ja, er ist ein Kamerad.
Aber ein Freund?
Nein, dafür ist er viel zu nervig, naiv und trotzig.
Hinata verhält sie als wäre er ein Kleinkind, das an einem hängt wie eine Klette, Unmengen an Aufmerksamkeit benötigt und kein Nein akzeptiert.

Unwillkürlich muss ich mich an die peinliche Ansage meiner Mutter über Pubertät erinnern.
Hatte sie nicht auch über Hormone gesprochen und das sie manchmal auch bei Männern ziemlich verrückt spielen?
Das muss es sein.
Eine einfache Verwirrung, verursacht durch die menschliche Natur.
Ich muss mir das einfach nur oft genug vor Augen führen, damit ich bei klarem Verstand bleibe.

„Du magst Milch?" Froh über die noch so irritierende Frage antworte ich dankbar, da sie mich von meinen Gedanken abbringt. Er war bereits von selbst zur Seite gegangen, damit ich die nötigen Knöpfe drücken kann.
„Klar, du nicht?"
„Doch, doch."
„Willst du auch Eine?"

Warum bin ich so Nett? Ist ja schon fast ekelig

Doch das kurze Strahlen auf seinen Lippen ist es mir dann doch wert so schrecklich nett zu sein.
„Nicht nötig.", antwortet er höflich und schaut mir gespannt dabei zu wie ich meine Milch aus dem Fach hole.
„Du,", beginne ich und deute Richtung Tür,„ Ich mach mich auch mal auf den Weg zurück."
Der Rotschopf nickt bloß abwesend.
Da ich langsam keine Antwort seinerseits mehr erwarte gehe ich zögerlich Richtung Tür. Er scheint es bemerkt zu haben, packt mich gröber als beabsichtigt an der Schulter, damit ich an Ort und Stelle verwahre.
„Ich hatte mich gefragt, also natürlich nur wenn du willst, ob du nach der schule mit mir Aufschläge üben willst? Unser Training fängt ja erst später an und da dachte ich..." Seine Stimme ist so leise und schüchtern, das ich darüber leicht schmunzle.

Zum Glück kann er mich nicht sehen

Um die aufkeimende Freude zu ersticken, erwidere ich desinteressiert:„Meinetwegen."

Mit dem wiederhallenden „Cool!" das er vor lauter Erleichterung über meine Zusage enthusiastisch in meinen Nacken gehaucht hat, in meinem Kopf, besuche ich meine Nächste Unterrichtsstunde.

Gott, dieser Junge...  

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 20, 2023 ⏰

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The two of us - through it all {Kagehina} Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt