1. Der Abstieg

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Amaras Primärziel war der sechsstellige Zahlencode innerhalb der Cloud

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Amaras Primärziel war der sechsstellige Zahlencode innerhalb der Cloud. Jede andere Form der Ablenkung musste sie deshalb entschieden aus ihren Gedanken filtern. Sie konnte weder Rücksicht auf die schrillen Schreie des Entsorgungsmaterials nehmen, welche unentwegt in ihren Gehörgängen echoten, noch darauf, wie schrecklich jung sie sich anhörten.

Vorsichtig ließ sie sich noch ein Stück weiter in die Kaminöffnung der Bio-Tech-Entsorgungsanlage von L-Scott gleiten. Die Noppen an ihren Fußsohlen ploppten leise, als sie ihren linken Fuß von der Metallwand löste und ein Stückchen weiter unten wieder neu ansaugen ließ. Sechzig Meter noch. Vielleicht mehr.

Die Hitze ließ die Luft vor ihren Augen flimmern und es roch ganz bestialisch nach Verbranntem. Ein Mensch würde zweifellos unter diesen Bedingungen versagen.

»Wie sieht's aus?«, fragte eine enthusiastische Stimme in ihrem Kopf.
Juna Elco, die Mikrobiologin des Teams. Ihre unverfrorene Angewohnheit, selbst in den aussichtslosesten Situationen niemals ihre Gelassenheit zu verlieren, jagte Amara manchmal kalte Schauer über den Rücken. »Dein Puls schlägt immer mal wieder in den roten Bereich aus.«

»Das ist doch Wahnsinn«, meldete sich plötzlich eine weitere Stimme zu Wort. »Selbst für unsere Verhältnisse ist dieses Vorhaben ausgesprochen dumm.«
Dag Stanfour. Amara hatte ihn als kritischstes Mitglied der Gruppe kennengelernt. Ein Ex-Soldat aus einer genetisch veränderten Spezialeinheit, in dessen Brust die verschollene Seele eines Philosophen ruhte.

»Waghalsig«, korrigierte ihn Juna leichthin.

»Nein«, blieb Dag stur, »dumm. Unfassbar dumm.«

»Könntet ihr zur Abwechslung mal fokussiert bleiben?«, warf Lew leicht entnervt ein. »Ich habe Monate in die Planung dieser Mission gesteckt. Wenn Amara abstürzt, war alles umsonst.«

»Sehr beruhigend, Lew«, erwiderte diese säuerlich und machte sich weiter an den beschwerlichen Abstieg. Sie würde sich wohl niemals an den Neurolink gewöhnen, der ihr vor Monaten in den Kopf implantiert worden war, kurz nachdem das Team den Transporter überfallen und sie damit vor der Bewusstseinsüberschreibung bewahrt hatte.

Ihre Augen und Empfindungen gehörten nicht mehr länger nur ihr. Doch es war immer noch entschieden besser als das Schicksal der totalen Überschreibung. Ein Vorgang, bei dem ein fremdes Bewusstsein ihren Körper in Besitz genommen hätte und ihr eigentliches Ich auf ewig auslöschte. Oder schlimmer, sie als Gefangene in ihrem eigenen Körper verenden würde, eingesperrt hinter Zellen, die ihr niemals wieder einen eigenen Gedanken erlaubten.

Das ist mein Körper, hielt sie sich wieder einmal fest vor Augen. Denn auch wenn ihr DNA-Strang geklont wurde, mit dem Fokus vor Augen einem kleinen prozentualen Anteil der Menschheit das ewige Leben zu ermöglichen - sie existierte. Sie war ein denkendes Wesen. Sie hatte das Recht als mehr wahrgenommen zu werden, als ein bloßes Ersatzteillager.

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