Kapitel 23

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Als Aetrian Ves versprochen hatte, dass der Berater in den nächsten Tagen beschäftigt sein würde, hatte er nicht gelogen. Er hatte jedoch zu erwähnen vergessen, dass der Berater nicht der Einzige sein würde: Am Tag nach ihrem Ausflug war Elanthin inmitten eines Schwarms an Zofen aufgewacht, die jeden Zentimeter ihres Körpers vermaßen, pastellene Stoffe mit ihrem sonnengegerbten Hautton abglichen und alle möglichen Arten von Badesalzen und Cremen in ihre müde Haut massiert hatten.

Irgendwo zwischen der Ankunft des Schneiders und dem zwölften Kranz aus Goldefeu, den sie anprobieren sollte, hatte Elanthin ihren Lebenswillen verloren.

Als sie endlich aus dem Würgegriff der Bediensteten entkommen war, knallte die Mittagssonne vom Himmel auf sie herab. Die Luft war überraschend kühl, aber die Sonnenstrahlen wärmten Elanthin bei ihrer Flucht aus dem Palast.

Ihre Schritte wurden langsamer, während sie sich ihre Optionen ins Gedächtnis rief.

Die Palastgärten waren in zwei Teile gespalten: von vorne und beiden Seiten umgaben die öffentlichen Gärten den Palast, aber hinter einer hohen Ziegelmauer und unter einem magischen Dom versteckt lag der private Garten der Königsfamilie.

Nach der Folter des Morgens würde ein einfacher Spaziergang durch die Gärten nicht ausreichen, um Elanthins Geister wieder zu beleben. Vielmehr war ihr danach, mit den Rekruten zu trainieren – oder mit Noryn, falls der Vize-Kommandant dafür zu haben war.

Elanthin passierte eine lächerliche Anzahl an glitzernden Ornamenten, Marmorstatuen und Dekorationen in Blautönen, bevor sie endlich an den Trainingsgründen ankam. Alternativ hätte sie ein Portal zu dem schlichten Ziegelbau nehmen können, welcher den Rekruten Zuflucht vor schlechtem Wetter bot. Nur wusste sie nicht, ob man ihre Schritte mithilfe der Portale nachverfolgen könnte.

Um einen Blick auf den blitzblauen Himmel zu werfen, in dem Schwärme kleiner Wolken schwammen, legte Elanthin den Kopf zurück.

Ich muss Aetrian fragen, warum ich noch keinen Hagelfall oder Staubsturm auf den Palastgründen erlebt habe, notierte sie sich in Gedanken. Obwohl Elanthin fast ein Monat hier verbracht hatte, schien die Zeit wie stehengeblieben zu sein. Der Palast und seine Umgebung blieben stoisch, wie sie waren: ein magisch verbundenes Sammelsurium aus schneeweißen Mauern und Türmen, die weit in die ruhige Frühlingsluft hochragten.

Die Trainingsgründe waren, von allen Orten, am wenigsten friedlich – trotz der dichten Umrandung aus Fichten. Auch heute hießen sie Elanthin mit Gelächter und dem Geräusch von aufeinander treffendem Stahl willkommen. Kleine Gruppen an Rekruten kämpften miteinander oder attackierten hölzerne Puppen mit stumpfen Schwertern.

Das Chaos versprach ihr einen Hauch von Anonymität. Ohne ihre Ankunft anzukündigen, warf Elanthin den Umhang ab und begann sich zu dehnen. Ihre Beine waren unerwartet müde, nachdem sie stundenlang Modell gestanden hatte.

Ihr Versteckspiel währte nicht lang. Elanthin seufzte auf, als ihr Noryn von den Barracken aus zuwinkte. Der Vize-Kommandant war eben aus dem Quader gestiegen – vermutlich um die Rekruten zu überprüfen – und drohte mit seiner freundlichen Geste ihre neugefundene Stille zu zerstören.

Die ersten Köpfe begannen sich bereits auf der Suche nach dem Gast, der Noryns Aufmerksamkeit erregt hatte, umzudrehen.

Sobald Elanthin ihm hilflos zugenickt hatte, begann er auf sie zuzugehen. Sie verfluchte sich stumm.

Du hättest ihn einfach ignorieren sollen.

„Die Rekruten haben auf die Rückkehr Ihrer Majestät gehofft", rief Noryn aus. Obwohl er bereits mit ihr sprach, hielt er in einigen Metern Entfernung an.

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