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„Gefällt dir der Rock?" fragend sah meine Mutter zu mir hin, während sie einen dunkelgrünen Faltenrock aus Seide hochhob. Eigentlich war der ja ganz schön... Dummerweise war ich nun wirklich kein Kleider oder Rocktyp. Nicht dass mir die Dinger- zumindest laut Becca - nicht standen... Nein, das war nicht das Problem. Das Problem war eher mein mangelndes Selbstwertgefühl. Denn das brüllte mich ziemlich laut an und sagte: ‚Du siehst aus wie eine Presswurst!' Und das auch nur einen guten Tag... an den schlechten Tagen war es eher so etwas wie: ‚ein Schwein in einem Rock ist immer noch ein Schwein!' (Das hatte Linus mir beim ersten Mal gesagt, als ich zu einer Geburtstagsfeier ein Kleid angezogen hatte und meine innere Stimme wiederholte das nun in Dauerschleife) Daher schüttelte ich den Kopf und flirtete intensiv mit den schwarzen Stoffhosen.
„Oh nein, mein Schatz... Mit Sicherheit nicht! Du trägst immer nur dunkle Kleidung. Und immer nur Hosen. Ich möchte dich wenigstens einmal in einem Rock oder einem Kleid sehen... willst du ihn nicht zumindest mal anprobieren? Biiiiiiitteeeee..."
Verflixt und zugenäht! Meine Mama hatte wirklich einen erstklassigen Dackelblick drauf!! Ich spürte, wie ich weich wurde... plus... sie hatte sich extra frei genommen um etwas Zeit mit mir zu verbringen. „Oooooh, ist ja gut. Gib schon her!!!" maulte ich und beschimpfte gedanklich mein nicht vorhandenes Rückgrat. Leicht genervt stapfte ich in die Umkleidekabine und pulte mich aus der Jeans, in die ich mich heute Morgen unter großen Mühen, mit angehaltenen Atem und eingezogenen Bauch (auf dem Bett liegend) hinein gequält hatte.
Kaum hatte sich der schwere, rote Samtvorhang hinter mir geschlossen schob sich auch schon der Arm meiner Mutter wieder hindurch, in der Hand einen Kleiderbügel auf dem sich ein hübsches, schwarzes Wickel-Top befand. „Mooooom...!" „Komm schon, Juna! Zu so einem Rock kannst du nun echt keinen Hoodie anziehen!" Frustriert verdrehte ich die Augen... ich konnte Logik gerade so gar nicht abhaben!
Doch um des Friedens willen zog ich also auch das schwarze Wickel-Top an. Als ich mich dann im Spiegel betrachtete, hob ich überrascht die Augenbrauen. Verdammt... Das sah gar nicht mal schlecht aus! Gut, der Ausschnitt war vorsichtig ausgedrückt - schon etwas gewagt. Aber... er zauberte ein fantastisches Dekolleté! Und der Rock? Die Farbe war der Burner und die Länge einfach perfekt. Nicht so lang, dass es hippymäßig aussah und auch nicht so kurz, dass mir spontan das Wort Bordsteinschwalbe durch den Kopf schoss. Und als Bonus obendrauf: das Anziehen ging bedeutend schneller und leichter (!) als das hineinquälen in die Jeans. „Und? Komm schon raus! Lass mich sehen..." Zu behaupten, meine Mutter wäre ungeduldig, konnte man getrost als Untertreibung des Jahrhunderts bezeichnen. Also stolzierte ich wie die Königin, die gerade tief in meinem Inneren aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht und sich noch schnell das Krönchen gerichtet hatte aus der Umkleide und sah zufrieden zu, wie der Unterkiefer meiner Mutter Bekanntschaft mit dem Boden machte.
„Du kannst sagen, was du willst, mein liebes Kind. Dieses Ensemble ist gekauft! Es sieht fantastisch aus! Und sogar deine Ballerinas passen perfekt dazu. Du bist so wunderschön! Und du wirst es direkt anbehalten..." Rasch zupfte Mama die Preisschilder ab und segelte auf mörderischen 15cm Absätzen schwanengleich in Richtung Kasse von dannen.
‚Wähle deine Kämpfe stets mit Sorgfalt' sagte ich mir, ergab mich in mein Schicksal und holte meine Klamotten aus der Umkleide. Dann folgte ich Mutter zum Ausgang, wo diese bereits auf mich wartete. Strahlend vor Freude hackte sie sich bei mir unter und so schlenderten wir weiter durch die große Mall.
Das tückische Funkeln in Muttis Augen hätte mich eigentlich warnen sollen, doch da standen wir nun... vor einem Friseursalon. „Echt jetzt?" Entgeistert sah ich sie von der Seite an und ausgesprochen resolut schob Mami dearest mich auf einen der freien Sessel zu...

Zwei Stunden, drei Haarwäschen, eine Kopfmassage und eine Maniküre später verließen wir den Salon - meine Mutter 250$ und ich um 10 cm Haare ärmer und trennten uns kurz, Mama hatte eine Arbeitskollegin getroffen und ich musste in der Drogerie dringend etwas schönes für meinen überaus geschätzten jüngsten Stiefbruder und ehemals besten Freund Marlik besorgen - bei dem Gedanken daran rieb sich mein Schulterteufelchen bereits in Vorfreude hämisch gackernd die Pfötchen!
Nachdem ich besagtes Geschenk sicher in meiner Tasche verstaut hatte, rannte ich praktisch in Mama hinein. „Oh, gut... da bist du ja... wie sieht's aus, Schatz? Lust auf einen Kaffee?" Mein Magen fand, das sei eine hervorragende Idee und knurrte sehr laut. „Yep," sagte ich, schnappte mir die Hand meiner Mutter und zog sie hinter mir her in Richtung Parkplatz.
„Ähm, Liebling, das Café ist da vorne..."
Doch ich schüttelte entschieden den Kopf. Ich hatte versprochen, während meines Aufenthaltes in Washington Stammgast bei Miss P zu sein und meine Versprechen hielt ich immer. Zudem verlangte mein schokoladensüchtiger Verstand nach... nun ja... Schokolade.
Und da ich jetzt die knallenge Jeans nicht mehr trug, passte auch garantiert auch noch ein dickes Stück Schokotorte in meinen armen ausgehungerten Magen.

Anscheinend hatte ich meine Schokoladensucht von meiner Mutter geerbt, denn hier saßen wir nun und stopften unter begeistertem Gestöhne die pure Dekadenz in Form einer dreischichtigen Schokotorte mit Buttercreme und Peanutbuttercups in uns hinein. Die anderen Gäste warfen uns hin und wieder skeptische Blicke zu und ein paar ältere Damen schnalzten sogar missbilligend mit der Zunge.
Aber mal ehrlich... wenn Frau sich gerade im Paradies befindet sind das doch eher Nebensächlichkeiten!
Frisch gestärkt... gut, gut... vollgestopft und in einem heftigen Völlereikoma torkelten wir zu Muttis SUV und machten uns an dem Nachhauseweg. Schwankend betraten wir die Villa und sahen uns der Inquisition gegenüber.
Jason pfiff leise durch die Zähne und sah meine Mama an. „Liebste... habt ihr es vielleicht etwas übertrieben?" grinsend küsste er einen Schokoladenrest aus ihrem Mundwinkel. Als treuliebende Tochter sah ich es als meine Pflicht an, hilfreich in die Bresche zu springen. „Nur zu deiner Info, verehrter Stiefvater... so etwas wie zuviel Schokolade gibt es nicht!" Trotz meiner mit liebevoller Strenge hervorgebrachter Ermahnung war ich mir ziemlich klar, dass ich ganz dringend einen Verteiler brauchte. Wo stand nur der verdammte Wodka? Lachend führte Jason meine Mama ins Wohnzimmer, während ich mich auf Schnapsjagd machte. Nachdem ich sämtliche Schränke der Küche inklusive der Speisekammer ohne positives Ergebnis durchforstet hatte, ließ ich mich elegant auf den Boden neben der Kücheninsel plumpsen und rieb mir leise jammernd den Bauch. Ok, ok, ok... die letzten zwei Stücke Torte waren vielleicht... unter Umständen... eveeeeeentuell doch zu viel gewesen. Nicht, dass ich das jemals laut aussprechen würde.

„Auuuuu..." mistiger Mist!
„Juni... Mäuschen, ist alles ok?" Alex und Luke hockten auf einmal neben mir und sahen mich besorgt an. Kläglich vor mich hin wimmernd versuchte ich mich in die Senkrechte zu begeben, scheiterte jedoch bei der Durchführung. Seufzend hob Alex mich hoch und setzte mich auf dem Küchentisch ab. Für einen Moment gestattete ich mir meinen schweren, sich im Schokorausch befindenen Kopf gegen seine Brust zu lehnen. Böööser Fehler! Obwohl ein Otter auf diesen Muskelpaketen ohne weiteres Muscheln knacken konnte, erwies sich das ganze als ausgesprochen bequem. Und er roch ziemlich fantastisch... Alex kraulte sanft meinen Nacken und brummte: „Was ist los, Kleines?" „Versprecht mir, das nicht eurem Vater zu sagen... aber... zu viel Schokolade... Brauche dringend Alkohol zum verdünnen!" jammerte ich leise. Luke lachte und verließ rasch die Küche, während Alex mich auf die Arme nahm und die Treppe rauf in mein Zimmer trug. Er setzte mich auf dem Bett ab und begann mit seiner großen, warmen Hand sanfte, wohltuende Kreise auf meinem Bauch zu ziehen. Kurz danach kam auch schon Luke in den Raum, eine Liter Flasche Wodka untern Arm und drei Pinnchen in der Hand.
Ja und so startete der nächste Fehler meines Lebens... Eine Sauforgie mit meinen beiden ältesten Stiefbrüdern. Und ich war nicht mal wirklich trinkfest. Klar, hin und wieder ein Glas Wein oder auch mal eine Flasche... Aber von den härteren Sachen ließ ich in der Regel die Finger. Ich weiß nicht genau, woran es lag, dass ich an diesem Tag meine Schutzwälle zum Teufel schickte. Vielleicht war es dem neuen Rock geschuldet oder mein Dank der Schokolade mit Endorphinen geflutetes Gehirn war Schuld oder aber mein just erwachtes Selbstwertgefühl - gepusht durch das bombastische Dekollete meines neuen Tops - jedenfalls becherte ich fleißig drauf los.
Als ich das letzte Mal auf die Uhr sah, war es nach 01 Uhr und Luke hatte nicht nur eine zweite Flasche gebracht, sondern sich auch in Anbetracht eines wichtigen Geschäftstermin am frühen Morgen in Richtung Bett verzogen, so dass Alex und ich nun allein uns die Birne wegballerten.
Irgendwann hatte ich mich umgezogen - fragt nur bitte nicht wie oder wann - und lag nun in meinem Nachthemd (rosa mit goldenen Eistüten) mit dem Kopf auf Alex' Schoss und ließ mir von ihm die Schläfen kraulen. Sagt, was ihr wollt... wenn man besoffen und von Schokolade high ist, fühlt sich das einfach unglaublich an! „Schnurrst du etwa," murmelte seine Stimme leise und fast widerwillig linste ich den heißen Soldaten aus einem Auge verstimmt an. Wieso hatte er bitte schön das Kraulen eingestellt!? „Mach weiter... biiiitte..." halb weggetreten versuchte ich Mamas Dackelblick, was Alex nur zum Schmunzeln brachte. „Gott, Juni... du bist so niedlich!" flüsterte er, dann senkte er den Kopf und küsste mich.

Meine vier Stiefbrüder und ichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt