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Müde linste ich auf meinen Wecker... wach bleiben zu müssen ist echt die Härte, vor allem wenn die Nächte davor ebenfalls nicht der Bringer waren... Aber, von nichts kommt schließlich nichts! Wir hatten 02:12 Uhr. Perfekt. Mama und Jason würden in 4 Stunden aufstehen und die Zwillinge aufgrund eines wichtigen Geschäftstermins nicht viel später. Dann mal los, sagte ich mir - stand schwungvoll auf und stolperte prompt über meine Schuhe, die ich Chaot natürlich mitten im Zimmer hatte rumfliegen lassen. Leise fluchend rieb ich mir den schmerzenden Arm und schnappte mein Handy. Eine aktivierte Taschenlampe später stopfte ich mir die Lebensmittelfarbe in die Tasche und tapste auf den Flur hinaus. Lautlos schaffte ich es tatsächlich Unfallfrei ins Erdgeschoss und aus dem Haus raus. Rasch huschte ich zu den Garagen und sah mir die schönen Wagen an. Grinsend verstaute ich mein schlechtes Gewissen in der Erinnerungsbox mit dem Label ‚Highschool Hölle' und öffnete die Motorhaube von Leanders Auto. Das Schätzchen hatte die Aktion mit den Post-it's gut überstanden und bot sich förmlich an, meinem hoch geschätzten Stiefbruder die Zacken auf seiner Krone erneut zurecht zu rücken. Leise summte ich ‚Bad Romance' von Lady Gaga, während ich die hübsche pinke Lebensmittelfarbe in den Tank für die Scheibenwischer füllte. Glucksend holte ich aus meiner kleinen Nuckelpinne den Bodyglitter und platzierte diesen sorgfältig hinter der Sonnenblende des Fahrersitzes. Dasselbe wiederholte ich mit farblichen Abweichungen bei Luke (blau), Malik (grün) und Alex (gelb). Auch bekamen sie alle die Glitterbomben - Fairness war schließlich alles - und dann schlüpfte ich zurück ins Haus.
Teil eins war erfolgreich abgeschlossen, auf zu Teil zwei...
Nachdem ich die restliche Lebensmittelfarbe (Schwarz und rot) in die Flüssigseifen-Spender der vier Jungs hineingemischt hatte, kehrte ich endlich in mein Bett zurück. Leise kicherte ich noch, während ich mich in Morpheus' Arme kuschelte und tief und fest einschlief.

„Sie wirkt so unschuldig, wenn sie schläft!" murmelte eine tiefe Stimme und äußerst unwillig öffnete ich - ehemals schlafende Unschuld - meine Augen. Zwei Gestalten befanden sich unerlaubter Weise in meinem Zimmer. Da war ein sehr großer, sehr muskulöser Navy Seal, der auf meiner Bettkante saß und ein fast ebenso großer Bauarbeiter, der mit verschränkten Armen an der Kommode lehnte. „Guten Morgen, meine liebe, kleine Juna," flötete der Soldat und sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Gähnend räckelte ich mich und tastete nach meiner Decke um wieder auf Tauchstation gehen zu können.
„Ah, ah, ah... nicht so schnell, Baby!" schnaubte Luke, stieß sich von seinem Stehplatz ab und zog mir mit einem Ruck die Decke weg.
Ich holte tief Luft um loszumeckern, da fiel mein Blick auf sein Gesicht und ich brach ins schallendes Gelächter aus. Seine Haut war mit leicht rötlichen und schwarzen Schlieren höchst interessant eingefärbt und in dem dunklen Haaren machte sich der Glitter wirklich außerordentlich gut!
Offensichtlich war die Farbe nicht nur bei Teig effektiv... ich konnte deutlich sehen, dass er mit intensiven Waschungen die Intensität der Rot/Schwarz-Tönung abzuschwächen und den Glitzer auszubürsten versucht hatte, aber ich hatte Qualität gekauft! Und das zeigte sich nun in seinem aktuellen Erscheinungsbild.
„Steht dir!" grinste ich und schwang mich aus den Federn. Alex erhob sich ebenfalls und sah auf mich herunter.
„Normalerweise würde ich dich ja jetzt fragen, wie deine Nacht so war, aber ich befürchte... Du hast nicht sehr viel Schlaf bekommen. Hab ich recht?"
Ich schüttelte den Kopf und nickte kurz darauf. „Es war ausreichend," antwortete ich und fuhr mir mit den Händen durch das Vogelnest, das behauptete, meine Haare zu sein.
Auch Alex hatte glitzernde schwarze Haare, welche seiner Männlichkeit erstaunlicherweise überhaupt keinen Abbruch taten. Unwillkürlich streckte ich die Hand aus und wischte ein paar der Glitzerpartikel ab, die sich in seinem Dreitagebart verfangen hatten.
„Ich wollte bei Miss P ein paar Schokowaffeln für dich holen und stell dir dann mal meine Verwunderung vor, als mir eine Wolke funkelnden Etwas entgegen kam.." flüsterte er mit hochgezogener Augenbraue.
Und ich biss mir auf die Lippe. Verdammt, ich hätte vielleicht noch Kameras anbringen sollen, um den ganzen Zirkus zu filmen...
„Nein, so was... wie konnte das nur passieren?" hauchte ich betroffen und hüpfte ins Badezimmer.
„Ja, wie nur...?" maulte Luke leise und ich putzte mir grinsend schnell die Beißerchen. Bevor ich sie benutze, checkte ich allerdings meinen Seifenspender... sicher ist sicher.
Dann schlich ich zurück in mein - Gott sei Dank - nun wieder leeres Zimmer und zog mich rasch an. Als ich Salon tauglich war, klemmte ich mir meinen Laptop unter den Arm und machte mich auf in den Garten.
Irgendwie hatte die scherzhafte Interaktion der letzten Tage mit meinen Stiefbrüdern meine Schreibblockade beendet und die Ideen sprudelten nur so (nicht jugendfrei, versteht sich) in meinem Kopf herum. Ich hatte nicht mal Hunger oder Durst, sondern wollte mich nur in die Parkanlage hinterm Haus zurückziehen und anfangen zu schreiben.

Nachdem ich die Diktiersoftware installiert, mein Headset via Bluetooth angeschlossen und meinen Buchentwurf aus der Cloud runtergeladen hatte, legte ich mich in den Schatten der großen Weide am Teichufer und begann. Der Laptop ruhte neben mir auf meiner Weste und ja, ich weiß, dass man das nicht machen sollte - Staub und Dreck - aber heute brauchte ich halt die Freiheit an der frischen Luft.
Ich merkte nicht wie die Zeit verging.
Im Endeffekt hatte ich vier der bereits geschriebenen Kapitel gelöscht und einen neuen Ansatz gewählt. Wo die Geschichte bislang eher düster und dramatisch geraten war, hatte ich nun einen lustigen Hauch hineingeschrieben. Meine Hauptdarstellerin war nun etwas kindischer im Verhalten, fast schon trotzig und selbstironisch. Ein wenig lehnte ich zudem das Geschehen im Buch nun daran an, was ich gerade selbst erlebte und ertappte mich dabei, dass der männliche Hauptcharakter Alex immer ähnlicher wurde... Zufälle gibt es...

„Juuunaaa..." Mamas Stimme riß mich aus der Versunkenheit. Und so ließ ich unwillig mein Paar am prasselnden Kaminfeuer allein und kehrte in die Wirklichkeit zurück. Rasch speicherte ich alles einmal auf dem Rechner und dann auch noch einmal in der Cloud und klappte den Laptop zu.
Als ich aufstand, wankte ich kurz.
Vermutlich war es jetzt nicht so eine brillante Idee gewesen, ohne was zu trinken den ganzen Tag in der Sonne zu liegen. Zumindest taten mir das die Kopfschmerzen kund, die nach einem höflichen Hallo sagen mit Elan an die Arbeit gingen.
Die Weide hatte wohl nur am Anfang des Tages Schatten gespendet und nun zahlte ich den Preis.
Aber das war es wert gewesen!
Ich hatte 7 Kapitel geschafft, die ich später noch Korrektur lesen und schreiben würde und während ich zum Haus taumelte bedauerte ich, dass ich ausgerechnet jetzt einen Cut hatte machen müssen. Dann musste die sehr, sehr jugendfreie Szene halt bis morgen warten. Ich erreichte die Terrasse und betrat das Wohnzimmer. Vorsichtig legte ich mein Laptop-Baby auf den Beistelltisch in der Bibliotheksecke und stützte mich an der Couchlehne ab, als ein heftiger Schwindel mich befiel.
„Da bist du ja, Prinzessin," schnaubte Leander und stapfte mit wütender Miene auf mich zu. Seine schwarzen Haare funkelten noch leicht, doch er hatte anscheinend geschafft, die Lebensmittelfarbe abzuschrubben. Er rauschte an mir vorbei, rempelte mich dabei hart mit der Schulter an und zischte: „Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen worden! Vertrau mir! Säh weiter Wind... die Sturmernte wird dann nicht mehr lange auf sich warten lassen!!"
Ja, ja... blah, blah, blah!!!!
Da sprach wohl einer aus Erfahrung! Denn, mein lieber Leander... ich war gerade mitten in der Ernte deines vor Jahren gesähten Karmasturms!

Ich schüttelte mich kurz und hangelte mich am Sofa entlang in Richtung Küche, wo Mama bereits gemeinsam mit Jason das Abendessen zubereitete.
Fish and chips! Hmmmm... lecker schmecker!!!! Blöderweise wurde der Schwindel immer stärker und dann kam der Erdboden beunruhigend rasch näher, als die Dunkelheit über mir zusammenschlug....

Liebe auf Umwegen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt