Der Auftrag

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Nico saß in der Bahn in Richtung der Location, die man ihr genannt hatte. Auf dem Sitz neben ihr stand eine Platte mit Häppchen, die Tims Chefin ihr noch schnell in die Hand gedrückt hatte und ihr Rucksack auf ihren Beinen, den sie mit ihren Armen umklammerte. Ihren Kopf lehnte sie an die Fensterscheibe und richtete ihren Blick nach draußen. Die Landschaft zog an ihr vorbei und je näher sie der Station kam, desto mehr verwandelte sich die lebendige Stadt in eine verlassen wirkende Gegend mit einer gewissen Industrieatmosphäre.

Als sie bei Tims Arbeitgeberin auftauchte und mit den Worten „Ach du schon wieder..." empfangen wurde, hatte sie damit gerechnet, dass sie vielleicht auf irgendeiner Hochzeit oder einem Firmenjubiläum eingesetzt werden würde – oder wie letztes Mal wieder bei einem 80. Geburtstag irgendeines Herrn, von dessen Gästen sie hin und wieder anzügliche Kommentare über sich ergehen lassen müsste. Aber was hätte sie machen sollen? Wenn sie sich zur Wehr gesetzt hätte, hätte die Firma einen Kunden und Tim seinen Job verloren... Also hieß es: Augen zu und durch! „Hier, das nimmst du mit!" die Frau mit dem strengen Zopf drückte ihr ein Tablett gegen den Bauch und riss Nico somit aus ihren Gedanken. Sie umfasste dieses reflexartig, woraufhin ihr Gegenüber einen Zettel darauf ablegte. „Die Adresse steht auf der Auftragsbestätigung. Equipment holen wir im Nachgang ab. Du bist also nur für die Betreuung vor Ort zuständig, das solltest du doch hoffentlich hinkriegen... Und jetzt steh hier nicht so rum, sondern mach dich auf den Weg. Ist ein Stück zu fahren." Nico nickte und schon hatte ihr die Frau die Tür vor der Nase zugeschlagen. Wie bestellt und nicht abgeholt stand sie nun dort vor dem Hauseingang, bis sie auf den Zettel lugte, der von einem Windstoß wegzufliegen drohte. Verdutzt las sie den Namen des Austraggebers: Bündnis 90/Die Grünen. Sie stellte die Häppchen vor sich auf dem Boden ab und tippte die Adresse in ihr Handy. Fast eine Stunde würde sie brauchen, um zu der Halle zu kommen. Immerhin hatte sie auf dem Weg genug Zeit zu recherchieren, auf welcher Veranstaltung sie wohl in etwa zwei Stunden das Catering ausrichten würde.

An der großen Halle angekommen, wurde ihr klar, dass sie definitiv nicht die Einzige sein würde, die sich um die Verpflegung kümmern würde. Dieses Gebäude bietet schließlich Platz für mehr als 800 Menschen. Nachdem sie sich mit der Umgebung etwas vertraut gemacht, weitere Caterer entdeckt und sich bei ihnen vorgestellt hatte, griff sie in ihrem Rucksack nach ihrer schwarzen Hose und der weißen Bluse und begab sich zu den Toilettenkabinen. Nachdem sie sich umgezogen hatte, stellte sie sich an den Spiegel, der sich über dem Waschbecken befand, um ihre blonden Haare, die ihr eigentlich bis kurz über's Schlüsselbein reichen, zu einem Dutt zusammenzubinden. Plötzlich vernahm sie eine männliche Stimme. „Test, Test, 123" begleitet wurden die Worte von einem lauten Quietschen. Die letzten Checks bis es losging. Jetzt musste sie sich beeilen.

Der große Raum füllte sich. Immer mehr Menschen liefen in das Innere des Gebäudes, griffen bei den Häppchen bereits fleißig zu, sodass bereits knapp die Hälfte verzehrt war, bevor die Veranstaltung überhaupt angefangen hatte. 'Da hatte Frau Lubcyk wohl nicht richtig kalkuliert...' dachte Nico etwas schadenfroh, als die ersten Menschen begannen, ihre Plätze einzunehmen. Sie unterhielten sich angeregt, sodass ein einziges lautes Gemurmel im Raum zu hören war. Ein ziemlich großer Mann betrat die Bühne, was dazu führte, dass die Menschen allmählich verstummten, sie ihren Blick von ihren Sitznachbar:innen abwanden und auf die Bühne richteten, als er begann, in sein Mikrofon zu sprechen: „Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Deligierte, liebe Gäste, ich begrüße Sie und euch zum Parteitag von Bündnis 90/Die Grünen!..."

Da war stand sie also mitten auf einem politischen Großevent, nicht weit entfernt von namhaften Politiker*innen und komplett überfordert, als nach einigen Reden die Pause angekündigt wurde und sich eine Menge hungriger Menschen im Eiltempo auf den Weg zu ihr – besser gesagt zu den Köstlichkeiten vor ihr – machten. Das Gedränge war groß und die Häppchen, von denen bereits zu Beginn der Pause lediglich nur noch die Hälfte vorhanden war, mittlerweile nahezu leer. Es war laut. So laut, dass es unmöglich war, sich auch nur ansatzweise mit seinem Gegenüber zu unterhalten. Nico wandte ihren Blick zu ihrem Handy, auf dem genau in diesem Moment der Eingang einer Nachricht angezeigt wurde. „Hey, lief super heute – dank dir! Wie läuft's denn?". Doch dies war nicht die einzige Benachrichtigung. Drei verpasste Anrufe von Mama... Sie hatte ihr ganz vergessen Bescheid zu sagen, dass sie sich heute verspäten würde. Sie machte sich bestimmt schon Sorgen. ‚Ich sollte sie baldmöglichst mal zurückrufen...', dachte sich Nico. Sie schaute, auf den Tisch vor sich, auf dem sich außer den vielen Krümeln und den leeren Tabletts nichts mehr befand. Ihr Job war hiermit getan. Sie entschied sich dazu, nach draußen zu gehen, um in Ruhe zu telefonieren – hier drin würde sie sowieso nichts verstehen. Gerade als sie ihren Blick aufrichtete, um irgendwo einen Ausgang zu finden, durch den sie nach draußen gelangen könnte, entdeckte sie mitten in der Menschenmenge...

Sooo, ich beende dieses Kapitel mal mit einem kleinen Cliffhanger...
Was meint ihr – Wen könnte Nico entdeckt haben? Schreibt gerne eure Vermutung in die Kommentare! Ich freue mich auf eure Spekulationen!
😊

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 21, 2023 ⏰

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