Kapitel 2

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Mein Körper war angespannt und wartete nur darauf, dass ich meine Muskeln endlich erwachen ließ.
In meinem Kopf herrschte Chaos, dass sich jedoch bald zurückziehen würde. Ich suchte von der Mitte des Marktplatzes aus meine musikalische Unterstützung und nickte ihnen zu.
Ein Zeichen reichte aus damit sie verstanden, dass ich bereit war.
Mehr oder weniger.
Nervös rückte ich den Schleier, der direkt über meiner Nase saß zum hundertsten Mal zurecht. Lebensmüde war ich zwar, aber zu riskieren direkt erkannt und festgenommen zu werden wollte ich nun wirklich nicht. Mit meinen Händen fuhr ich den Griff des Katanas nach, nur um sicher zu gehen, ob es noch an seinem Platz war. Dann ertönte die erste Note. Selbstbewusst reckte ich mein Kinn Richtung Himmel und schritt los.
Wie von selbst bildete sich ein Art Kreisgebilde auf dem Platz, während ich mit meinem vorgetäuscht eleganten Gang an ihnen vorbei ging.
Die Musik begann leise, fast zärtlich.
Webte sich zusammen mit meinen schlangenartigen Bewegungen in die Ohren und Augen der Zuschauer.
Wie gebannt starrten sie der Fremden hinterher und wagten nicht, ihre Stimmen zu erheben. Ich kam zum Stillstand und war wieder in der Mitte des Kreises angekommen. Mit meiner rechten Hand strich ich meinen linken Arm hinauf, bis das Katana zu spüren war. Meine Hüfte wiegte passend zum Takt der Trommeln hin und her, um den Blick und die Erwartung der Menschen von der tödlichen Waffe vorerst abzulenken.
Der anstrengendste Teil meiner Arbeit kam erst jetzt.
Noch ein letztes Mal zog ich den Duft der Nacht ein, um meine ganze Konzentration auf das Schwert zu lenken.
Das war eine sehr schlechte Schnapsidee...doch jetzt war es eh zu spät. Hoffentlich werden uns die Wachen nicht erwischen.
Bevor ich es mir anders überlegen konnte, führte ich einen ausladenden Schritt durch und zog mit einem lauten, vorfreudigen Zischen der Klinge das Katana aus seiner Halterung. Ein Raunen löste sich aus der Menge und als ich meinen Blick hob waren alle Augen auf mich gerichtet.
Das funktioniert doch besser als gedacht. Schwer lag die schwarze Waffe in meiner Hand, während ich mich einmal um meine eigene Achse drehte.
Gleichgewicht und Spannung durften jetzt bloß nicht ihre Existenz hinterfragen.
Schritt für Schritt folgte mir das Schwert schon fast von allein.
Das Metall glänzte im Schimmer der vielen Laternen und schien das Licht geradezu aufzusaugen.
Ich war in meinem Element.
Meine Muskeln schrien vor Freude und meine Gedanken waren bis auf die Konzentration völlig leer gefegt.
Die Musik streichelte meine Sinne, schien sie zu verstärken aber auch zu betäuben.
Jedes Mal trat ich in eine Trance, die mich komplett ausfüllte.
Fang dich wieder Cane.
Du musst jetzt wachsam sein.
Such sie!
Meine innere Stimme weckte mich wieder und ich schlug meine Lieder auf, um nach den Seelendieben Ausschau zu halten.
Sie hatten die Aufgabe, das Wichtigste der reichen Schnösel zu stehlen.
Ihre Seelensteine.
Durch diese waren sie mit ihrem Landverbunden und dessen Urkräfte.
Zwar hatte jeder Bruchstücke von Energie in sich, mit denen er kleinere Tricks vollführen konnte, aber um die wahre Kraft zu erwecken benötigte man die Seelensteine.
Es gab sie in den verschiedensten
Ausführungen, Farben und Energieleveln, wobei man beachten musste, dass sie aus dem eigenen Land, in den man geboren wurde stammen mussten. Sonst würde man mit der falschen Energie gefüttert und krank werden.
Dabei hatte das einfache Volk mal wieder einen Nachteil.
Die wirklich mächtigen Steine besaßen vor allem die Adligen, während die untere Schicht mit viel Glück einen ausrangschierten in die Hände bekam.
Diese natürlichen Machtverstärker wurden nur dann aussortiert, wenn sie Makel zeigten, wie abgebrochene Kanten oder Risse.
Zum einen war es unanschaulich für die Adelsschicht und zum anderen schwanden einige der Kräfte durch die Beschädigungen. Uns war es egal, ob es zwei oder drei Risse waren.
Trotz des Kraftverlusts waren sie für die unteren Ränge entscheiden, da sie so heiß begehrt waren, dass sie einem einen ganzen Monat Essen verschaffen konnten.
Und das nur von einem einzigen Seelenstein. Außerdem verstärkten sie immer noch die eigene Energie, jedoch nur in Maßen.
Gerade als ich ein Mitglied der heutigen Mission entdeckte, schien sich das Katana in meinen schwitzigen Händen selbstständig zu machen.
Ein langer Schritt folgte meinen Hüftbewegungen, bevor sich mein Rock um einen meiner Füße legte und ich ins Schwanken geriet.
Noch bevor mein Kopf die Situation analysieren konnte, bewegte sich mein Körper wie von selbst.
Ich katapultierte das Schwert in die Luft, ließ mich nach vorne Fallen und rollte mich ab.
Nun saß ich in der hocke, wagte es aber nicht nach oben zu schauen.
Auch wenn ich schone viele mögliche Unfälle geprobt hatte, zum Beispiel das Stolpern, war nie richtig gewiss mit welchem Ende die Waffe in meiner Hand landen würde.
Im schlimmsten Fall würde die Klinge direkt meine Handfläche durchbohren und einen unschönen Anblick preisgeben. Haut, Fleisch und Muskeln wären durchtrennt und Blut würde fließen.
Sehr viel Blut.
Die Menschenmenge wäre wahrscheinlich
in Sekunden nichts weiter als eine kreischende Masse.
Doch unser Plan durfte unter keinen Umständen scheitern, nicht wenn ich dafür verantwortlich wäre.
Um meine Gedanken kurz zu stoppen, streckte ich mein linkes Bein aus und kämpfte mit meinem Gleichgewicht, bis ein Schatten auf den schmutzigen Fließen des Marktplatzes auftauchte.
Jetzt oder nie.
Ich ließ meinen Arm nach vorne schnellen und bekam etwas zu fassen.
Erst war ich der Meinung zu spüren, wie etwas meinen Arm hinabtropfte, doch als ich zu meiner Hand lugte, umklammerte sie fest den Griff des Katanas.
Jubel ertönte von den Menschen um mich herum.
Es übertönte meine schweren Atemzüge bevor ich mich, so elegant wie es mir möglich war, wieder aufrichtete.
Um ein Haar wäre aus deiner Hand ein Spieß geworden Cane, sagte die Stimme in meinem Kopf.
Und wenn es nicht funktioniert hätte, wäre es eben eine neue Narbe.
Und mit fester Sicherheit die kleinste.
Die ursprüngliche Choreografie fortsetzend, entspannten sich alle wieder und der staunende Ausdruck löste den der Angst ab. Eigentlich war es schon lustig wie leicht sich die Leute ablenken ließen.
Es brauchte nur ein schockendes Ereignis und ein hübsches Gewand.
Doch gerade als ich mich wieder in Sicherheit wiegen wollte, trat eine Person in mein Augenfeld.
Er stand in der zweiten Reihe und hob sich durch das weiße Haar ab.
Es ging ihm fast bis zu den Schultern und einige Strähnen hatte er sich zu einem unordentlichen Dutt nach hinten gebunden. Seine Tunika war schwarz, wieder Rest seiner Kleidung, doch eine Sache verriet ihn.
Nicht die wulstige Narbe, die von seiner rechten Stirnhälfte bis zu seinem Auge führte und auch nicht das Schwert unter seiner Tunika.
Es war der Stein, der um seinen Hals prangte. Das goldene Amulett schimmerte als wäre es ein Wegweißer in der dunkelsten Nacht. Man konnte praktisch riechen, dass es rein war. Reine Steine waren nur für die Herrscher der verschiedenen Länder und deren Verwandte bestimmt.
Sie waren die seltenste Art der Seelensteine, da sie sich nicht erst mit einem verbinden mussten, um die wahren Kräfte der eigenen Seele freizusetzen.
Man musste jedoch der Kraft würdig sein, um sie ohne Schmerz aufnehmen zu können.
Die unreinen Steine hingegen verursachten anfangs körperliche Schmerzen, weil sich der Geist erst an die pure Kraft gewöhnen musste.
So konnten sie aber von jedem getragen werde.
Egal ob Ober- oder Unterschicht.
Aus diesem Grund schafften es meist auch nur Könige und Königinnen, die reinen Steine zu bändigen.
Sie genossen jahrelanges mentales und körperliches Traing.
Selbst viele der Adligen kamen zu Tode bei dem Versuch die reinste Macht, die es auf diesem Planeten gab, in ihrem Geiste aufzunehmen.
Deshalb war es umso alarmierender, dass ein Mann mit so einer Macht keine zehn Meter entfernt vor mir stand.
Was machte er hier?
Kartheen war nicht gerade bekannt hohe Gäste zu empfangen.
Allerdings machte er auch nicht den Anschein mit einer Schaar von Bediensteten umherzulaufen, um mit seinem Reichtum und Ansehen zu prahlen. Und eigentlich war es für die Goldträger vorbestimmt, sich wie hochnäsige Arschlöcher zuverhalten.
Denn die meisten gehörtem dem Kaiserpalast an und damit der Elite.
Ich bezweifelte stark, dass er den langen Weg vom Kaiserpalast auf sich genommen hatte, um sich hier das Kunststück einer Hochstaplerin anzuschauen.
Bevor ich weiter darüber nachgrübeln konnte, was wohl seine Bewegründe waren, sah ich wie Sunor, einer der jüngsten Mitglieder, auf ihn zusteuerte.
Und genau in diesem Moment erhielt ich eine Eingebung.
Er war nicht hier, um den Herrscher des Klifflabyrinths zu treffen oder Geschäfte für sein eigenes Reich zu tätigen.
Der einzige Grund,dass er sich in diese verdreckten Gassen geschlichen hatte, war den Seelendieben auf die schlich zukommen. Ich wusste noch nicht, warum oder was er genau vorhatte, aber es schien mir plausibel genug zu sein, um sich in seine Richtung zu bewegen.
Passend zur Musik schlängelte ich mich immer weiter vorwärts bis Sunor die Möglichkeit hatte, meinen Blick zu suchen ohne angestrengt in die Mitte des Marktplatzes zu starren.
Wie eine Idiot versuchte ich seine Aufmerksamkeit zu erregen, doch er schien es nicht zu spüren.
Das Einzige, was ich gerade spürte, war aufbrodelnde Wut.
Bald hatte er sich soweit vorgekämpft, dass ihn nur noch eine Armlänge von dem Fremden trennte.
Endlich schien Sunor mich zu sehen.
Mit einem verwirrten Blick betrachtete er meine Position.
Es war nicht üblich für mich nah am Publikum zu tanzen.
Nicht weil ich es mir nicht zutraute, sondern einfach wegen der Angst erkannt zuwerden. Erst versuchte ich mit meinem Mund Wörter zu formen, die auf die Entfernung leicht zu entschlüsseln waren, doch dann fiel mir mein Schleier wieder ein.
Manchmal stehe ich dermaßen auf dem Schlauch.
Wie kann ich ihm sagen, dass er sich aus dem Staub machen soll?
Die Panik, die ich sonst immer gut unter Kontrolle hatte, schlich sich meinen Rücken hoch.
Kalter Schweiß bedeckte meine Stirn als Sunor auf einmal neben dem mysteriösen Unbekannten Platz nahm.
Da er nun direkt neben ihm stand, bemerkte ich, wie riesig er war.
Der Mann in der dunklen Tunika überragte ihn um mindestens einen Kopf.
Wenn ich nicht bald etwas unternahm, würde er Sunor den Kopf umdrehen für den Diebstahl seines Amuletts, denn kämpfen konnte der Mann auf jeden Fall.
Ein Indiz für mich es, auch gar nicht zu probieren, da der goldene Stein mich in Windeseile töten könnte, wenn der Träger es ihm befahl.
Aber soweit würde es nicht kommen.
Aus einem Reflex heraus deutete ich mit dem ausgestreckten Katana, in die zweite Reihe auf den Mann mit den weißen Haaren.
Ich wusste, dass das keine gute Idee war und wahrscheinlich wird Kjartan mich umbringen, wenn ich hier lebend wieder rauskomme, aber einer musste das Unglück verhindern. Sunor erstarrte als der Riese sich in Bewegung setzte und in Richtung Marktmitte lief.
Geleitet von meiner Wenigkeit.
Ich drehte mich zu ihm um und begegnete kalten, fast schwarzen Augen.
Er verfolgte meine Bewegungen genau,
während ich um ihn herumtänzelte, mein Schwert gefährlich nah an seinem Körper.
Er zuckte nicht einmal mit der Wimper, als ich nach einer gewagten Drehung die Schwertspitze vor seinem Gesicht baumeln ließ und etwas Fatales entdeckte.
Die Menschen jubelten wieder, doch das bekam ich nur noch halb mit, da ich versuchte meine aufkommende Angst nicht preiszugeben.
Denn der Mann, der vor mir stand, war niemand anderes als der neue Anführer der kaiserlichen Garde.
Verdammte Scheiße!
Wie bei Ars komm ich da wieder raus.
Das Wappen unter seinem Umhang war das Übel meines Schreckens.
Es zeigte einen Greis mit Schwertern, in den der Umriss des Kaiserpalastes eingraviert war.
Nun erklärte sich auch der reine Stein. Ich schluckte hart und rief mir alle möglichen Kampftechnicken in den Kopf, die ich kannte. Damit er nicht direkt mitbekam wie meine Hände zitterten, steckte ich meine Waffe zurück in die Halterung und wechselte meine Strategie.
Anstatt in Kampfhaltung zu gehen war es wohl das Beste ihn zu verwirren. Meine Verteidigungskünste variierten zwar von Zeit zu Zeit, doch hatte ich noch nie versucht, mithilfe des Tanzen mein Gegenüber in die Flucht zu schlagen.
Doch genau das war es jetzt, was ihn wahrscheinlich am meisten aus der Bahn bringen würde, denn sein steinerner Blick klebte immer noch am Katana.
Ein kurzer Blick Richtung Musikanten, sagte mir, dass sie schon gesehen hatten, was mich aufhielt und auf ein Zeichen warteten.
Zu meinem Glück hatten sie die Melodie weiterlaufen lassen, jedoch waren sie sichtlich nervös.
Schnell hob ich meine linke Hand und ließ meinen Zeige- und Mittelfinger an meiner Schläfe ruhen.
Eine einfache Geste, die jeder in unserem Zirkel als erstes lernte, um sich auf schnellem Weg mit anderen verständigen zu können. Griffin, der Geigenspieler nickte fast unmerklich und stimmte ein langsameres Stück an.
Ich wagte nicht,meinen Blick in die enge Gasse schweifen zu lassen.
Kjartan musste dieses Mal wohl oder übel mitspielen.
Mein Blick suchte den des Fremden und fing ihn in der nächsten Sekunde ein.
Eisern beobachtete er, wie ich die einzelne Stecknadel in meinem Haar löste und es sich in vielen unordentlichen Locken über meinen Rücken ergoss.
Trotz der Spannung verlor keiner ein Wort und die Menge war vollends verstummt.
Vorsichtig schlich ich im Takt auf ihn zu.
Erst ein Schritt, dann der nächste, bis uns nur noch zwei voneinander trennten.
Ich streckte meine Hand aus, um den Captain von seinem Umhang zu befreien. Sein Arm schnellte vor und packte mein Handgelenk. Geschockt sah ich zu ihm auf und drehte mich einmal um die eigene Achse.
Durch den Schwung riss ich mich los und kam seitlich von ihm zum Stehen.
Seine rechte Augenbraue zuckte nur kurz, bevor er seine Fassung zurückgewann.
Er hatte mehr Kraft, mehr Training, aber ich war deutlich schneller.
„ Na, zu langsam Fremder?", säuselte ich in seine Richtung, um es für die Zuschauer wie ein Spiel aussehen zu lassen, doch provozieren ließ er sich ebenfalls nicht.
Mit meinem nächsten, ausladenden Hüftschwung schob ich mich an seine Seite und ließ mich anschließend in die hocke gleiten, während meine Hände seinen Oberkörper zur Hüfte entlangfuhren.
Als ich ein Schnaufen von oben hörte, freute ich mich insgeheim.
Sunor hatte mittlerweile schon das Weite gesucht, hoffte ich zumindest.
Außerdem sollte ich mich auch langsam aus dem Staub machen, wenn ich nicht als Gefangene im Kerker eines Königs verenden wollte.
Eine warme Briese stieß über den Marktplatz, welche meinen Rock beim Aufstehen ein leises Rascheln entlockte.
Ich sog die frische Luft in meine Lunge, bevor ich ihm ein letztes Mal direkt in sein Gesicht sah.
Nichts regte sich, nicht mal in seinen Augen, nur sein Kiefermuskel spannte sich an. Gerade als ich beschloss reisaus zunehmen, zog er mich am Arm grob an seine Brust zurück.
Jetzt stand ich mit dem Rücken an seinem Oberkörper gepresst, ohne mich einen Zentimeter rühren zukönnen.
Der Captain hielt meinen linken Oberarm fest umschlungen.
Zu fest, umsich zu befreien.
Zu fest, um zu fliehen.
Zu fest, um sich überhaupt zu bewegen. Panik kroch erneut meine Wirbelsäule hinauf und wurde durch das Raunen der Menschenmenge nur beflügelt.
Fluchtplan, es muss ein Fluchtplan her. Plötzlich spürte ich einen heißen Atem nahe meines Ohres.
Alle Muskeln meines Körpers spannten sich sofort an, bis ich seine Stimme vernahm. „Wenn du nicht gleich am Schlosstor hängen willst, hörst du jetzt auf mit den Spielchen und kommst mit. Verstanden?".
Es war nur ein Flüstern, dass man beinahe überhörte.
Es kam tief aus seiner Kehle und drang in meinen Kopf.
Nicht weil es angenehm war sondern, weil diese Drohung, so primitiv sie auch war, voller Magie strotzte.
Dunkle, kalte Kraft, die bereit war mich in der nächsten Sekunde in unzählige Bestandteile zu zerreißen.
Unruhig reckte ich meinen Kopf zur Seite: „Ich wüsste nicht, was ich getan hätte, um so ein schreckliches Schicksal zu erleiden Captain".
In der Hoffnung mit einem leicht dümmlichen Unterton, die Jungfrau in Nöten spielen zu können, sah ich ihn unschuldig an.
Eigentlich hätte er für dieses Drohung ein blaues Auge verdient, doch konnte ich mir solche Fantasien in dieser Situation nicht leisten.
Sein Griff verengte sich zu meiner Überraschung erneut und ein unangenehmer Laut entfloh meiner Kehle.
„Wenn du willst, dass ich euch jetzt noch mehr Probleme bereite, dann kannst du mir gerne weiter sinnlose Antworten schenken". Anscheinend wusste er, dass ich nicht allein agierte und abgesehen von den Musikern noch mehr "meiner" Leute anwesend war.
Im Umkehrschluss bedeutete es, dass er ebenfalls für Verstärkung gesorgt hatte.
Ein weitere Aspekt, der meine Flucht stark beeinträchtigte.
„Normalerweise schenke ich Männern immer etwas anderes".
Wie erwartet hörte ich ein abwertendes Schnaufen, doch bevor er etwas erwidern konnte, schnellte meine Ferse nach hinten. Sie traf genau in die empfindliche Stelle zwischen seinen Beinen.
Durch den plötzlichen Schock konnte ich mich befreien und verschwand so schnell es ging in der Menschenmasse, die in der Zwischenzeit sichtlich verunsichert war.
„Du kleines Miststück", war das einzige, was ich noch von ihm vernahm bevor seine schweren Stiefel die Verfolgung aufnahmen. Ich weiß nicht was ihn dabei mehr erzürnte. Der Fakt das ich schon wieder schneller war oder das ich ihm im letzten Moment die Kette von seinem Hals riss.
Um mich herumertönten verschiedene Stimmen, wahrscheinlich auch einige der Seelendiebe, die sich ebenfalls zurückzogen. Wenn ich dem Captain auf irgendeiner Weise entkommen konnte, dann waren es die Dächer.
Schon als ich klein war, konnte mich beim Fangenspielen auf ihnen niemand schlagen. Erneut aufgeregt und voller Adrenalin suchte ich mir die nächste Regenrinne. Sie war klein, schmal und schlängelte sich an einer bröckligen Fassade entlang.
Nicht die beste Lösung für meinen eher muskulösen Körperbau, aber wenn es mich gerade so halten kann, wird es den Fremden erst recht nicht halten können.
Also steuerte ich die Fluchtmöglichkeit an und schob mich Zentimeter für Zentimeter empor.
Oben angekommen, riskierte ich einen Blick nach unten, was sich als schlechte Idee entpuppte.
Er war doch tatsächlich dabei, die Regenrinne zu erklimmen.
Verdammt, warum hält die denn auch noch. Bei dem Muskelprocken war es doch schier unmöglich.
Nie war das Glück auf meiner Seite.
Ich nahm meinen Sprint wieder auf und floh über die Dächer der alten Häuser.
Der Wind wehte mir meine Haare ins Gesicht, was es mir bei aller Liebe nicht wirklich einfacher machte, die nächste Hauswand zu erklimmen.
Oben angekommen stolperte ich über ein verrostetes Rohr und viel geradewegs auf die nächste Lücke zwischen zwei Häusern zu. Mit meinen Händen packte ich das, was mir am nächsten war.
Es war eine alte aber ungewöhnlich dicke Wäscheleine.
Zu meinem Vorteil.
Ich spannte meinen gesamten Körper an und versuchte mich nun auf die andere Seite zu schwingen.
Die weiße Wäsche lag schon längst auf dem verdreckten Boden und der grobe Riese hinter mir, war gefährlich nah.
Gerade als ich die Leine losließ, riss mich etwas grob nach hinten und mein Katana rutschte aus seiner Halterung in die Tiefe. Sehr schön.
Das Einzige, was mich vor dem Zweihänder zwischen seinen Schultern gerettet hätte, liegt jetzt in er nächstbesten Gasse.
Durch den Schwung war ich mir anfangs ziemlich sicher, dass ich auf dem andern Dach landen würde mitsamt des Katanas, doch der weißhaarige Mistkerl lehrte mich etwas Besseres.
Bevor ich seine Hand bemerkte, die mich grob an den Haaren packte, saß ich schon neben der Wäsche auf dem Boden im Dreck. Knurrend sah ich zu ihm auf.
Allein dafür, dass ich meinen wertvollsten Besitzt durch ihn verloren hatte, verdiente er den Tod.
Einige Strähnen klebten verschwitzt an seiner Stirn und seine Brust senkte und hob sich ungewöhnlich schnell.
„Ausdauer scheint wohl nicht deine Stärke zu sein?".
Er starrte mich an und zog nun kräftiger an meinen Haaren, was mir ein schmerzvolles Grunzen einbrachte.
Eine Antwort bekam ich trotzdem nicht.
Mist!
Irgendwie muss ich ihn doch ablenken können, damit ich fliehen kann.
Meine vorherige Taktik, kann ich mir schon mal sparen.
Anstatt ihn weiter zu provozieren, ging ich in die Hocke und drehte mich einmal um mich selbst.
Eigentlich hatte ich in solchen Situationen
bis jetzt immer einen besseren Ausweg gefunden, doch was für eine Wahl hatte ich? Mit meiner rechten Hand strich ich meinen Rock zur Seite und griff nach meinem Dolch. Er war nicht wirklich schön, sondern in schlichtem Schwarz gehalten.
Doch seine Klinge wiederum, war so scharf wie der Reißzahn der verschollen Drachen. Mit einer schnellen Bewegung zerschnitt ich meine Haare ander Stelle, wo ich die Hand des Hauptmannes vermutete.
Der Druck an meinem Kopf, der mich daran gehindert hatte zu fliehen, verschwand auf einen Schlag und ich spürte, wie meine Locken nun meine Schultern umspielten.
Der Dolch hatte aber nicht nur Haare durchtrennt.
Von seiner Klinge tropfte silbernes Blut. Ich riskierte einen flüchtigen Blick über meine rechte Schulter und verkniff mir ein abgehaktes Lachen.
Unser frischgebackener Hauptmann konnte doch tatsächlich dem schwächlichen Angriff einer Diebin nicht ausweichen.
Ich hatte ihn so gestreift, dass quer über seine Finger eine tiefe Wunde prangte.
Dem Gesicht zu urteilen, brachte ihm meine Heiterkeit noch mehr Zorn ein als die eigentliche Wunde.
„Steh auf".
Keine Bitte.
Es glich eher einem Befehl, den er einem Soldaten geben würde.
„Jetzt denkt der Silberling auch noch, dass ich ihm gehorchen würde. Was ein Witzbold". Und abermals ließ er sich nicht auf meine Provokation ein.
Zumindest nicht verbal.
Ehe ich komplett aufrecht stand, spürte ich die eiserne Faust in meinem Gesicht.
Von der schieren Gewalt in seinem Schlag, wurde ich gut einige Meter an die nächste Hauswand befördert.
Hustend brach ich auf dem Boden zusammen.
Bei Ars war das Arschloch stark.
MeinSchädel brummte, aber ich schaffte es mich wieder aufzurappeln. Die Zeit, die mir während dessen verloren ging, nutze er um die Entfernung zwischen uns erneut zu schließen.
Er wollte wieder ausholen, doch diesmal hielt ich seine Faust mit Mühe auf, drehte mich unter seinem Arm durch und verpasst ihm eine Schnittwunde über seiner Hüfte.
Kurz feierte ich meinen kleinen Erfolg, doch in der nächsten Sekunde packte er mich am Nacken und pinnte mich am Boden fast. Er war stark und unfairerweise auch noch schnell.
„Ich wollte ihnen nicht glauben als sie sagten, dass du wahrscheinlich schneller bist als ich. Die kleine Diebin scheint doch nicht gänzlich nutzlos zu sein".
Jetzt war ich komplett verwirrt.
Bis eben, war ich der Meinung, dass ich verhaftet werde, weil ich Menschen bestehle. In welcher Hinsicht war ich denn für die obere Schicht bedeutungsvoll ?
Bei ihnen hatte ich nichts verloren.
Durch ihre Adern floss silbernes Blut und durch die meinen Rotes.
„Was für einen Nutzen habe ich denn bitte für euch? Von was sprecht ihr ?".
Der Hauptmann beugte sich für meinen Geschmack etwas zu nah an mein Ohr.
„Das wirst du noch früh genug erfahren und es wird dir nicht gefallen".
Bevor ich ihm antworten konnte, hörte ich das bekannte Geräusch seiner metallener Rüstung und seine Faust traf zum zweitem Mal meinen bereits geschädigten Kopf.
Sofort hüllte mich die Dunkelheit ein.
Meine Sicht, meine Gedanken und meine Hoffnung wurde mir genommen.

When Black Blood RulesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt