3. Wie Syrupbonbons, ein halbtotes Huhn und ein Einhorn mich fast umbrachten

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Nur am Zyklus des Mondes bemerkte ich wie die Tage verstrichen. Vor allem dann wenn ich mich wie ein Blauwal ins Bett schmeiße und theatralisch aus dem Fenster starre, so wie heute. 

Es war endlich Freitag. Vor mir lagen also noch ca. 40 Schulwochen, die ich irgendwie ertragen musste. 

Der nervige Privatunterricht von Dad hatte sich gelohnt. Mit meinem Vorwissen würde ich die meisten Prüfungen mittelmäßig bestehen aber so lange bleibe ich sicher nicht hier.


Nachdem ich in Dads Dokumenten nach irgendeiner Lösung suchte ihn aus Askaban zu holen, versank meine Hoffnung langsam im Matsch. Ein Matsch der aus Hausaufgaben, bewegenden Treppen, eingebildeten Mitschülern und den Rumtreibern bestand.

Vor allem die Rumtreiber brachten mich in den Wahnsinn. Potter und seine Freunde machten ihrem ersten Eindruck im Zug alle Ehre. Sie verteilten Kaugummis, die im Mund wie Sekundenkleber wirken, Sie ließen Slytherinschüler kopfüber in der Luft hängen und schafften es irgendwie immer und überall präsent zu sein.

Seufzend schupste ich Milly vor mir herunter, die mit ihren Krallen in meinem Umhang steckte.

Auf der anderen Seite meines zugezogenen Vorhanges hörte ich Rascheln und das Geräusch eines Reißverschlusses. Obwohl ich mir das Zimmer mit vier weiteren Mädchen teilte, habe ich Sturkopf es geschafft ihnen seit fünf Tagen perfekt aus dem Weg zu gehen.

Ich sah ihre Schatten nur abends, hinter dem Schutz meines Vorhanges. Ausgelassene 15-jährige Mädchen, deren Köpfe von Schminke, Schule und Jungs nur so rauchen müssen.

Ein Räuspern riss mich aus meinen Gedanken.

Rote Haarsträhnen und eine Stupsnase lugten vorsichtig hinter dem Vorhang hervor.

„Die 5-Klässler veranstalten unten ein Zauberschachtunier. Willst du nicht auch runterkommen?"

Ich schob den Vorhang beiseite und beobachtete Lily, die nervös an ihrer Uniform zerrte.

„Nicht wirklich."

Mit einem Haufen anderer Schüler auf ein verzaubertes Schachspiel zu starren war nicht viel interessanter als mir einen Fluchtplan auszudenken.

Der Rotschopf setzte sich an meine Bettkante und kratzte sich verlegend lächelnd den Nagellack vom Daumen.

„Ich auch nicht."

Es folgte ein peinliches Schweigen. Wie sehr ich diesen erzwungenen Smalltalk doch hasste!

Ich kramte wild in den Schubladen meines Nachttisches herum, bevor die Stille mich irre machen konnte.

Ich fand endlich wonach ich suchte und drückte Lily eine halbleere Tüte Sirupbonbons entgegen.

Ich hatte nie viel mit Leuten in meinem Alter zu tun, geschweige denn wusste ich wie man sympathisch wirkt wenn man als Tochter eines Todessers bekannt war. Deshalb entschied ich mich für die Methode meines Vaters. Immerhin gewinnt man das Vertrauen von Tieren auch durch das Anbieten von Nahrung. Da wir von Affen abstammen kann es nicht viel anders sein.

Aber da dachte ich falsch.

Für Lilys Reaktion war ich alles andere als gewappnet.

Ihre grünen Augen wurden glasig, sie wurde blass und einzelne Tränen liefen ihr die Wange herunter.

Ich war so überfordert wie ein Troll beim Anblick eines bitterlich weinenden Säuglings.


Sie versteckte ihr Gesicht in ihren Händen und schluchzte. Zumindest sah sie so nicht meine panischen Gesten. Nach langem Zögern strich ich ihr tröstend über den Rücken. Wenn ich gewusst hätte was Sirupbonbons auslösen konnten...

Moon [HP] |Rumtreiberzeit|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt