6. Vanillepudding

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WUNDERVOLL! Einfach wundervoll Miss Evans! 15 Punkte für Gryffindor!"
Erschrocken hob ich den Kopf und sah auf meinen Kessel. Statt Bonbonpink wurde die Flüssigkeit eklig Braun und schleimig. Lily, die neben mir bereits einen perfekten Trank in Fläschchen füllte, hatte rosa Wangen und sah geschmeichelt in ihr Buch. Professor Slughorn, der Lehrer für Zaubertränke, war ein dicker, alter, rassistischer Zauberer. Noch dazu der Hauslehrer von Slytherin und verteilte an sein Haus auch großzügig Punkte.
Lily war die einzige Gryffindor die von Slughorn bewundert wurde. Die Rothaarige war ein Genie in Zaubertränke, trotz Muggelvorfahren. Noch ein Grund für Slughorn sie fast schon zu vergöttern.
Talent, Wohlstand, Präsenz und Herkunft waren hier im Kerker wichtige Punkte. Ich hatte nix davon. Aber das störte mich nicht. Ich war gerne im Unterricht unsichtbar.
Heimlich warf Lily eine Handvoll gehackte Alraunen in meinen Kessel und grinste als die Flüssigkeit leicht rosa wurde. Slughorns Reaktion auf meinen Trank war nur ein desinteressiertes Nicken. Immerhin besser als meinen Kessel explodieren zu lassen, so wie Peter vor zwei Minuten. Ich flüsterte ihr ein Danke zu und erhaschte den Blick eines Slytherinschülers, der uns beobachtete.
Fettige lange Haare, Hakennase und dunkle Augen. Das perfekte Ebenbild eines Slytherins. Als er meinen Blick bemerkte, nickte er kurz und widmete sich wieder seinem Trank.
Mittlerweile wunderte ich mich nicht mehr über das anerkennende Nicken der Slytherinschüler.
Egal ob auf dem Gang, im Klassenzimmer oder selbst beim Essen. Das feindliche Gaffen oder Zähnefletschen zwischen den Gryffinors und Slytherins blieb bei mir aus.
Ich wurde von den finsteren Gestalten sogar begrüßt oder bekam ein Nicken.
Es fehlte auch die Zeit mir darüber Gedanken zu machen. Anders als erwartet hielt mich der Unterricht hier auf Trapp.
Der Vorfall zwischen Dorcas, Sirius und mir interessierte niemanden mehr und ich ging wieder in der Menge unter.
Nur Dorcas hatte den Vorfall nicht vergessen. Sie warf mir so oft wie möglich giftige Blicke zu oder erzählte im Gemeinschaftsraum Lügen über mich. Außer ihrer besten Freundin Marlene McKinnon hörte niemand auf ihr Gequatsche.
Erst am Halloweenabend realisierte ich was in den letzten Wochen passiert war.
Nichts.
Dumbledore hatte sein Versprechen gehalten. Er hatte mich zum „gewöhnlichen" Teil dieser Schule werden lassen. Ich starrte auf den Vanillepudding vor meiner Nase. Vanillepudding hatte Dad immer am 1. November gemacht, als Andenken an meine Mutter. Er erzählte an diesem Tag jedes Mal Geschichten, während wir den Pudding aßen.
Die Gedanken an meinen Vater hatte ich die letzten Wochen in den Hintergrund geschoben. Ich schämte mich es vergessen zu haben. Mit einem Klirren ließ ich meinen Löffel auf dem Tisch fallen und rannte aus dem Speisesaal.

Jemand rief meinen Namen, aber ich lief weiter.

Ich hasste Treppen seit ich hier war. Trotzdem schleppte ich mich auf den höchsten Turm des Schlosses. Meine Haare waren schweißnass, meine Augen gerötet und sämtliche Muskeln krümmten sich verbranntes Papier.
Aber ich hatte mein Ziel erreicht.
Hechelnd ließ ich mich auf meinen Umhang fallen und starrte auf den Sternenhimmel.
Der Luftzug hier oben war beißend kalt.
Aber ich fühlte nur ein warmes Kribbeln. Es konnte von dem Treppensteigen kommen. Aber es war nicht diese Art von Wärme. Ich fühlte mich umarmt. Meine Augen wanderten über die Sterne, bis mein Blick glasig wurde.
Früher lag ich oft auf dem Boden und betrachtete die Sterne. Für gewöhnlich wenn Dad für ein paar Tage verschwand, er stundenlang an seinen Aufzeichnungen saß oder schlechte Laune hatte.
Immer dann wenn Dad keine Zeit hatte.
Normale Kinder gingen in solchen Momenten zu ihrer Mutter. Ich tat es auch. Aber anders.
Ich zählte die Sterne ab, bis ich die richtigen drei Punkte fand.
Porpentina Scamander starb als ich fünf Jahre alt war. Eine Astronomin wie es im Buche stand. Sie kannte jeden Stern, liebte Vanillepudding, Kuscheldecken, die dummen Witze ihres Ehemannes und sie liebte es ihrer Tochter unter freiem Himmel Geschichten zu erzählen. Es gab drei Sterne die sie sehr mochte. Sie waren der Grundstein für viele Sternbilder und immer zu erkennen. Als sie vor 10 Jahren an Drachenpocken starb, waren die drei Sterne mein Andenken an sie geworden. Immer wenn ich die drei Sterne sah spürte ich ihre Wärme, wie früher.
Ich wurde im Glauben erzogen dass jedes Stück dieses Universums einzigartig ist. Sowohl die gigantischen Dinge wie Meteore, als auch der kleinste Flupperwurm. Jetzt da mir beide Seiten weggenommen wurden und „Der dessen Name nicht genannt werden darf" alles noch verschlimmerte, hatte ich mein Weltbild verloren.
Hier zu sein, umgeben von Sternen, half mir das Gigantische wiederzuerkennen. Und ich konnte trauern ohne von Schülern und Lehrern angestarrt zu werden. Dachte ich zumindest.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 07, 2015 ⏰

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