In den nächsten drei Tagen lernte ich immer mehr über Telekinese und wie man sie einsetzte. Mittlerweile schaffte ich es auch, meine Kraft so einzusetzen, dass ich die meisten Aufgaben von Caine lösen konnte, aber leider nicht alle. Und für die Aufgaben, die ich nicht schaffte, gab es immer eine Bestrafung: Mind Control. Ich würde mich wahrscheinlich nie an diese unbeschreiblichen Schmerzen gewöhnen, egal wie oft Caine mich noch damit quälte. Einen einzigen positiven Effekt gab es: meine Konzentration wurde mit der Zeit immer besser! Ich hatte bereits verschiedene Übungen gehabt. Einmal sollte ich mehrere kleine Sportkästen um mich im Kreis herumschweben lassen. Ein anderes Mal attackierte Caine mich mit telekinetischen Schlägen und ich sollte ausweichen. Er zeigte mir auch, wie ich die unsichtbaren Wände erschaffen konnte. Gestern hatte er mich auch zu einem Duell herausgefordert, was ich allerdings haushoch verloren hatte. Er hatte mich nach maximal zehn Minuten besiegt. Jetzt gerade hatte ich eine kleine Pause, um meine Energie wieder zu regenerieren, dann würde ich wieder mit der heutigen Übung weitermachen.
"Bist du soweit?", ertönte Caines Stimme aus der Halle. Ich holte tief Luft und trat wieder in die Halle. "Von mir aus können wir weitermachen!", sagte ich. Caine deutete mit der Hand auf einen großen Berg von Weichböden, Sportkästen und weiteren Dingen. Dann erklärte er mir die Aufgabe: "Du weißt doch wahrscheinlich noch, was ich im ersten finalen Kampf gegen Sam gemacht habe, oder?" Ich überlegte kurz und ließ mir die Szene nochmals durch den Kopf gehen. Dann nickte ich. "Meinst du das mit der Kirche?", fragte ich sicherheitshalber nach. Mein Mentor bestätigte. "Mit Telekinese hast du eine große, fast unbesiegbare Macht. Insbesondere wenn man mit dieser Macht große unsichtbare Ungeheuer beschwören kann, die für einen kämpfen können!" Er demonstrierte, was ich tun sollte. Caine hob seine beiden Hände und richtete seinen Blick auf den Berg von Dingen. Ich nahm mir das bereits bekannte telekinetische Flimmern war, und staunte nicht schlecht über das riesige Wesen, was neben dem Berg stand. Auf einmal hob es eine seiner unsichtbaren Pranken und schlug damit auf die Sachen ein. Der Berg verrutschte erst, dann krachte er zusammen. Ich wusste sofort, dass es gefühlt Ewigkeiten dauern würde, bis ich das drauf hätte. Und automatisch wusste ich auch, dass ich demnächst wieder viel von Mind Control abbekommen würde. "Jetzt du! Versuch erstmal, dieses Wesen entstehen zu lassen, während ich den Berg wieder aufbaue!"
Ich seufzte leise und murmelte mein Einverständnis. Caine zu widersprechen lohnte sich nicht, und ihm Vorschläge für die nächste Übung zu machen war ebenfalls keine gute Idee, das wusste ich. Also schloss ich die Augen, konzentrierte mich auf die Energie in meinen Händen und spürte, wie sich etwas vor mir bildete. Ich wagte, mit einem Auge zu blinzeln und erblickte ein Wesen, dass etwas größer wie ich war. Caine, der den Berg mittlerweile wieder aufgebaut hatte, musterte mich kritisch. "Mehr Energie!", forderte er knapp. Ich nickte und schickte noch mehr Energie in mein Wesen. Und tatsächlich! Es wurde größer und kräftiger! Nachdem es groß genug war, gab Caine mir ein Zeichen. "Du musst erst lernen, so viel Energie zu halten. Nicht, dass dir dieses Wesen dann nach ein paar Sekunden wieder zusammenfällt. Halte diese Energiemenge jetzt mal für ein paar Minuten!" Ich spürte, wie diese Menge an Energie sehr stark war und es schwer werden würde, dies so lange zu halten. Nach ungefähr drei Minuten fing ich schon an, leicht zu zittern. Nach fünf Minuten war es schon eine Herausforderung für mich, noch aufrecht stehen zu können und nach sieben Minuten konnte ich nicht mehr. Ich ließ die Hände sinken und setzte mich auf den Boden. Caine trat an mich heran und hockte sich neben mich. "Soweit ganz gut...aber es darf dich nicht so fertig machen, diese Energie zu halten. Falls du in einem Kampf bist -" Ich nahm meine letzte Energie zusammen und unterbrach ihn: "Kampf?! Was für ein Kampf? Ich werde hier nie kämpfen müssen!"
Für ungefähr dreißig Sekunden war es still. Caine schaute mich mit finsterem Blick an, erstaunt dass ich ihn unterbrochen hatte. Dann erhob er sich und meinte: "Wenn du es schon wagst, mich zu unterbrechen und mir nicht bis zum Ende zuzuhören, kannst du es ja auch gleich in der Praxis üben! Steh auf!" Ich schwieg und blieb wo ich war. Ich wollte nicht mehr, hatte keine Energie mehr für ein Duell. "Nein, Caine. Du kannst mir nichts befehlen!" "Und ob ich das kann!" Dieses Mal war der glühende Schmerz stärker als sonst und hielt auch länger an. Ich schrie kurz auf und rollte mich dann auf dem Boden zusammen, versuchte verzweifelt die Schmerzen auszublenden. Doch es gelang mir nicht. Als Caine endlich aufhörte, mich zu quälen, blieb ich einfach regungslos liegen und wartete, ob noch etwas passieren würde. "Steh jetzt auf!", befahl mein Mentor mit einem gefährlichen Unterton. Ich setzte mich auf, atmete tief durch und erhob mich anschließend. Aber ich war nicht lange auf den Füßen, denn Caine attackierte mich sofort mit einem starken telekinetischen Schlag und schleuderte mich durch die gesamte Turnhalle.
Noch während ich flog, traf mich ein weiterer Schlag, der mich mit voller Wucht gegen die nächstbeste Wand presste. Mit schmerzverzerrtem Gesicht erhob ich mich, wich noch einer Attacke meines Mentors aus und griff dann selbst an. Ich forderte dabei meine gesamte Energie an und löste eine heftige Druckwelle aus, die manche Teile des Hallenbodens rissig machte und auch meinen Mentor von den Füßen warf. Bevor Caine sich wieder aufrichten konnte, war ich schon bei ihm und erschuf dicht über ihm eine telekinetische Wand, sodass er nicht aufstehen konnte. "Ist dir das genug Beweis, dass ich kämpfen kann, wenn es sein muss?!", fragte ich mit schwankender Stimme. Caine erwiderte nichts, sondern zielte mit seiner Hand auf mich und ließ den Boden unter mir so stark vibrieren, sodass ich fast umgefallen wäre. Natürlich verlor ich dadurch meine Konzentration und Caine konnte aufstehen. "Nein, das gerade war eine sonderlich schwache Leistung. Es hat mich nicht überzeugt.", sagte er nur kalt und richtete seine Hände erneut auf mich. Ich zuckte zusammen und wartete ab, was passieren würde. Aber ich merkte nichts, dachte ich zumindest. Als ich jedoch versuchte, irgendwo hinzulaufen, bemerkte ich dass ich in einem unsichtbaren, kleinen Raum war. "Caine! Lass mich sofort raus!", versuchte ich ihn zur Vernunft zu bewegen, doch er schaute mich nur desinteressiert an. "Warum sollte ich? Gib mir einen gescheiten Grund! Zeig mir mal, dass du nicht so inkompetent bist, wie ich es mittlerweile von dir denke!", warf er mir entgegen.
Ich stand nur da und wusste keine Antwort. Dann wisperte ich: "E-es tut mir leid, dass ich dich nicht habe ausreden lassen...! Das sollte nie als Herausforderung gelten!" Ich dachte schon, es hätte nichts gebracht, dass zu sagen, aber nach ein paar Sekunden Stille löste Caine die unsichtbaren Wände und ließ die Hände sinken. "In Ordnung...geh jetzt nach draußen und mach eine Pause. Danach kommst du bitte wieder her, damit wir weiterüben können." Ich wandte mich schon ab, als er etwas hinzufügte. "Ach, und noch was: Ich weiß, dass Light dein bester Freund ist, aber ich will nicht, dass du im Augenblick was mit ihm zu tun hast. Er ist schließlich Sams Schüler, und ich glaube sein Einfluss auf dich ist nicht gut. Also, damit meine ich, dass ich dich in den Pausen nicht mehr mit ihm zusammen sehen will!" Ich stutzte und wollte gerne etwas dazu sagen, aber Caine schob mich schon nach draußen und schloss hinter mir die Tür. Ich atmete tief durch und lief zu unserem Treffpunkt, in der Hoffnung mein Mentor würde es nicht merken. Dort angekommen, setzte ich mich hin und wartete auf meine Freunde.