Der Geschmack von Milchkaffee

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Da waren wir also, Ella stand kurz davor, die womöglich wichtigste Endscheidung ihres Lebens zu treffen, Roxana stand kurz davor, los zu rennen, um Putzzeug zu besorgen und ich kurz vor einem Lachkrampf.

Aber im Augenblick verharrten wir noch peinlich berührt in dieser bodenlos unangenehmen Situation.

Ella richtete sich langsam wieder auf, und doch blieben wir anderen in erschrockener Starre. Sie atmete schwer und tief, und für einige Minuten bestimmte ihr keuchendes Ein-, und Ausatmen auch den Rhythmus unserer, viel leiser arbeitenden Lungen. Roxanas Augen begannen schon zu tränen, ich glaube, sie hatte kein einziges Mal geblinzelt, seit ich den Raum betreten hatte.

Dann irgendwann, kehrte Leben in Ellas ruhiges Gesicht zurück, sie atmete wieder durch die Nase, kramte einen Kaugummi aus der Tasche, legte ihn sich auf die Zunge und begann ganz vorsichtig und wie mechanisch ihren Kiefer auf und ab zu bewegen.

„Ella?“ Aus irgend einem Grund verblüffte es mich, dass Bruno jetzt redete. Müsste ER nicht eigentlich der wirklich Betroffene sein? Und dazu noch mit dieser Stimme. Fast schon eigenartig hoch für jemanden der Bruno hieß. Vielleicht war es dämlich von mir gewesen, mir schon im Voraus eine Vorstellung von seinem Charakter oder dem Klang seiner Stimme gemacht zu haben, aber für mich klang es tatsächlich wie ein klischeehafter Name für einen Teddybären.

Ella drehte sich langsam zu ihm herum, rhythmisch kauend und mit geschlossenen Augenlidern. Bruno wollte etwas sagen, aber sie brachte zwischen dem Kauen ein leises Zischen zustande, dass mehr dazu gedacht war sich selbst zu beruhigen als ihn am weiteren Reden zu hindern. Ich hörte auf, die Luft anzuhalten, damit ich nicht auch noch anfing, hörbar laut nach Luft zu schnappen. Die Sache war jetzt schon lächerlich genug. Es können kaum mehr als drei Minuten vergangen sein, die wir da standen und doch gehörten sie zu den längsten Minuten meines Lebens. Aber schließlich verstrichen sie, und ein platzendes Geräusch durchbrach die gespenstische Stille. Sie hatte eine Kaugummi-Blase gemacht und ihre Lider flatterten.

„Jap. Okay, warum eigentlich nicht? Lass uns heiraten!“ Tante Ella wirkte plötzlich absolut enthusiastisch. Bruno schien etwas perplex und irritiert zu sein, aber seine Mundwinkel verzogen sich hoch zu einem halb offenen Lächeln.Es sah so dämlich aus, dass ich mir ein Kichern nicht verkneifen konnte, ehe Tante Roxana, deren Kopf sich immer rötlicher färbte und deren Tränen jetzt schon an ihrem Kinn herunter tropften, mir ihren Ellbogen in die Seite stieß.

„Ella. Auf ein Wort.“ Sie verließ den Raum mit schnellen Schritten und zog ihre strahlende Schwester hinter sich her, noch ehe diese einen Ring an den Finger gesteckt bekommen hatte. In der Sekunde, in der die Tür zu gefallen war, drang ein lautes Gekreische hindurch, das in etwa so klang, als würde jemand eine Trompete ermorden. „Hast-du-den-Verstand-verloren?! Du kennst diesen Kerl doch kaum. HEIRATEN! Heiraten will sie..! So was von wahnsinnig, ich meine..!“ Ich beschloss, dass es Zeit war einzugreifen, in erster Linie, weil ich nicht länger allein mit Bruno in einem Raum mit Erbrochenem auf dem Boden sein wollte.

In dem kleinen Lagerraum war es sehr sperrig, aber Roxi ließ sich nicht ablenken und redete weiter wie verrückt auf Ella ein. Dann brach sie abrupt ab und fing an, auf verstörende Weise zu weinen. Ella und ich blickten uns verdutzt an, normalerweise war Ella diejenige mit den Gefühlsausbrüchen. Ein paar Minuten lang bewegte sich keiner von uns beiden, dann stand Ella unsicher von der Kiste Mandarinen auf, die sie als Hocker benutzt hatte, und tätschelte ihr unbeholfen die Schulter. „Schhhhhht, schhht, ist ja gut, alles wird wieder okay, hörst du? Alles wird wieder gut!“ „NEIN-Nein-NEIN-Nein!“ Roxana richtete sich abrupt auf, ihre tränennassen Augen verengten sich zu Schlitzen. „Das kann ja wohl nicht dein Ernst sein! Du kennst diesen Kerl doch gar nicht, also bitte!“ Sie kramte in ihrer Tasche herum, zog ein Päckchen mit Taschentüchern heraus und schnäuzte sich dann hörbar laut die Nase.

7 Seiten SonnenscheinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt