Federn und Messerspitzen

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Ich hatte keine besonders nachvollziehbaren Dinge gesehen, nachdem ich in den Schlaf geglitten war. Tante Ella, wie sie an ihrem Laptop saß und verzweifelt mit den Grillzangen, die aus den Ärmeln ihres hellgrünen Lieblings-Pullovers ragten, auf die Tastatur einschlug. Die alte Wanzen-Oma, die laut schmatzend etwas zerkaute, von dem ich instinktiv wusste, dass es ein Salatkopf inklusive Plastikverpackung war, und es dennoch schaffte gleichzeitig zu singen: „Es ist doch nur zu deinem Besten.....Besten...“. Und das Regal mit den vielen Tee-Sorten in unserer Küche, so wie es immer war, nur dass zwischen einigen Dosen Häkel-Nadeln hervorragten, blutüberströmt...

Als ich aufwachte, war ich mir nicht sicher,ob das polternde Geräusch aus meinem merkwürdigen Traum kam oder nicht. Draußen blitzte es, vielleicht hatte mich das Gewitter geweckt. Die Wände wurden vom grellen Licht bestrahlt, das in jedem neuen Augenblick durch das kleine Fenster drang, ehe sich wieder Schatten auf die hölzernen Wände legten. Von der Ulme, die sich in unserem Garten befand, stand ein Ast in unmittelbarer Nähe zu meinem Fenster ab, und immer, wenn der Wind durch die Blätter drang und sie bewegte, klopfte er dagegen, sodass das Schattenspiel an den Wänden sich veränderte. Mir machte es Angst, dieses Spiel. 'POCH-POCH-POCH', und an der Wand neben meinem Bett malte sich der Ast ab, wie eine dürre Klaue, deren Skelett-artige Finger nach mir griffen, und wieder klopfte jemand an. Es war kindisch, aber so ein Gewitter weckte in meinem Kopf die schlimmsten Bilder, und am Liebsten wäre ich in den tiefen meiner Bettdecke verschwunden, hätte sie an mich gepresst wie einen magischen Schutzschild, der mich vor allem außerhalb davon beschützen konnte. Aber in der Zeit, während der ich mir Horror-Szenarien ausgemalt hatte, war die Ruhe im Haus gestört worden, und diesmal spielte es definitiv nicht in meinem Kopf. Draußen pfiff der Wind und der Arm kratzte mit seinen hölzernen Fingern an der Scheibe, Donner grollte. Doch das andere Geräusch war lauter und polternd. Mir wurde immer deutlicher bewusst,dass es nur aus dem Haus kommen konnte, und je länger ich darüber nachdachte, desto mehr erstarrte ich. Dann, ganz vorsichtig und darauf bedacht, ja nichts umzuwerfen, griff ich mir meine Taschenlampe aus der Nachttischschublade. Wenn jemand hier war, vielleicht ein Einbrecher, dann wollte ich keine Aufmerksamkeit auf mich lenken, indem ich das Licht meiner Nachttischlampe durch den Türspalt scheinen ließ.Also musste meine alte, rosa-leuchtende Häschen-Taschenlampe aus Kindertagen das übernehmen, sie erfüllte ihren Zweck. Und das ganze erinnerte mich weniger an einen schrecklichen Film.

Ich knipste sie an und warf unter ihrem Schein einen Blick auf die Uhr, während der Lärm unten weiter ging. Kurz nach Mitternacht. Na, Super, konnte es noch etwas geben, was meine kleine Horror-Film-Szene vollkommener gemacht hätte? Vermutlich nicht. Aber ich würde dieser Sache jetzt nicht noch entgegen kommen, wie es alle guten Nebendarsteller in Horror-Filmen taten, nach unten gehen, um nachzusehen, was los war, und dann einen Irren mit einer Axt oder Kettensäge vorzufinden. Aber vielleicht hatte der Einbrecher die Mordwaffe ja gar nicht dabei, schließlich würde es auch ein Küchenmesser oder eine Schere ganz gut tun...

'HACK-HACK-HACK´.Das Geräusch war wieder da, noch lauter als zuvor, ich registrierte, dass es in gewisser Weise schrill war, und dachte an einen Sommer zurück, als ich sechs Jahre alt war. Ella, die in der Küche stand, um Limonade zu machen. Sie hatte einen ganzen Haufen alter Zitronen-Schalen von ausgepressten Früchten vor sich liegen, und Gläser mit der fertigen Limonade standen bereit, mit Eiswürfeln und Strohhalmen. Aber sie wollte noch ein paar Scheiben am Rand der Gläser befestigen, also holte sie das große Messer mit den gelben Pünktchen am Griff heraus, dann das Holzschneidebrett. Ich hatte neugierig zugesehen, als sie die Zitrone aufschnitt, als der wässrige Saft ausgetreten und herabgelaufen war, hatte mir merken wollen, wie man die hübschen Scheiben an den Gläsern hinbekommt; und dann, als die Messerkante das Fruchtfleisch durchtrennte, hatte ich mir die Ohren zugehalten. Es hatte geklungen, als ob jemand mit Fingernägeln an einer Tafel entlang schrabbte, und einen kurzen Moment lang versetzte mir auch jetzt, in meinem Bett, der Gedanke wieder eine kleine Gänsehaut.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 24, 2013 ⏰

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7 Seiten SonnenscheinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt