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„Schatz? Darf ich reinkommen?"
Ich hing gerade kopfüber in meinem Seesack um einen Gürtel zu finden, als meine Mutter zaghaft an die Tür klopfte. „Klar doch.." ächzte ich, richtete mich mit hochroter Birne auf und kippte meinen Kofferersatz kurzerhand auf dem Bett aus. Zerstreut wuselte ich durch die Klamotten und murmelte: „Vielleicht sollte ich doch mal über ein System zur Ordnung nachdenken..." Meine Mama lachte und setzte sich neben das Chaos aufs Bett. „Bloß nicht! Hinterher findest du auf Anhieb noch, was du gerade suchst! Das wäre ja schrecklich praktisch.." Ich warf ihr einen leicht angenervten Blick zu, doch sie grinste nur frech. Ich gab meine Suche nach dem Gürtel vorerst auf und ließ mich neben sie plumpsen.
„Was gibts?" fragte ich neugierig. „Ich wollte mit dir über die ganze Situation reden. Was hältst du von Jason? Wie kommst du mit den Jungs klar und ... was ist da zwischen dir und Alex?"
Ich lehnte mich zurück und rutschte zum Anlehnen gegen die Wand, meine Mutter tat es mir gleich und sah mich erwartungsvoll an. Ich war jetzt fast ein einhalb Wochen hier... es war wohl tatsächlich mal an der Zeit um alles in Ruhe Revue passieren zu lassen.
„Ich glaub, du hättest es wesentlich schlechter treffen können. Jason scheint ein toller Mann zu sein, einer der sein Leben fest im Griff hat... verglichen mit den Versagern, die wir beide in den letzten Jahren angezogen haben, ich mit Linus und du mit Glen, würd ich sagen ist der gute Dr. Hanson ein absoluter Volltreffer! Was seine Söhne angeht... ich hab zwar Frieden mit unserer Vergangenheit geschlossen, aber zumindest mit Malik wird es nie wieder so sein wie früher... dafür hat er mich einfach zu sehr verletzt. Leander und ich werden vermutlich auch nie wirklich grün werden. Er ist mir ein bisschen zu ähnlich, was die Dickköpfigkeit angeht. Und Luke... ja, Luke... bei uns beiden stimmt wohl die Chemie. Wir sind humormäßig auf einer Wellenlänge und er fühlt sich einfach wie ein großer Bruder an."
Meine Mama nickte nachdenklich und begann mit den Fingern Muster und Kreise auf die Bettdecke zu malen. Dann sah sie mich mit einer leicht hochgezogenen Augenbrauen an und fragte schmunzelnd: „Und was ist mit Alex?"
Ach ja, Alex... Mein süßer, heißer, beschützender Seal... ich wurde rot, als ich an die vergangene Nacht dachte. Nachdem ich meine amtliche Panikattacke überwunden hatte, hatten wir geredet... und damit meine ich tatsächlich geredet und nicht die Umschreibung in Anführungszeichen für heftiges und leidenschaftliches Vögeln. Das hatten wir danach auch gemacht, versteht mich nicht falsch und ich hatte die Bude zusammengeschrien, dass die Scheiben gewackelt hatten... aber zunächst hatten wir DAS Gespräch geführt.
„Juna?"
„Hm? Sorry... äh, was war die Frage nochmal?" Mama lachte hell auf und umarmte mich.
„Grundgütiger... dich hat es wohl ziemlich erwischt oder?"
Das konnte ich nicht abstreiten. Mich hatte es erwischt und zwar mit der Macht einer Abrissbirne.
Alex und ich... Wir waren jetzt offiziell. Ja, ja.. böse Zungen könnten sagen, so schnell nach einer Beziehung sollte man keine neue eingehen, aber was soll ich machen. Der Mann, von dem ich immer geträumt hatte, war nun mal gerade jetzt da und hatte sich wundersamer Weise in mich verliebt. Und wenn man das ganze einmal wirklich streng betrachtete, so waren Linus und ich bereits seit über zwei Jahren nicht mehr wirklich ein Paar. Es war eher so etwas wie eine Zwecks/Zwangs-Wohngemeinschaft gewesen.
Fast so, als hätte ich einfach nur auf den richtigen Mann gewartet. Sicher, es gab noch einiges zu klären... vor allem wie es mit uns weiterging, wenn er in einer Woche wieder zum Stützpunkt zurück musste. Aber das hatte Zeit. Jetzt gerade wollten wir den Moment genießen...
„Juna?! Okay, da du mir anscheind nicht antworten möchtest, werde ich jetzt einmal aus deinem Lächeln schließen, dass sich da etwas Ernsthaftes zwischen euch anbahnt. Wie gut bin ich?"
„Ziemlich..." murmelte ich verlegen. Irgendwie war mir das mega unangenehm... da Mama verschwunden war, bevor ich meinen ersten Freund gehabt hatte, tja, so ein Mutter/Tochter Gespräch hatten wir noch nie geführt. Fehlte jetzt nur noch, dass sie mir die Sache mit den Bienchen und Blümchen erklärte.
Meine Mutter lachte leise und küsste mich auf die Stirn. „Das freut mich, Liebes! Alex ist ein toller junger Mann, der dich gut behandeln wird! Trotzdem hoffe ich, ihr nehmt euch ein bisschen Zeit, bevor ihr mir Enkel schenkt.."
„MUM!!!" Rasch wand ich mich aus der Umarmung und flüchtete mit hochrotem Kopf ins Badezimmer. Toll... kaum hatte ich meine Gesichtsfarbe wieder im Griff, knüppelte mir Muttilein so was zwischen die Füße! Hastig wusch ich mich mit kalten Wasser und ging dann zurück. Mama stand am Fenster und sah auf den Garten hinab. Als ich mich zu ihr gesellte, sah ich die fünf Hanson Männer wieder einmal um den Grill versammelt und in einer leidenschaftlichen Diskussion verwickelt. Ich lächelte versonnen und als hätte er den Blick gespürt, hob Alex den Kopf und sah zu mir hoch. Ein zärtliches Lächeln umspielte seine Lippen, dann zwinkerte er mir zu und beteiligte sich wieder am Rumgezanke. Mama lehnte ihren Kopf kurz gegen meine Schulter und sagte leise: „Gut gewählt, mein Schatz!"
Dann seufzte sie und fuhr sich durch die Haare. „Ich geh besser mal runter bevor das noch ausartet und dann die Fetzten fliegen. Kommst du mit?" Ich nickte, den Blick immer noch auf Alex gerichtet und antwortete zerstreut: „Ja, gleich... ich räum nur noch schnell meine Sachen weg..."
Meine Mutter nickte und verließ das Zimmer. Ich bewegte mich immer noch nicht... sah weiterhin in den Garten hinunter und schließlich hob mein Soldat wieder den Kopf. Diesmal war er nicht allein, sondern seine Brüder und auch Jason sahen nun zu mir hoch. Alle lächelten und Alex winkte mich mit gekrümmten Zeigefinger zu sich hinab. Ich atmete durch und ließ das Chaos auf dem Bett Chaos sein. Rasch hüpfte ich die Treppe hinunter und wollte gerade den Garten ansteuern, als mein Handy klingelte. In meiner rammdösigen Glückseligkeit der neuen, jungen Liebe geschuldet achtete ich nicht aufs Display und nahm den Anruf einfach an.

„Na, hattest du eine schöne Zeit, mein Schatz?"
„...."
WTF?
Warum rief mich diese Mistratte an?
„Linus? Was willst du?"
„Ach, Juni... ich vermisse dich! Die Tage, in denen du weg warst, waren die Hölle für mich. Du fehlst mir so sehr!!!"
Sag mal, hatte der Kerl eigentlich den Schuss nicht gehört? Dachte er wirklich, dass wenn er jetzt rumschleimt, komm ich wieder angekrochen? Gut, dass mochte die letzten Male funktioniert haben, aber genug ist genug!
„Was soll der Mist, Linus? Glaubst du denn allen Ernstes, dass ich vergessen würde, dass du Arschloch mich geschlagen hast?!"
Ich bemerkte zunächst nicht, dass ich Zuwanderung hatte. Nicht nur meine Mama, nein auch der Rest der Hanson Familie stand nun aufgereiht wie Perlen auf einer Schnur da; Die Arme vor der Brust verschränkt versuchten sie meinen Ex durchs Telefon mit Blicken zu ermorden. Leider nur mit mäßigen Erfolg!
Alex hatte die Zähne gefletscht und nur ein schnelles Zugreifen von Luke und Leander verhinderte, dass er losstürmte.
„Baby... das war ein großer Fehler und es tut mir leid! Aber du hast mich provoziert... ich wäre doch niemals ausfallend geworden, wenn du nicht so gedankenlos gewesen wärst.."
„WILLST DU MICH EIGENTLICH VERARSCHEN? DU SCHLÄGST MICH, ABER ES IST MEINE SCHULD, WEIL ICH GEDANKENLOS WAR?"
Aus dem Augenwinkel sah ich wie Becc im Stechschritt mit dem Gesichtsausdruck einer Gewitterwolke auf mich losmarschierte.
Und mit den Worten: „Hier ist mein rechtlicher Beistand, viel Spaß mit ihr!" überreichte ich das Handy an Mamabär, die sich bereits mit ausgefahrenen Krallen
im Kampfmodus befand...

Meine vier Stiefbrüder und ichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt