3. Kapitel - Neue Mitbewohner

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So langsam musste ich wohl zugeben, dass mich der Typ wirklich aus dem Konzept brachte. Ungern, aber es führte kein Weg dran vorbei. Allerdings wusste ich nicht, ob ich die Art wie er mich aus dem Konzept brachte mochte oder ob sie mich viel mehr nervte. Würde ich nicht ihm zusammenleben, hätte ich Abstand für die Antwort auf alles gehalten, das war aber unter den gegebenen Umständen unmöglich. Also was nun? Nach circa einer Millionen Kringel auf meinem Notizzettel vor mir, keinerlei Konzentration auf die Vorlesungen und nach wie vor keiner Lösung, beschloss ich dieses Problem auf später zu vertagen. Sollte sich doch die Zukunfts-Hailey darum kümmern. Die würde schon eine Lösung finden, hoffentlich.
Mir war gar nicht aufgefallen wie der Tag so vor sich hingeplätschert war. Irgendwie waren all meine relevanten Kurse schon vorbei und ich hatte die Möglichkeit nach Hause, in die neue WG, zu gehen, dabei konnte ich mich nicht mal daran erinnern, wie ich die Räume zwischen den Vorlesungen gewechselt hatte oder ob ich Mittagessen war. Ein super erster Tag. Exakt so wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Doch wenn ich mal ehrlich zu mir selbst war, war das nicht Neues. Immerhin malte ich mir ständig aus, wie eine Situation oder ein Tag ablaufen würde, durchdachte jedes Szenario und im Endeffekt traf nie eines davon zu. Es lohnte sich also gar so viel Hirnschmalz darauf zu verwenden, sich zu überlegen, wie der perfekte erste Tag aussehen könnte. Gedanklich machte ich mir eine Notiz, die würde ich mir vermutlich genauso lange merken, wie die von heute Morgen. Was hatte ich mir da eigentlich merken wollen? Egal. Diese würde ich mir merken!

So wie der Tag fortgeschritten und ich in meinen Gedanken versunken war, hatte ich gar nicht mehr darauf geachtet wer in meinen Kursen neben mir saß und ob ich noch irgendeinen Kurs mit Sebastian hatte. Vielleicht besser so, dass bedeutete weniger Ablenkung. Gedanklich strich ich den letzten Satz. Jetzt belog ich mich schon selbst! Er war nur in den ersten 90 Minuten meines Uni Tages anwesend gewesen, zu mindestens hatte ich ihn nur da bemerkt, und trotzdem war ich den ganzen Tag abgelenkt gewesen. Großartig! Ich musste das Thema in meinem Kopf endlich gut sein lassen! Am liebsten hätte ich meinen Kopf gegen eine Wand gehauen, damit er endlich begriff, was ich von ihm wollte. Das wäre nur sehr komisch hier im Gang der Universität. Vermutlich würde das einen hervorragenden ersten Eindruck bei allen umstehenden Studenten und Professoren machen. Schluss jetzt! Ich hatte nichts von diesem Tag mitbekommen, weder etwas von den Vorlesungen noch von meiner Umgebung oder Kommilitonen. Ich würde jetzt nach Hause gehen, mir auf dem Weg noch mal einen Frappucino holen und dort meine neuen Mitbewohner kennenlernen. In meinem Zimmer könnte ich dann immer noch meinen Kopf gegen die Wand schlagen. Wäre vermutlich auch etwas privater und die anderen könnten denken ich hänge ein Bild auf oder so. Ja, das war ein guter Plan!

Schon im Flur vor der Wohnungstür konnte ich Gelächter und ein Stimmengewirr hören, die anderen beiden Mitbewohner schienen wohl angekommen zu sein. Tief durchatmen. Ein und aus. Im Geiste zählte ich wie oft mein Herz das Blut durch meinen Körper pumpte, während ich meine Augen schloss und die Geräusche um mich herum wahrnahm. Zwei Stimmen. Eine weibliche und eine männliche. Sebastian, die männliche Stimme, klang desinteressiert, die weibliche, warm und offenherzig. Mit der nächsten tiefen Einatmung öffnete ich meine Augen sammelte all meinen Mut, obwohl meine Beine am liebsten in die andere Richtung weglaufen wollten, und schloss die Tür auf.

Ein Schwall Herbstluft kam mir aus den geöffneten Fenstern gegenüber entgegen, schlug mir hart ins Gesicht und trieb mir die Tränen in die Augen. Reflexartig kniff ich die Augen zusammen und versuchte die Träne am Ausbrechen zu hindern. Erfolglos. Mit einem Ärmel meiner Jacke gab ich mir die größte Mühe den Schaden zu begrenzen und gleichzeitig probierten meine Augen der Welt wieder Konturen zu geben.
„Hi, ich bin Ahri! Ich bin grade aus New York hergezogen. Meine Kurse starten erst morgen, weshalb ich so spät hier angekommen bin, aber das hab ich alles grade auch schon Sebastian erzählt! Naja, egal, ich freue mich auf jeden Fall sehr dich kennenzulernen, ich glaube das hier wird richtig toll!". Während sich die Begrüßung von Ahri über mich wie ein Wasserfall ergoss und ich mich fragte ob sie überhaupt mal Luft holen musste, nutze ich die Gelegenheit um sie genauer unter die Lupe zu nehmen. Ihr schwarzes Haar fiel ihr glatt auf die Schultern und rahmte ihr hübsches, rundliches Gesicht mit dem Olivfarbenen Teint wunderschön ein. Ihr zierlicher Körper steckte in einer lässigen, schwarzen Jogginghose kombiniert mit einem Pastel blauen crop top und weißen Nike Sneakern. Es saß wie angegossen und so als hätte sie sich keinerlei Mühe gegeben ein Outfit auszusuchen und sich zurecht zu machen, sah aber dennoch perfekt aus. Ich beneidete sie. Sie war einer dieser Menschen, die man von der ersten Sekunde gleichzeitig hasste und liebte, einfach weil sie zu perfekt, zu gutaussehend und zu freundlich waren. Mein Lächeln wurde zunehmend schiefer und musste mittlerweile aussehen, wie eine Vorhangstange, die nur noch auf einer Seite an der Wand hing, während die andere Seite schon auf dem Boden lag. Zu mindestens fühlte es sich so an.
Erschrocken bemerkte ich, dass es schon eine ganze Weile still war. Wann hatte sie aufgehört zu sprechen? Mist! Meine Konzentration lies wirklich zu wünschen übrig! Erwartungsvoll sah mich Ahri an. Worauf zur Hölle wartete sie bitte? Achja, fuck! Ich hatte mich noch gar nicht vorgestellt. Warum war ich nur so? Nervös streifte ich den Schweiß in meinen Handflächen an meiner Momjeans ab und reichte ihr die Hand: „Hi", mein schiefes Grinsen hielt sich wacker in meinem Gesicht, „Ich bin Hailey! Schön dich kennenzulernen! Ich hoffe du hast dich gut zurechtgefunden?". Manchmal wünschte ich wirklich, ich wäre eine dieser Personen, denen es leichtfällt, sofort alle von sich zu überzeugen. Das würde mein Leben so viel einfacher gestalten. Aber nein, stattdessen war ich eine cringe Person geworden, die man erst besser kennenlernen musste, um zu checken, das sie eigentlich ganz nett oder zu mindestens ok war. Ein hoch auf social anxiety und Versagensängste.
„Es ist so cool euch beide kennenzulernen! Ich denke wir werden super Freunde!". „Okay Miss übertrieben happy und freundlich, schraub mal einen Gang zurück. Ich hab kein Interesse daran einen von euch beiden näher als nötig kennenzulernen.".
Einen Moment lang war alles still. Ich weiß es heißt immer, man hätte eine Stecknadel fallen hören können, allerdings wäre in dieser Stille sogar ein Staubkorn so laut wie eine Bombenexplosion gewesen.
Ahri und ich wendeten uns beide perplex zu Sebastian. Was war das denn gerade gewesen? Das war nicht der Sebastian, den ich heute Morgen kennengelernt hatte, oder hatte ich ein völlig falsches Bild? Ich konnte überhaupt nicht begreifen, warum er auf einmal so genervt und arrogant war. Naja, heute Morgen war er auch arrogant gewesen, allerdings nicht so unfreundlich. Unter keinen Umständen würde ich ihm jetzt eine größere Bühne geben, als er verdient hatte. „Okay. Niemand zwingt dich, Freunde zu finden. Wenn du keinen Bock hast, dann verschwinde in dein Zimmer.", eiskalt bohrten sich meine Augen in die seinen. Wenn ich etwas nicht leiden konnte, dann waren es unhöfliche Menschen. Für einen kurzen Moment schien Sebastian noch zu überlegen etwas zu erwidern, sah sogar kurz verwirrt aus, drehte sich dann jedoch lediglich um und verschwand in seinem Zimmer. Da standen die Sterne auf jeden Fall gut, für ein angenehmes Mitbewohnerverhältnis.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 14, 2023 ⏰

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Zwischen Verdammnis und absoluter DunkelheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt