(7) Wincent

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Wincent

Ich stand unter Zeitdruck. Gerade kam ich aus dem Studio, da ich noch etwas erledigen wollte und nun musste ich los, zum Café und vorher kurz nach Hause, um mich fertig zu machen. Die letzten Stufen noch hinunter und dann zum Auto. Doch gerade, als ich die Straße überqueren wollte, um zu meinem Auto zu kommen, sah ich ein vertrautes Gesicht an meinem Auto lehnen. Shayenne. Was machte sie hier? Sie sah mich nur traurig an und wartete darauf, dass ich zu ihr kam. Ich sprintete schnell über die Straße und nahm sie fest in den Arm. „Shayenne? Was machst du hier? Ich hab mit dir gar nicht gerechnet."

„Hab Stress mit Mum. Sie verlangt so viel und nervt mich mit allem. Sie ist nur am meckern." Da stöhnte ich leicht genervt auf. Stress mit unserer Mutter, was wohl dazu führt, dass ich vermutlich zu spät zu Amelia komme. Ich wollte sie nicht warten lassen, aber andererseits konnte ich meine kleine Schwester auch nicht im Stich lassen. „Ich musste weg", seufzte sie. „Zu Freunden kann und will ich nicht. Ich kann nur zu dir. Darf ich bitte bleiben? Ich bin schon den ganzen weiten Weg zu dir gefahren." Mir passte das nicht wirklich, doch trotzdem stimmte ich zu. „Du musst das mit Mama klären. Und ewig bleiben kannst du auch nicht. Und jetzt komm, wir fahren." Wir stiegen beide ins Auto ein und ich fuhr los.

Was mache ich nur mit Amelia? Ich konnte auch schlecht absagen, da ich ihre Nummer gar nicht habe. Dumm gelaufen. „Irgendwas ist mit dir. Ich kann auch gehen, wenn du das willst." Das traf mich irgendwie in meinem Herzen. Ich möchte meine kleine Schwester nicht wegschicken. Das einzige was ist, ist, dass ich eine Verabredung habe, relativ spät dran bin, meine Schwester jetzt da ist und ich Amelia nicht absagen kann. „Nein, bleib! Du kommst nur etwas unpassend. Ich wusste nicht, dass du zu mir kommst, als du gefragt hast, wo ich gerade bin. Weißt du, ich habe eine Verabredung und müsste eigentlich los." Shayenne senkte ihren Blick, wodurch ich mich schlecht fühlte. Jedoch wusste ich nicht, was ich sagen sollte. So schwiegen wir die gesamte Autofahrt.

Bei mir an der WG angekommen, stiegen wir beide aus dem Auto. „Komm mit hoch", meinte ich zu ihr. „Mit wem triffst du dich eigentlich?" Die Frage kam so plötzlich, dass ich im ersten Moment nichts sagte, sondern einfach schwieg. „Mensch, Wincent! Sagst du mir bitte, wen du triffst? Ich bin kein kleines Kind mehr."

„Sie... Keine Ahnung was sie..."

„Ein Date?" Ich nickte. Das war's doch, oder? Da lächelte Shayenne mich an. „Aber ist nicht sooo wichtig. Du bist jetzt hier. Ich bin sowieso schon spät dran. Sie versteht es sicher." Nein, das würde sie nicht, da sie auf mich wartet. Ich kann sie nicht stehen lassen, aber Shayenne ist hier. Da boxte sie mir fest gegen die Schulter. „Bist du bescheuert? Du hast ein Date! Da ist nichts egal. Es ist schon eine Ewigkeit her, dass du das letzte mal jemanden getroffen hast. Tut mir leid, dass ich so plötzlich aufgetaucht bin, aber bitte geh. Ich komme zurecht. Lass mich hier alleine und geh zu dem Treffen. Lass sie nicht warten und sei kein Arsch." Sie hatte recht, ich sollte sie nicht warten lassen. „Danke. Fühl du dich wie zu Hause. Fabi ist nicht da, der ist für ein paar Tage weggefahren. Ich bin heute Abend wieder da und dann reden wir." Ich verschwand schnell im Bad, um mich frisch zu machen. Schnell duschen und fertig machen. „Ach, Wincent! Viel Spaß! Reicht auch, wenn du morgen früh erst wieder kommst." Damit brachte sie mich zum Lachen, da ich wusste, worauf sie hinaus wollte. „Keine Sorge, ich komme spätestens heute Abend wieder. Und du, mach keinen Unsinn!", lachte ich. Schnell zog ich mir die Schuhe an, griff nach dem Autoschlüssel und wollte gerade gehen. „Ich bin ganz brav, wie immer. Und Wincent? Pass bitte auf."

Ich warf einen Blick auf meine Uhr und war geschockt. Noch ungefähr fünf Minuten bis zum Treffen, das würde ich niemals schaffen. Ich stöhnte genervt auf. Eigentlich war ich immer überpünktlich, doch diesmal nicht, was mich nervte. Hoffentlich wird mir Amelia das nicht übel nehmen. Schnell gab ich meiner kleinen Schwester einen Kuss auf die Wange und machte mich auf dem Weg ins Café. Dafür, dass viel Verkehr auf den Straßen war, kam ich relativ schnell am Ziel an. Allerdings war ich trotzdem zu spät. Ich stellte mein Auto ab und lief die restlichen Meter. Von weitem konnte ich Amelia schon sehen und ging noch einen Schritt schneller. Völlig außer Atem kam ich an. „Sorry, mir ist was Wichtiges dazwischen gekommen. Meine Schwester hat mich kurz gebraucht", sagte ich. „Alles gut. Ich verstehe das total. Mach dir da keinen Kopf. Deine Schwester ist wichtiger." Als sie mich nun anlächelte, verschwand mein schlechtes Gewissen sofort. Zur Begrüßung nahm ich sie in den Arm. Es war ein schönes, angenehmes Gefühl, welches sich in mir ausbreitete. Sofort bildete sich auch auf meinen Lippen ein Lächeln.

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