Kapitel.1

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Ich laufe durch die Straßen einer brodelnden Stadt. Der Kampf zwischen Pazifisten und Militaristen ist ein Spiel, so alt wie Orlog selbst.

Über die gesamte Zeit meines Lebens hat man mir beigebracht, wie all die Wahlkämpfe abliefen, die viele Generationen vor meiner Zeit lagen.

Heute lebt nur noch eine Person, die sich selbst an diese Zeit erinnert. Er ist die Quelle des Wissens und das älteste Mitglied unseres Volkes. Mit der Kraft des grünen Gases hat er die Ewigkeit überlebt, um uns zu leiten. Sein Wort ist es, dass von der Partei der Militaristen gegen die Pazifisten gesprochen wird. Er ist die Stimme von Wissen und Vernunft gegen das Geschrei von einigen unüberlegten Weltverbesserern.

Seine Aufgabe ist es, die Tradition und somit jeden unserer Mitbürger am Leben zu halten. Und die zunehmenden Mutationen, die seinen Körper deformieren, sind ein Symbol der Selbstaufgabe für sein Volk. Seine Aufgabe bindet ihn ans Leben, bis die nächste Stadt gefallen ist. Erst dann darf er seine persönliche Medizin absetzen, um sie letztlich an meinen kleinen Bruder weiterzugeben, auf dass er seine Aufgabe übernimmt.

Während all diese Verantwortung aktuell zum Hauptthema meiner Familie wird, bin ich draußen. Ich ziehe durch die Stadt und mische mit unter das Volk. Ich habe immer gedacht, um das Volk zu regieren, muss man es kennen. Also spreche ich mit Menschen und finde heraus, was sie denken; wollen; brauchen. Heute bin ich auf dem Weg zum Rand der Stadt. Eine Familie hat mich in ihr Heim eingeladen und dieses Angebot werde ich nicht abschlagen. Am liebsten würde ich sogar alleine mit ihnen sprechen. Doch in der aktuellen Lage ist das nicht möglich. Die Angst vor Anschlägen auf meine Familie ist groß und so bin ich in Begleitung meiner zwei persönlichen Wachmänner unterwegs.

Es war schon eine wahre Leistung Vater davon zu überzeugen mir nur diese beiden Männer mitzugeben statt eines kompletten Trupps. Und wären es nicht diese beiden, die ich mitnehme, ich glaube er hätte weiter auf den Trupp bestanden. Doch diese Soldaten sind auch zu zweit schon ein beeindruckender Schutz; Männer wie Bären, mit Muskeln aus Beton. Beide von ihnen überragen mich bei weitem und bei ihrem Anblick räumt so mancher Zivilist schon die Straße.

Man sieht selten Soldaten eines solchen Ranges am Rand. Ihnen ist es vorbehalten die Armee im Krieg zu führen, die Soldaten auszubilden und die Familien der Parteien zu schützen. Und weder sind Kasernen am Stadtrand noch verirren sich die höheren Mitglieder hier her. Der einzige Kontakt den man hier mit dem Militär hat sind die Patrouillen, die für Recht und Ordnung sorgen.

Der Marsch braucht seine Zeit doch schließlich erreichen wir den äußersten Rand. Vor uns liegen nur noch Hütten und Felder auf denen unzählige Punkte umherwuseln. Die wenigsten von ihnen sind tatsächlich Bewohner unserer Stadt. Hier außen leben vorwiegend Arbeiter. Es sind diejenigen Menschen, die einst auf dem Flecken Erde gelebt haben, der uns zur Grundlage unseres Lebens geworden ist. Es sind Schwächlinge, erkennbar an ihrer bleichen Haut. Sie waren in einer klaren Überzahl, als wir ihre Stadt damals angriffen und sie sind es auch heute noch. Doch damals wie heute fehlte ihnen die Kraft sich uns in den Weg zu stellen. Wären sie keine so guten Arbeiter - keiner von ihnen würde mehr leben.

Auf dem weiteren Weg geht einer der Wachmänner vor und einer hinter mir in Position. Dabei macht niemand den Eindruck auch nur ansatzweise feindselig gesinnt zu sein. Im Gegenteil. Meine Mitbürger gucken geradezu ehrfürchtig als unsere Gruppe an ihnen vorüber schreitet. Erhobenen Hauptes gehe ich weiter ohne jemandem von ihnen in die Augen zu sehen. Wie geschmeichelt ich mich auch von der Verehrung fühle, man darf nie Schwäche zeigen. Wenn das Volk seine Anführer nicht mehr respektiert, kann das schwerwiegende Folgen haben. Im besten Falle beginnt es dann unangenehme Forderungen zu stellen, im Schlimmsten Fall kommt es zu Aufständen. Und unser Hüter des Wissens warnte schon davor, dass während der Wahlperioden ohnehin schon ein Risiko vor Aufständen bestehe. Auch wenn ich mir da manchmal nicht so sicher bin. In den letzten Tagen seit dem offiziellen Beginn des Wahlkampfes hat sich das Volk ruhig verhalten. Und ich beginne zu zweifeln, dass sich das allzu bald ändern wird. Zumal die Pazifisten noch nicht einmal eine Spitze für ihre Partei gefunden haben.

„Wir sind angekommen", ertönt auf einmal die Stimme des Wachmannes vor mir. Er ist stehen geblieben und deutet mit seiner rechten Hand auf eine modrige Holztür, die den Eingang zu einer Hütte blockiert. Zögernd trete ich an die Tür heran und atme noch einmal durch. Dann kehre ich wieder zum gewohnten Selbstbewusstsein zurück und klopfe.

Die Frau, die mir öffnet ist sichtlich kleiner als ich und sie scheint schon einige Jahre hinter sich zu haben. Ihr Blick ist freundlich, doch man sieht ihr dennoch eine Erschöpfung an, die von einem langen und Anstrengendem Leben zeugt. Doch ehe ich die Zeit habe darüber eingehender nachzudenken, werde ich auch schon ins Haus gebeten, bekomme einen Stuhl angeboten und beobachte, wie die Frau beginnt einen Topf mit Wasser über einem kleinen Feuer zu erhitzen.

„Tut mir leid, aber die Auswahl an Teesorten ist nicht mehr allzu hoch. Hier geht langsam alles aus", entschuldigt sich die Frau, ohne dass ich auch nur nach irgendetwas gefragt hätte.

Letzten Endes sind vielleicht die Ärmsten doch auch die freundlichsten Menschen. Doch letzten Endes hat mich die Neugierde hierher geführt, also beginne ich nach einer freundlichen Begrüßung mit meinen Fragen und egal wie komplex diese Frage auch ist, ich beginne dennoch mit der wichtigsten und offensichtlichsten. Es ist sowieso der offensichtliche Elefant im Raum.

Also lächle ich wieder und frage neugierig: „Also Sylvia, was hältst du von der Not eines weiteren Krieges? Glaubst du es gibt Alternativen?

Orlog | Krieg des LebensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt