„Ich glaube ehrlich gesagt die Pazifisten wählen einen von den Generälen von oben. Entschuldigen Sie meine Wortwahl, aber man muss wirklich Geld scheißen, damit man denkt diese Stadt würde auskommen ohne die Hilfe von anderen“, meint die Frau aufgebracht. Kurz blickt sie zu mir hinüber, als würde sie sichergehen wollen, dass ich ihren Aufruhr gut aufnehme. Ich nicke, um ihr klarzumachen, dass sie fortfahren soll. Für einige Augenblicke schweigt sie, bleibt ruhig. Schweigend stellt sie den Tee auf dem kleinen Tischchen vor uns ab und setzt sich, dann geht ihre Rede weiter.
„Ich kann ja verstehen, dass Sie und Ihre Familie einen hohen Lebensstandard haben, immerhin führen Sie unsere Heimat durch eine harte Zeit, aber manche von der hohen Obrigkeit sollte man wirklich Hungern lassen. Hier unten geht langsam allen das Essen aus und da oben sitzen ein paar Spinner, die leben wie Götter und sich denken, nur weil es ihnen gut geht, braucht kein anderer mehr irgendwas. Deshalb freut es mich auch, dass Sie auch mal mit uns reden. Endlich mal Politiker, die sich für das ganze Volk interessieren. Ich sehne mich einer Zeit entgegen, in der Sie hier alles bestimmen.“
Ich lächle kurz und fahre mir mit der Hand durch die Haare. „Vielen Dank“, sage ich freundlich.
Die nächste Zeit verbringen wir damit gemeinsam Tee zu trinken und uns weiter über Politik zu unterhalten. Seit sich die junge Frau ihren Frust von der Seele gesprochen hat ist sie ruhiger geworden. Ich stelle Fragen und geduldig beantwortet sie alles. Manchmal stellt auch sie Fragen – Fragen zu meinen Ansichten oder politischen Ideologien. Auch wenn ich versuche ehrlich zu antworten, muss ich dennoch immer wieder ausweichen und schweigen. Sie scheint zwar nicht zufrieden damit, nimmt es aber dennoch ohne zu Klagen einfach hin.
Ohne dass wir es wissen, geht parallel zu unserem Gespräch im Zentrum der Stadt das Chaos los. Es beginnt noch harmlos mit einem demokratischen Akt. Die Pazifisten wählen ihren Anführer und wie Sylvia bereits vermutete ist es kein unbekanntes Gesicht.
Sirad ist seit Jahren ein General unserer Truppen. Er ist allerdings auch schon länger verdächtigt politische Verbindungen mit extremen Gruppen zu hegen. Natürlich sind solche Kontakte in keiner Weise verboten, doch sie sind sehr wohl etwas, was man lieber im Auge behält, etwas, was in diesem Falle allerdings vernachlässigt wurde. Und dementsprechend bringt seine Ernennung offensichtlich einige Unruhen.
Wie weit das ganze jedoch führen würde, teils sogar in kurzer Zeit, kann sich bisher wohl noch niemand vorstellen – wahrscheinlich nicht einmal er selbst. Denn seine Ernennung ist nicht nur ein politischer Akt, sondern auch ein Symbol. Ein politischer Extremist und militärischer General als Präsidentschaftskandidat ist ein Symbol, das geradezu nach Gewalt schreit. Und auch wenn er nicht mit Worten zur Gewalt aufruft; als Pazifist wahrscheinlich sogar gegen sie sprechen würde, seine Wahl, die Wahl eines Kriegsführers zum eigenen politischen Oberhaupt, zeigt die Einstellung der Menschen, die hinter ihm stehen.
Selbst wenn wir in unserem Gespräch nichts von seiner Ernennung mitbekommen, sehen in der ganzen Stadt Menschen sein Gesicht und hören seine Rede, wie er hofft den Frieden für unsere Stadt bringen zu können, sowie er ernannt würde. Manche Menschen hören seine Rede voller Sorge. Manche Menschen sehen sie als eine Aufforderung zur Wahl.
Ein paar wenige Menschen machen sich bereit die Wahl zu umgehen. Ein paar wenige bereiten sich zum Kampf vor. Eine Spannung liegt in der Luft. Und bald wird sich diese Spannung in einem Gewitter entladen.
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Orlog | Krieg des Lebens
General FictionEine Geschichte aus einer der Städte in Metropolis.