Um 20.50 Uhr betrete ich das Cafe. Es riecht nach vornehmen Speisen und exotischen Gewürzen - so ganz anders als der Geruch nach Tabak, vermischt mit dem von fettigen Pommes, den ich aus Lokalen gewohnt bin.
Natürlich riecht es anders; schließlich bin ich auch nicht zum Abhängen hier. Heute geschieht etwas einmalig Besonderes, davon bin ich fest überzeugt.
Ein Ober weist mir einen runden Tisch am Fenster zu, mit etwas Abstand zum restlichen Pulk. Ich setze mich, allerdings ohne meinen Mantel abzulegen. Die Nähe zur Eingangstür und der in Stößen eintretenden kalten Winterluft sind wohl der Preis für die sonst so perfekte Lage meines Platzes.
Ich rücke meinen Hut zurück, der eigentlich nicht zu der kalten Jahreszeit passt, aber trotzdem dabei sein musste. Er sticht mehr heraus als alles andere, mehr als ich; genau das, was ich bei unserem Date brauche.
In Gedanken gehe ich unser letztes Gespräch durch, das letzte Mal, dass wir uns trafen.
Er hat mich eingeladen, was mich total überraschte. Ich hatte vermutet, dass er mich nicht so sah, sondern als einfache Kollegin am Arbeitsplatz. Doch das erwartungsvolle Leuchten in seinen Augen, vermischt mit der Angst vor Zurückweisung schien mehr als echt. Also habe ich die Einladung angenommen.Natürlich habe ich das getan, schließlich war es genau das, wovon ich seit Tagen heimlich träumte. Um 21 Uhr am Cafe um die Ecke, das war die Verabredung. Ich bestelle einen Kaffee und schaue auf die Uhr. Es ist 20.53 Uhr. Noch genug Zeit, um kurz die Kundentoilette zu benutzen. Ich raffe meine Sachen auf und mache mich auf den Weg.
Etwas mehr als 15 Minuten später sitze ich wieder auf meinem Platz; Schminke und Frisur zurechtgemacht und mehr als bereit für unser Rendez-vous. Die Tür des Cafes öffnet sich und ein Mann betritt den Raum.
Er trägt einen schwarzen Mantel, der sich eng an seinen schlanken Körper schmiegt, und eine hellgraue Mütze auf dem Kopf. Als er die Mütze abzieht, kommen verwuschelte braune Haare zum Vorschein. Ist er das? Mein Herz macht einen Hüpfer.
Der Mann - John? - nähert sich dem Tresen und immer noch kann ich sein Gesicht nicht erkennen. Aber ja, natürlich ist er das! Das muss er sein!
Plötzlich scheint es mir, als ob alles aufblühen würde; das Licht strahlt heller, die Plastikblumen auf den Tischen wirken frisch und wunderschön und das Geplauder der übrigen Gäste lässt alles sehr gemütlich erscheinen. Ich strahle innerlich und richte mich automatisch auf.
Der Mann dreht sich um und schaut in meine Richtung.
Oh. Ich sacke in mich zusammen. "Was..."
Mein Flüstern geht im lauten Gelächter meiner Tischnachbarn unter. Ich spüre die Enttäuschung in mir aufsteigen wie eine Welle im Ozean. Der Mann lässt seinen Blick ohne irgendeine Art von Erkenntnis über mich schweifen und steuert schließlich auf einen Gruppentisch am anderem Ende des Raumes zu.
Ich rühre in meinem schwarzbraunen Kaffee und sehe mein Spiegelbild schlucken. Es ist 21. 25 Uhr.
Die nächsten Minuten vergehen gleichzeitig langsam wie Kaugummi und schneller als ein D-Zug.
Um 21.32 Uhr verlässt der Gruppentisch das Cafe; weitere Gäste folgen um 21.37 Uhr.
Um 21.40 Uhr wirft mir der Ober einen mitleidigen Blick zu; ich funkele ihn wütend an.
Um 22.00 Uhr verlassen die letzten Gäste das Cafe. Draußen ist es mittlerweile dunkel. Die Straße ist menschenleer.
Im Innern des Cafes sitzt außer mir niemand mehr."Wir schließen gleich", verkündet der Ober. Ich nicke, unfähig etwas zu sagen, und rühre in meinem eiskalten Kaffee.
Er hat die Farbe deiner Augen: schwarz, mit dunkelbraunen Tupfen. Erst jetzt fällt mir auf: Ich habe keinen einzigen Schluck getrunken.
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Schwarzbrauner Kaffee
General Fiction"Hallo?", frage ich und hasse mich dafür, dass meine Stimme plötzlich so hoch und zittrig klingt. Lautes, eintöniges Tuten ertönt: die Person am anderen Ende hat aufgelegt. "Josie" "Hm, ja?" "John. So heißt er." "Klaro, weiß ich doch." "Du hast ebe...