Elizabeth

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Unausgeschlafen rollte ich am frühen Morgen aus meinem warmen Bett. Die Sonne schien schon durch die zugezogenen Gardinen und ich hörte die Vögel zwitschern.

Mit verklebten Augen und schlechter Laune zog ich mir die erstbesten Klamotten an, die auf meiner Stuhllehne hingen und ging ins Badezimmer, um mir die Müdigkeit aus dem Gesicht zu waschen und die Zähne zu putzen.

Mit frischem Atem sprang ich, schon besser gelaunt, die Treppe runter und hörte schon Geschirrklappern und das Rattern der Kaffeemaschine, als ich in die Küche trat. Der Geruch nach frischen Brötchen ließ meinen Magen knurren.

"Guten Morgen", begrüßte ich meine Eltern, die beide am Küchentisch saßen und die Zeitung vor sich aufgeschlagen hatten. Beide antworteten mir nicht, denn sie waren viel zu vertieft in das Lesen, sodass sie mich nicht hörten. Leise setzte ich mich zu ihnen an den Tisch und wollte zu dem Brotkorb greifen, um mir ein Brötchen zu nehmen, aber der skeptische Blick, denn meine Mutter über den Rand der Zeitung warf, ließ mich stoppen.

"Elizabeth, könntest du bitte den Müll rausbringen?", fragte sie mich, eine perfekt gezupfte Augenbraue hochgezogen. Obwohl es erst früh am Morgen war, war sie schon geschminkt, hatte eine ordentliche Frisur, die streng zurückgebunden war, sodass nicht ein einziges Härchen abstand und sie steckte in einem schwarzem Bleistiftrock und einer weißen Bluse.

"Klar", presste ich heraus und stand auf, sodass der Stuhl quietschend zurückgeschoben wurde. Mein Vater blickte auf, seufzte und guckte wieder auf das Zeitungsblatt. Er war ebenfalls schon gut angezogen, mit seinem Anzug und der sauber gebundenen Krawatte.

Ich griff nach dem vollem Müllsack unter dem Waschbecken, machte einen Knoten rein und schleppte ihn zur Haustür, wo ich ihn die Hausschlappen meines Vaters schlüpfte. Ich fühlte mich fast wie in einem Film, als ich in einer Jogginghose und einem Pullover, mit einem unordentlichem Knoten auf meinem Kopf, aus dem Haus ging, um den Müll wegzuschmeißen.

Ich öffnete den Container und versuchte, den Müllsack reinzustopfen, aber er passte nicht rein. Ich drückte und presste ihn runter und gab nach einer Weile auf. Erschöpft trat ich zurück, pustete eine Haarsträhne, die sich dabei gelöst hatte, aus dem Gesicht und stolperte über ein paar Flaschen, die mir im Weg standen. Sie fielen klirrendend um. Ich stöhnte und bückte mich, um sie aufzuheben und wieder hinzustellen, aber dieses mal so, damit sie keinen störten.

Als ich aufblickte, sah ich noch, wie ein oberkörperfreier Rücken vor dem Fenster bei den Nachbarn stand, bevor ich den Deckel des Containers zuklappte, auch wenn er nicht gescheit zu ging, und ins Haus flüchtete. 

Dabei rannte ich fast meine Mutter über den Haufen, die gerade in ihre Stöckelschuhe schlüpfen wollte. Sie packte mich am Arm und zog mich näher zu ihr.

"Ich und dein Vater sind gleich weg. Achte bitte darauf, dass du nicht so viel isst. Wir müssen bald auf eine Veranstaltung und du solltest in dein Kleid passen. Ich habe dir etwas Salat gekauft. Er steht im Kühlschrank in dem untersten Fach. Das sollte für heute reichen", flüsterte sie in mein Ohr und ich nickte nur.

"Du kannst dein Kleid anprobieren. Es liegt auf unserem Bett, aber versuch es nicht zu zerknittern. Es hat sehr viel Geld gekostet", sie wand sich dem Spiegel zu und fuhr sich mit einem knallpinken Lippenstift die Lippen nach.

"Und lerne ein wenig. Bald fängt die Schule an und ich und dein Vater wollen nicht, dass du gleich am Anfang mit dem Stoff hinterherhängst", sie warf ihrem Spiegelbild einen Kuss zu und zupfte an ihrer perfekt geglätteten Bluse. Dann schnappte sie sich die Schlüssel ihres Autos, die laut klimperten. Obwohl sie und Vater den selben Job hatten und an der selben Stelle arbeiteten, fuhren sie immer mit zwei Autos dahin. Wieso wusste ich nicht, aber es war schon immer so gewesen. 

Sie trat aus der Haustür, ihr Rücken gerade, ihre Schritte selbstbewusst und ihr Gesichtsausdruck ernst. Ganz die Geschäftsfrau, die sie war. Ich sah ihr hinterher, bis ich die schweren Schritte meines Vaters hinter mir hörte.

"Benimm dich", sagte er streng, bevor er ebenfalls aus dem Haus trat und die Tür hinter sich zuzog. Ich hörte Autos starten und dann mit quietschenden Reifen wegfahren.

The taste of your lipsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt