Erstes Kapitel

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Erstes Kapitel.
In dem ein Laden unerwarteten Besuch bekommt

Das erste, was Lily Evans sah, als sie an einem Freitag Anfang April 1982 den Laden betrat, war eine große Titelseite des Tagespropheten, auf dem das schwarz-weiße Foto einer elegant gekleideten, etwas hochmütig wirkenden älteren Dame prangte. Darüber stand in riesigen Buchstaben: Walburga Black verstorben

Lily hob überrascht eine Augenbraue, zu mehr war sie nicht in der Lage, da sie einen riesigen Karton mit frischen Blumen im Arm hielt. Sie wuchtete ihn auf den Tresen vor der Zeitung, die sich erschrocken zurückschlug und den Blick auf einen etwas zerzaust wirkenden Remus Lupin freigab. 

"Neue Ware ist da", erklärte Lily statt einer Begrüßung. Remus lugte in den Karton hinein, aus dem ein wunderbarer Duft strömte, während er mit bunten Farben überquoll. 

"Das trifft sich gut", erwiderte er. "Mrs Gallagher hätte gerne einen Strauß Rosen zu ihrem Shakespeare." 

Lily schmunzelte über die alte Dame, die zuverlässig jeden Freitag in den kleinen Laden am Ende der Winkelgasse kam. 

Eigentlich hatten Lily und Remus beide nicht vorgehabt, nach der Schule einen Laden zu eröffnen. Stattdessen hatten sie, nicht zuletzt dank ihrer säuberlich angefertigten Abschlussarbeiten, beide einen Studienplatz für Zauberkunst ergattert. Beinahe drei Jahre hatten sie mehr gebüffelt, als sie es je für möglich gehalten hätten, bevor ihnen (Remus deutlich vor Lily) aufgefallen war, dass es kaum vernünftig bezahlte Arbeitsstellen in diesem Bereich gab. Die Begeisterung war auch größtenteils verflogen und übrig blieben Müdigkeit und der Traum nach etwas, was ihnen wirklich Spaß machen würde. 

Anfangs war es eine Schnapsidee gewesen, ein Running Gag, das Studium zu schmeißen und stattdessen einen Laden zu eröffnen. Ein halbes Jahr hatten sie sich noch weiter gequält, dann hatten sie sich gemeinsam hingesetzt und überlegt, ob sie es theoretisch tatsächlich durchziehen konnten. Und siehe da - nicht zuletzt dank einer größeren Finanzspritze von Fleamont Potter hatten sie vor einem halben Jahr tatsächlich eröffnet. 

Bücherwurm & Seerose stand in schön kalligraphierten Buchstaben außen auf dem großen Holzschild, das über der Tür hing. Sie verkauften Blumen und Bücher - sicherlich nicht die klassische Kombination, aber irgendwie funktionierte es. Der vordere Teil des Ladens gehörte Lily. Er war voll mit Vasen und Eimern voller Rosen, Tulpen, Gerbera und Ranunkeln. Im hinteren Bereich erstreckte sich Remus' Reich: hohe Regale voll mit Romanen, Reiseführern und Sachliteratur. 

"Hat Sirius schon die Zeitung gesehen?", fragte Lily, während sie ihren Zauberstab schwang, um alle Eimer mit frischem Wasser zu befüllen. Remus brummte eine Zustimmung. 

"Er wurde gestern Abend schon informiert", berichtete er. "Stand kurz vor Mitternacht in meiner Wohnung, völlig außer sich vor Begeisterung. Ich glaube, der einzige Grund, warum er nicht auf der Stelle eine Party geschmissen hat, war dieser Auftrag, den er und James heute haben." 

Lily biss sich auf die Lippe und versuchte, nicht allzu missbilligend zu schauen darüber, dass Sirius den Tod seiner Mutter feierte. Sie verstand, dass er keine gute Beziehung zu ihr hatte, aber so etwas zu feiern, kam ihr doch ein wenig schäbig vor. 

"Richtig", sagte sie also, "sie sollten ja aber morgen wieder zurück sein." 

Remus grinste. 

"Sind sie besser", erklärte er, "morgen Abend ist schließlich endlich eure Einzugsfeier." Er schnitt eine Grimasse. "Wenn ihr sie nicht wieder in der letzten Minute verschieben müsst, wie die letzten drei Male." 

Lily seufzte. Vor fünf Monaten waren James und sie endlich zusammengezogen. Sie beide hatten es längst überfällig gefunden, aber eine bezahlbare Wohnung für zwei zu finden, war im magischen Teil von London genauso unmöglich wie im nichtmagischen. Aber inzwischen hatten sie endlich eine - am Ende doch im Muggellondon, aber zumindest nicht allzu weit vom Tropfenden Kessel entfernt. Sie war nicht besonders groß, aber sie hatte zwei Zimmer, eine kleine Küche mit Esstisch und ein Bad und sogar einen kleinen Balkon in den Garten hinaus. Das Haus, in dem sie wohnten, war klein,  es gab nur noch eine Wohnung im Erdgeschoss und eine im zweiten Stock, die beide von älteren Damen bewohnt wurden. 

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