Dishonored // Kapitel 1

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1.

Leise schloss ich die Tür auf, die in ein altes verlassenes Mietsgebäude führte. Ich sah mich noch einmal misstrauisch um, ob mir auch niemand gefolgt war.

Die neblige Straße, nur von einer flackernden Gaslaterne erhellt lag, wie ausgestorben da. Hohe Häuserfassaden, alt und verwahrlost, ragten so weit in die Höhe, dass man den Himmel nicht sehen konnte. Die Fenster waren meistens eingeschlagen, vernagelt oder fehlten ganz. Einige Häuser standen auch schief, weil die Fundamente in den morastigen Untergrund abgerutscht waren.

Es handelte sich auch um große Mietshäuser, wo früher mit Sicherheit das Leben geblüht hatte. Aber das war vor meiner Zeit in dieser verdammt düsteren und unfreundlichen Stadt gewesen. Jetzt hausten nur noch, so viel ich wusste, einige arme Schlucker im schräg gegenüberliegenden Haus. Sonst war diese Straße wirklich verlassen.

Drei Häuser weiter quietschte ein altes Ladenschild in einem leichten Luftzug. Es war sehr still an diesem Abend. Doch plötzlich schien es mir, als würde ich in meinem Augenwinkel jemanden stehen sehen. Aber beim Umdrehen bemerkte ich, dass es nur das alte große Fass und der Schatten vom gegenüberliegenden Haus gewesen war.

Ich schüttelte den Kopf und trat ein. Ständig und überall spürte ich Augen, die mich beobachteten. Eine manchmal wirklich lästige Angewohnheit, aber bei dem Leben, dass ich führte war es durchaus nichts schlechtes immer vorsichtig zu sein.

Von dem alten Glanz dieses Gebäudes war nicht mehr zu sehen. Die Tapeten waren verschlissen und darunter sah man schon den Putz bröckeln. Überall war Schimmel an den Wänden und diverses Viehzeug vom Käfer bis zur Kakerlake hatte in den zahlreichen Ecken und Nischen ein wohliges Nest gefunden. Die alten verblichenen und ausgetretenen Dielenbretter knarzten unter meinen braunen Stiefeln. Das Geländer der Treppe war zum Teil abgebrochen und die Streben ragten wie tote Bäume in die Luft. Es roch hier in den unteren Etagen moderig, aber mir war dieser Geruch inzwischen so vertraut, dass es mir nicht mehr so auffiel.

Beim Treppensteigen, war allerhöchste Konzentration gefragt, da man bestimmte Stufen überspringen musste, weil man ansonsten durch das Holz brach. Aber mit der Zeit gewöhnte man sich auch daran.

Im dritten Stock verscheuchte ich mit einem gezielten Wurf eines Messers einige Ratten, die vor der Tür zu meinem Reich umher schlichen auf der Suche nach etwa Essbarem. Ratten fand man in diesen Tagen überall in der Stadt. Wenn man nicht aufpasste und die Ratten zu viele waren, rissen sie einem das Fleisch von den Knochen. Aber diese Gefahr war allen bewusst und man versuchte so gut wie nur möglich, damit klarzukommen. Am besten man beachtete sie gar nicht und hielt sich möglichst von ihnen fern.

Ein Tritt gegen das alte Holz und die Tür sprang mit quietschenden Angeln auf. In meiner Wohnung war es etwas sauberer als im Rest des Hauses, aber nicht viel. Ich war nicht oft hier. Eigentlich nur zum Schlafen und wenn ich dem Rest der Meute entfliehen wollte.

Beiläufig schmiss ich meinen verschlissenen Leinenbeutel in eine Ecke und schlug die große Kapuze meines schwarzen Umhangs zurück, den ich immer trug wenn ich auf die Straße ging, um nicht erkannt zu werden. Meine langen dunklen Haare fielen über meine Schultern. Eigentlich grenzte es an ein Wunder dass sie noch nicht komplett verfilzt waren. 

Es war dunkel in meinem Raum. Links von mir war ein schmales Bett aus rostigem Eisengestänge und einer uralten Matratze. Daneben war ein niedriger Schemel mit einer Tranlampe, die mit Walöl gefüllt war. Hinter dem Bett lag ein offener Koffer in dem meine wenigen Kleidungsstücke lagen. Zumindest die, die man sozusagen als Arbeitskleidung bezeichnen konnte. Ich hatte auch noch eine Truhe mit den ganzen alten Kleidern, aus der Zeit wo es meiner Familie noch gut gegangen war. Es waren edle Stoffe und ausgefallene Schnitte. Aber wann sollte so ein armseliges heruntergekommenes Wesen wie ich so etwas tragen?

Dishonored- Geschichte einer ÜberlebendenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt