Dishonored // Kapitel 2

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Die Straßen waren größtenteils überschwemmt, aber irgendwer hatte alte Stahlträger oder Bretter gelegt, sodass man - wenn man daran gewöhnt war - sich ohne größere Schwierigkeiten bewegen konnte. Der Bezirk war nicht sonderlich groß, nur etwa drei größere und mehrere kleinere Straßenzüge. Aber dass die Straßen von einer grünlichen faulig stinkenden Brühe bedeckt waren, machte es etwas schwerer sich hier zu bewegen.

Ach ja, und die Weiner natürlich. Sobald die Stadtwache bei ihren Kontrollgängen fortgeschrittene Symptome der Seuche bei Menschen entdeckte, brachte sie sie hier in den überschwemmten Bezirk zum Sterben und natürlich um die Ansteckungsgefahr etwas in den Griff zu bekommen.

Vor uns tauchte jetzt die alte Handelskammer von Rudshore auf, wo die Assassinen ihr Hauptquartier hatten. Es war groß, sehr groß, aber wenig einladend. Die sowieso schon graue Fassade wirkte in dem Dunst noch dunkler. Gleichförmig reihten sich die dunklen Fenster aneinander und übereinander.

Vor dem Gebäude ragte, genauso riesig und grau, eine Statue der ehemaligen Kaiserin, Jessamine Kaldwin, auf. Auch wenn ich wusste, dass die Kaiserin in echt noch etwas anders ausgesehen hatte, war ich mir sicher, dass sie eine wunderschöne Frau gewesen sein musste. Stolz stand sie da, mit erhobenem Kopf und der Krone auf dem steinernen Haar. Leider war ich ihr nie begegnet. Aus starren kalten Augen blickte sie auf mich herab, als würde sie aufpassen wer in diesem Gebäude ein und aus ging. Der Statue fehlte der linke Arm, aber im rechten lag ein langes Zepter.

Ja, die Menschen hatten ihre Kaiserin geliebt. Deshalb verstand ich auch nicht warum sie umgebracht wurde. Von Daud und seinen Leuten, zu denen ich irgendwie auch gehörte. Für ihn war es nur ein Auftrag von vielen gewesen.

Denn das waren wir:

Auftragsmörder.

Kopfgeldjäger.

Oder wie man es auch immer nennen wollte. Obwohl man niemanden sah, wusste ich, dass wir beobachtet wurden. Keiner kam ungesehen herein. Das meinten zumindest immer alle. Und man gab sich große Mühe, dass das auch so blieb. Überall wachten wachsame Augen.

Vor einer kleinen niedrigen Tür ließ ich den Admiral stehen und ging allein in die Küche, die sich hinter der Tür verbarg. In der hintersten Ecke lag unter einer Bank ein unscheinbares Bündel. Ich zerrte es hervor und warf es mit einem Scheppern und Klirren auf den großen robusten Tisch. Das Tuch war alt und abgegriffen, aber es schütze immer noch zuverlässig das, was man darin einschlug.

Ich nahm nicht alle Waffen mit. Nur einige Messer, längere und kürzere, die sich leicht verstecken ließen. Pistolen waren mir eigentlich zu plump und unelegant, aber ich nahm meine trotzdem mit, weil sie ein ganz guter Retter in der Not sein konnte. Dann schob ich mir noch einige Haarnadeln in die Taschen, zum einen, weil sie sehr zuverlässige Dietriche waren, zum anderen, weil lange offene Haare einen behinderten beim Klettern. Ach ja, ein langes dünnes aber stabiles Seil nahm ich vorsichtshalber auch noch mit, man konnte ja nie wissen, auf was für Wegen man sich zwangsläufig bewegen musste.

Zum Schluss nahm ich noch eins dieser wirklich köstlichen Aprikosentörtchen, die Filroy immer buk, und trat wieder nach draußen. Der Admiral hatte sich nicht von der Stelle bewegt und betrachtete immer noch konzentriert seine Stiefelspitzen.

„Wir können los!" sagte ich und nickte ihm zu.

„Zum Wrenhaven runter?"

„Ja, genau. Dort wollte uns einer seiner Männer treffen."

Er hatte immer noch schlechte Laune. Warum wusste ich nicht. Ich fragte ihn auch nicht. Wenn er es mir nicht selbst sagen wollte, ging es mich nichts an. Das hatten wir so abgesprochen. Jeder hatte seine Geheimnisse. Auf dem Weg runter zum Fluss setzte der Admiral seine Gasmaske auf und zog sich seine Kapuze tief in die Stirn. Ich mochte es nicht, wenn er sie aufhatte, weil es ihn für mich so unberechenbar machte. Auch verzerrte der Filter seine Stimme. Aber ich hatte mich so gut es ging daran gewöhnt.

Dishonored- Geschichte einer ÜberlebendenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt